Neue Leitlinien aus den USA

Die Erlaubnis zum Nichtstun

Eine bahnbrechende Leitlinie haben im März das American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) und die Society for Maternal-Fetal Medicine (SMFM) verabschiedet. In den kommenden Jahren wird sie möglicherweise richtungsweisend sein – auch für die Entwicklung in Deutschland. Wird die gekonnte Nichtintervention doch noch Standard geburtshilflichen Handelns? Prof. Dr. Christiane Schwarz
  • Manuelle Drehung des kindlichen Kopfes von der hinteren in die vordere Hinterhauptslage.

  • Manuelle Drehung des kindlichen Kopfes von der hinteren in die vordere Hinterhauptslage.

Nein, dies ist keine Wiederholung des gleichlautenden Vortrags vom 1. DHZCongress 2012 (siehe DHZ 3/2013, S. 40ff.). Es gibt einen feinen Unterschied. Vor zwei Jahren ging es um die wissenschaftliche Erlaubnis zum Nichtstun – um die Evidenz, die beweist, dass es am besten ist, Frauen beim Gebären nicht zu stören. Die Studien, die bestätigen, was Hebammen schon wussten: dass Frauen gebären und Kinder geboren werden können, und dass es unklug und unethisch ist, in diesen Prozess einzugreifen, solange nicht sicher ist, dass wir den Frauen und Kindern damit wirklich mehr nutzen als schaden. Diesmal geht es um die Praxis – und zwar am Nabel der Welt, wo – auch geburtshilfliche – Trends gemacht werden: in den USA. Eine neue Leitlinie der Fachgesellschaft der GeburtshelferInnen American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) und der Gesellschaft der FetomaternalmedizinerInnen (Society for Maternal-Fetal Medicine/SMFM) ist im März 2014 erschienen. Dieses Positionspapier hat das Potenzial, die Welt zu verändern. Was ist passiert?

 

Nicht erfüllte Prophezeiungen

 

Viele Versprechungen, die die Geburtsmedizin in den vergangenen Jahrzehnten gebärenden Frauen angepriesen hat, konnten leider nicht eingehalten werden: die Natur und im Besonderen das Gebären zu verbessern. Viele richteten großen Schaden an und wurden mehr oder weniger spektakulär wieder abgeschafft. Dazu gehörten beispielsweise die Durchtrittsnarkose mit Forceps, der Dammschnitt mit Rasur und Einlauf für alle Frauen, Ersatznahrung für die meisten Neugeborenen, programmierte Geburten, frühe geplante Sectiones. Auch heute gibt es eine Reihe von Interventionen, die häufig durchgeführt werden, weil sie scheinbar besser sind als die Natur: Bei 23 Prozent der gebärenden Frauen in Deutschland leiten wir die Geburt ein. Mindestens 30 Prozent haben intrapartal einen Wehentropf. Und über 30 Prozent werden per Sectio entbunden (siehe Abbildung 1).

Schon in den 1970er Jahren beschrieb der französische Geburtshelfer Dr. Michel Odent in seinem Buch „Sanfte Geburt" die Schizophrenie der medikalisierten Geburt (Odent 1976). Die US-amerikanische Hebamme Ina May Gaskin behauptete 1977 in ihrem Werk „Spirituelle Geburt" kühn, dass Frauen Kinder kriegen können (Gaskin 1977). Die britische Statistikerin Marjorie Tew zeigte 1990 in ihrem Buch „Sichere Geburt?" in der Analyse von geburtshilflichen Daten aus mehreren Jahrzehnten, dass die Verbesserungen der Frauen- und Kindergesundheit des 20. Jahrhunderts nicht parallel zu der Einführung von interventionsreicher Geburtshilfe stattfanden, sondern zeitlich völlig unabhängig – sie waren das Verdienst besserer Wohn-, Arbeits- und Ernährungsbedingungen (Tew 1990). Der kürzlich gestorbene Geburtshelfer und langjährige Direktor der WHO Europa, Marsden Wagner, warnte schließlich 1994 in seiner Publikation „Der Geburtsmaschinerie auf der Spur" noch einmal eindringlich vor zu viel Geburtstechnologie (Wagner 1994).

Tatsache ist, dass die Sterblichkeit von Neugeborenen und Müttern in den Industrieländern schon lange nicht mehr signifikant abnimmt, was auch immer für Medizintechnologie eingesetzt wird – tatsächlich steigt sie in einigen Ländern seit einigen Jahren wieder an, vor allem in den USA. Und hier kommen wir zur eigentlichen Erkenntnis: Wir greifen immer mehr ein, verbrauchen dabei Zeit und Geld und haben als Ergebnis ein gleichbleibendes Resultat, oder schlimmstenfalls eine Verschlechterung der messbaren Ergebnisse. Die wichtigste Komponente dabei ist der Kaiserschnitt, denn bei der abdominalen Entbindung ist die Müttersterblichkeit besonders hoch. Seitdem die Sectiorate in den 90er Jahren steil ansteigt, hat sich die Müttersterblichkeit in den USA verdoppelt.

Tatsächlich lässt sich belegen, dass im Zusammenhang mit einem Kaiserschnitt das Krankheits- und Sterberisiko für die Mütter deutlich erhöht ist. Dreimal mehr Frauen sterben an Atonien, Narkosezwischenfällen, Schock, Atem- und Herzstillstand, akutem Nierenversagen, Thromboembolien, Infektionen, Wundheilungsstörungen und Hämatomen. Die anderen haben Probleme in der Folgeschwangerschaft wie Plazentationsstörungen (Plazenta praevia, Plazenta accreta/percreta) mit hohen Risiken für Mutter und Kind, oder Verwachsungen. Diese Folgen des Kaiserschnitts kumulieren in den Folgeschwangerschaften. Und das sind nur die messbaren Probleme, die wir tatsächlich (schon) nachweisen können. Bindungsstörungen, Depressionen, gesundheitliche Risiken für die Kinder im späteren Leben könnten durchaus noch hinzukommen. Die Kaiserschnittrate liegt in den USA ähnlich hoch wie in Deutschland, wenn man den Durchschnitt aller Bundesländer berechnet, nämlich über 30 Prozent. Bemerkenswert, dass die MedizinerInnen, die die Stellungnahme der ACOG formuliert haben, auf eine weitere Besonderheit hinweisen, die ebenfalls in unseren beiden Ländern zu beobachten ist: die starke Abweichung zwischen den Sectioraten der einzelnen Bundesländer, in den USA zwischen den Bundesstaaten. Durch körperliche Unterschiede zwischen den Gebärenden lässt sich das nicht erklären. Es wird als Hinweis darauf gewertet, dass hier bei der Entscheidung zur Sectio keine medizinischen, absoluten Indikationen vorgelegen haben, sondern subjektive oder willkürliche Erwägungen. Das bestätigt sich auch beim Vergleich der Sectioraten einzelner Kliniken, die zwischen unter 10 und über 80 Prozent liegen, unabhängig von ihrem Versorgungslevel. Daraus schlussfolgern die US-amerikanischen GeburtsmedizinerInnen, dass es möglich und notwendig ist, Sectiorate zu senken.

 

Die erste Sectio im Leben verhindern

 

Um die Kaiserschnittrate zu senken, so argumentieren die AutorInnen der neuen Leitlinie, muss vor allem vermieden werden, dass eine Frau zum ersten Mal einen Kaiserschnitt bekommt. Damit hat man die Resectio als eine der Indikationen automatisch reduziert. Die drei häufigsten weiteren Indikationen für eine Sectio in den USA sind die Diagnosen „Geburtsstillstand", „suspektes/pathologisches CTG" und „regelwidrige Einstellung/Verdacht auf Missverhältnis". Danach – weit abgeschlagen – folgen Mehrlinge, Makrosomie, Wunsch der Mutter und andere. Ausgerechnet die drei häufigsten Diagnosen lassen aber einen großen Ermessensspielraum zu – und genau da, lesen wir in den neuen Leitlinien der ACOG, muss ein Umdenken erfolgen. Die Indikationsliste in Deutschland sieht – wie zu erwarten – sehr ähnlich aus: Nach den jährlich vom AQUA Institut veröffentlichten Perinataldaten sind die häufigsten Indikationen ebenfalls das „relative Missverhältnis" (11 Prozent), „pathologische CTG" (21,9 Prozent), der „Zustand nach Sectio" (26,7 Prozent), die Beckenendlage (20,7 Prozent), und die „protrahierte Geburt" (22,9 Prozent), teilweise in Kombination (AQUA 2014). Die Argumentation der ACOG-Leitlinie zielt nun darauf, dass bei folgenden Indikationen wissenschaftsgestützt ein sehr viel zurückhaltender Umgang sinnvoll ist:

  • Geburtsstillstand in der Eröffnungsperiode (EP)
  • Geburtsstillstand in der Austreibungsperiode (AP)
  • supektes/patholoisches CTG
  • Einleitung als Risikofaktor für eine Sectio
  • regelwidrige Einstellung
  • Verdacht auf Makrosomie
  • starke Gewichtszunahme der Schwangeren
  • Zwillinge
  • Sonstiges.

Im Einzelnen schlagen sie folgende Änderungen der geburtshilflichen Praxis vor:

 

Geburtsstillstand in der EP

 

Bisher galt: Geburten beginnen mit regelmäßigen Wehen; die normale (ungefährliche) Eröffnungsgeschwindigkeit beträgt mindestens einen Zentimeter pro Stunde; alle Frauen mit gleicher Parität eröffnen gleich schnell; es gibt einen klar definierten Geburtsbeginn.

Neu: Die aktive Eröffnungsphase beginnt erst ab sechs Zentimetern Muttermund; bei Erst- und Mehrgebärenden sind danach Eröffnungsgeschwindigkeiten von einem halben Zentimeter pro Stunde ungefährlich; Erstgebärende mit langer Latenzphase von mehr als 20 Stunden und Mehrgebärenden mit mehr als 14 Stunden brauchen fast nie (!) Wehenmittel; die Definition Geburtsstillstand soll nicht vor einer Muttermundsweite von mehr als sechs Zentimetern, gesprungener Fruchtblase und mindestens vier Stunden kräftiger regelmäßiger Wehen oder sechs Stunden schwacher oder unregelmäßiger Wehen gestellt werden.

Was wir tun können: Wir müssen in jedem Kreißsaal gute Konzepte entwickeln, wie wir Frauen in der Latenzphase betreuen können – am besten außerhalb des Kreißsaals. Dabei hilft die möglichst frühzeitige Information der Schwangeren in Kursen, Vorsorge und Sprechstunden; Vorwehen- oder Familienzimmer; Hausbesuche, die Bestätigung von Normalität und konkrete Ansagen; Hilfsmittel, wie TENS, Baden, Ball, Massagen, Schlafen für die Frauen, um die Zeit zu bewältigen. Generell ist es wichtig, die Frauen ernst zu nehmen und ihnen zuzuhören. Ein Partogramm soll erst ab sechs Zentimetern Muttermundsweite geführt werden.

 

Geburtsstillstand in der AP

 

Bisher galt: Lange Austreibungsphasen sind gefährlich (fetal distress, Hypoxie, Infektionen); die normale (ungefährliche) Geburtsgeschwindigkeit beträgt maximal eine bis drei Stunden; alle Frauen mit gleicher Parität gebären gleich schnell.

Neu: Es besteht kein wissenschaftlich nachweisbarer Zusammenhang zwischen langer Austreibungsperiode (über drei bis fünf Stunden) zu einem schlechten Outcome: Apgar, pH, Intubation, Verlegung in die Kinderklinik, Sepsis. Bei den Frauen mit längerer Austreibungsphase wurden etwas häufiger Atonien, Dammrisse und Infektionen beobachtet, jedoch waren diese Komplikationen insgesamt selten und traten auch bei kurzen Geburten auf. Die Empfehlung lautet, in der aktiven Austreibungsphase mindestens drei Stunden abzuwarten – bei PDA noch länger.

Was wir tun können: Wir sollten keine willkürlichen Begrenzungen der Austreibungsphase definieren, sondern schauen, ob es Frau und Kind gut geht. Die Gebärenden sollten ermutigt werden, sich zu bewegen. Es sollen möglichst wenige vaginale Untersuchungen durchgeführt werden. Falls das Köpfchen ungünstig im Becken steht, sollte vor dem Entschluss zur Sectio ein Versuch unternommen werden, es sanft aus dem Becken zu schieben und dann manuell zu rotieren. Im Partogramm kann eine „Achtung"- und eine „Aktion"-Linie eingezeichnet werden, die hilft, den festgestellten Geburtsfortschritt zu objektivieren (siehe Abbildung 2).

 

Die Achtung- und die Aktionslinie beachten

 

Das Partogramm wird frühestens bei sechs Zentimetern Muttermundsweite angelegt. Jetzt wird eine Linie vom ersten eingezeichneten Muttermundsbefund nach rechts gezogen, die eine Eröffnungsgeschwindigkeit von einem halben Zentimeter pro Stunde vorgibt („Achtung"-Linie). Mit vier Stunden Abstand wird eine zweite Linie parallel dazu gezogen („Aktion"-Linie). Nun wird die Frau frühestens nach vier Stunden wieder untersucht. Liegt das Ergebnis links von oder auf der „Achtung"-Linie, ist eine weitere Untersuchung frühestens nach vier Stunden erforderlich – falls das Kind dann noch nicht da ist. Liegt es rechts von der Linie, „darf" schon nach zwei Stunden wieder untersucht werden. Liegt das Ergebnis zwischen den Linien, besteht kein Handlungsbedarf, aber eine nächste Untersuchung kann schon nach zwei Stunden erfolgen. Sobald das Ergebnis auf oder rechts von der zweiten Linie („Aktion"-Line) liegt, besteht potenziell Handlungsbedarf – es sei denn, alle sind munter und es geht ihnen gut.

 

Suspektes CTG

 

Das Phänomen „schlechte Herztöne, schnell in den OP", bei dem dann doch ein überraschend vitales Kind zur Welt kommt, ist auch auf der anderen Seite des Atlantiks bekannt. Dazu tragen, so die ACOG, Interpretationsschwierigkeiten bei, der fehlende Bezug zur klinischen Situation, unvollständiges Fachwissen, schlechte Kommunikation und forensischer Druck. Hier helfen am ehesten eine systematische Fortbildung des gesamten geburtshilflichen Teams, interdisziplinäre Fallbesprechungen nach Kaiserschnitt wegen „pathologischem CTG", gesunder Menschenverstand und die sorgfältige Einbeziehung der klinischen Befunde in das Gesamtbild.

 

Relatives Missverhältnis

 

In diesem Punkt erinnern die MedizinerInnen der ACOG daran, dass Ultraschallschätzungen umso ungenauer sind, je weiter sich die Größe des Kindes vom Mittelmaß entfernt. Sie halten ein fetales Schätzgewicht von 4.500 Gramm bei diabetischen und ein Gewicht von 5.000 Gramm bei nichtdiabetischen Müttern für eine angemessene Grenze, ab der eine Sectioindikation erwogen werden kann.

 

Fehleinstellungen

 

Da die nicht optimal ins Becken eingestellte Position des kindlichen Kopfes häufig eine der Ursachen für einen vermuteten „Geburtsstillstand" ist, schlagen die VerfasserInnen der Leitlinie eine manuelle Reposition des kindlichen Kopfes vor. Leider wird in dieser Leitlinie nicht explizit darauf eingegangen, dass die sinnvollere Maßnahme die Vermeidung dieses Problems sein könnte, und zwar durch Ermutigung der Gebärenden zur Bewegung.

Womöglich wird ein Teil der Fehlstellungen bereits dadurch vermieden, dass Frauen nicht mehr so früh in den Kreißsaal aufgenommen werden sollen. Dort wurden sie bislang aus Ungeduld aller Beteiligten mit Dauer-CTG, PDA und Wehentropf so unbeweglich, dass es überhaupt erst dazu kommen konnte.

 

Beckenendlage

 

Die Steißlage ist keine pathologische Situation, sondern eine Besonderheit der regelrechten Geburt aus Längslage (siehe auch DHZ 12/2013, S. 55ff.). In der neuen Leitlinie steigen die GeburtshelferInnen nicht auf die Frage der Sectio bei Beckenendlage ein, sondern weisen darauf hin, dass eine äußere Wendung sehr häufig erfolgreich ist. So müssen sich die Frauen und ÄrztInnen dann weder dieser Frage noch dem Problem stellen, eine Klinik zu finden, die Beckenendlagengeburten betreut.

 

Zwillinge

 

In einem recht kurzen Abschnitt über Zwillingsgeburten stellen die AutorInnen fest, dass vaginale Geburten für Gemini ebenso sicher sind wie eine Sectio, sobald die 32. Schwangerschaftswoche vollendet ist und mindestens das erste Kind in Schädellage liegt.

 

Alle Sectio-Indikationen erschüttert

 

Zum Abschluss finden sich in der Leitlinie noch eine Empfehlung zu Herpes simplex-Infektionen (eine Sectio ist nur bei einer aktiven Infektion nötig) und der Hinweis, dass vaginal operative Geburten bessere Ergebnisse erzielen als Notsectiones, wenn sie (bei adäquatem Befund) aus kindlicher Indikation von einer erfahrenen GeburtshelferIn durchgeführt werden. Als besonders wichtiger Hinweis wird noch einmal wiederholt, dass in der Latenzphase nicht interveniert werden soll, sondern Geduld und gute Betreuung gefragt sind. Falls diese Leitlinie sich in den USA und in Deutschland durchsetzen sollte, sind fast alle „weichen" Sectioindikationen erschüttert. Ein massiver Rückgang der Sectiorate müsste sich abzeichnen, zunächst bei den genannten Indikationen und dann auch bei den Re-Sectiones. Und zwar: zum Wohle der Frauen und Kinder. Jetzt sind wir gefragt, uns mit diesen Empfehlungen auseinanderzusetzen, sie zu verbreiten und interdisziplinär Konzepte zu erarbeiten, wie wir das in unseren Kreißsälen umsetzen können. Denn eins ist klar: Der Hauptbestandteil dieses Rezeptes ist eine ausreichende Zahl von Hebammen.

 

 

Neuheiten der ACOG-Leitlinie auf einen Blick

 

Eröffnungsperiode

  • Eine protrahierte Latenzphase (Erstgebärende > 20 Stunden, Mehrgebärende > 14 Stunden) ist keine Sectioindikation.
  • Eine langsame Eröffnungsperiode ist keine Sectioindikation.
  • Die Muttermundsweite von 6 Zentimeter sollte als Grenze zwischen Latenzphase und aktiver Eröffnungsphase gelten.
  • Geburtsstillstand in der Eröffnungsphase sollte erst ab einer Muttermundsweite über 6 Zentimeter mit offener Fruchtblase und regelmäßigen Wehen bei Status idem für mehr als 4 Stunden beziehungsweise bei Status idem über mehr als 6 Stunden mit Wehentropf definiert werden.

Austreibungsperiode

  • Es gibt keine Definition zur normalen Dauer einer Austreibungsphase.
  • Geburtsstillstand in der Austreibungsphase sollte erst nach frühestens 2 Stunden (Mehrgebärende) oder 3 Stunden (Erstgebärende) aktivem Mitschieben gestellt werden.
  • Längere Austreibungsphasen sind unter Umständen physiologisch und erfordern nicht unbedingt ein Eingreifen.
  • Vaginal operative Geburtshilfe durch erfahrene GynäkologInnen ist eine gute Alternative zur Sectio und sollte praktisch geübt werden.
  • Die Korrektur einer Fehleinstellung/-haltung durch manuelle Rotation des Kopfes kann eine sinnvolle Intervention sein, um eine sekundäre Sectio zu vermeiden.

Fetale Überwachung

  • Amnioinfusion hilft oft bei variablen Dezelerationen
  • Stimulation am fetalen Skalp zum Ausschluss fetaler Azidose durchführen

Geburtseinleitung

  • vor 41+0 nur mit medizinischer Indikation, ab 41+0 empfohlen
  • Zervixreifung vor mechanischer Einleitung bei unreifem Befund
  • Latenzphasen von über 24 Stunden berücksichtigen
  • bei offener Fruchtblase mindestens 12 bis 18 Stunden die Wirkung von Wehenmittelgabe abwarten

Regelwidrige Einstellung

  • genaue Diagnostik
  • bei BEL äußere Wendung zu empfehlen

Verdacht auf Makrosomie

  • Indikation zur Sectio erst ab mindestens 4.500 Gramm (Diabetes) oder 5.000 Gramm (ohne Diabetes)
  • exzessive Gewichtszunahme der Schwangeren
  • Ernährungsberatung entsprechend Empfehlungen der Fachgesellschaft

Zwillingsschwangerschaft

  • keine Sectioindikation, wenn mindestens der führende Zwilling in Schädellage liegt

Sonstige Empfehlungen

  • mehr Forschung, die die klinische Entscheidungsfindung zur Sectioindikation unterstützt

 

 

Rubrik: Ausgabe 09/2014

Vom: 18.12.2020