DHZ 10/2021

Zahnbürste oder Spekulum?

Kommunikation ist tückisch. Das fiel mir neulich wieder auf, als ich selbst als gynäkologische Patientin zur Dysplasie-Sprechstunde musste. Während ich etwas angespannt auf der Autobahn zum vereinbarten Termin fuhr, rief mich die Praxisleitung an, der Doktor würde mich leider heute doch nicht behandeln können, da er in einer anderen Klinik in einer anderen Stadt sei. Ich ärgerte mich, aber gab mich großzügig: Kann passieren, kein Problem. Ich sei aber schon 40 km gefahren – wo ich jetzt stattdessen hinmüsse? Die Arzthelferin ließ sich auf den Erpressungsversuch ein und schickte mich nach Herford, »aber mit Wartezeit«. Dort saß ich knapp drei Stunden mit FFP2-Maske in einem stickigen Wartezimmer, bis mich endlich ein freundlicher, sanft sprechender Arzt in meinem Alter in sein Zimmer rief. Er machte eine kurze Anamnese und fragte mich, wann ich die letzte Regelblutung gehabt hätte. Ich bin 51 Jahre alt und habe letztes Jahr aufgehört zu bluten, was ich für normal halte. Er dagegen fand das bemerkenswert: „Jetzt schon in den Wechseljahren?“ Aber ich sei sicher froh, dass ich das los sei. »Nein«, antwortete ich, es habe mir nichts ausgemacht. Es sei einfach ein normaler Teil meines Frauseins gewesen. Sein Gesicht sprach Bände. Was ich von Beruf sei? »Hebamme.« »Achsoo.« Ich kannte die Ergebnisse meiner Pap-Abstriche, hatte recherchiert und die AWMF-Leitlinie gelesen. Jetzt erwartete ich eine kurze sachliche Aufklärung zum folgenden Prozedere. Stattdessen sagte der Doktor: »Putzen Sie regelmäßige Ihre Zähne?« Ich blieb freundlich, weil ich das heute wirklich hinter mich bringen wollte. »Ja, natürlich.« »Und Sie gehen zweimal im Jahr zur professionellen Zahnreinigung?« Klar, aber was …? »Warum machen Sie das?« »Es ist Routine.« Falsche Antwort. »Jaaa, aber warum machen Sie es?« Ich tat ihm den Gefallen, obwohl ich das Gespräch schon jetzt absurd fand. »Damit die Zähne gesund bleiben.« »Geeenau! Das machen wir hier auch. Den Muttermund kann man zwar so nicht sehen, aber ich schaue ihn mir jetzt gründlich an, und wenn wir was Auffälliges finden, bringe ich es in Ordnung.« Ich hätte ja eigentlich schon gerne gewusst, wie er das macht, aber er war schon aufgestanden und bat mich, mich untenrum freizumachen und den Gynstuhl zu besteigen. Während ich mich auszog, überlegte ich kurz, ob er wohl gleich eine Zahnbürste zücken – oder doch das Spekulum benutzen würde. Tara Franke
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