Frauenrechte sind Menschenrechte!

  • Dr. Angelica Ensel, Hebamme, Ethnologin und Redakteurin der DHZ: »In einem Arbeitsbereich, in dem der Frauenkörper im Fokus ist, erwächst den Berufsgruppen eine besondere Verantwortung.«

Dass traditionelle Geschlechterrollen noch lange nicht überholt, sondern tief in unserer Kultur verankert sind, wird Frauen heute oft erst richtig bewusst, wenn sie schwanger sind und sich damit auseinandersetzen müssen, wie sie ihr Leben als Mutter gestalten wollen. Im Nachdenken über Möglichkeiten und vor allem Hindernisse, Care-Arbeit und Beruf zu verbinden, wird deutlich, wie begrenzt die Wahlmöglichkeiten sind, wie wenig Flexibilität es gibt und wie sehr unsere Gesellschaft eine partnerschaftliche Rollenteilung verhindert.

Bei allen Ansprüchen für ihr Dasein als Eltern erleben viele Frauen, dass am Ende die überwiegende Last der Care-Arbeit bei ihnen liegt. Viel zu selten gibt es eine gerechte Teilung. Auch Männer erleben, wie wenig ihre Care-Arbeit vom Arbeitgeber respektiert und gefördert wird. Soziolog:innen sprechen von einer Retraditionalisierung der Geschlechterrollen. Die berufliche Entwicklung und Karriere von Frauen wird dadurch behindert und eingeschränkt.

Seit fast 100 Jahren kämpfen Feministinnen mutig für Geschlechtergerechtigkeit. Und bei allen Erfolgen müssen wir feststellen, dass viele Ziele noch lange nicht erreicht sind. Das betrifft auch das Grundrecht, über den eigenen Körper zu verfügen. Besonders deutlich wird dies in Bezug auf Schwangerschaft, Geburt und Elternwerden.

Am Frauenkörper offenbaren sich gesellschaftliche Machtverhältnisse, hier werden sie ausgetragen. Als Hebammen kennen wir gewaltvolle Szenen rund um die Geburt – Bilder, die in ihrer Symbolik nicht deutlicher sein könnten und sich tief eingraben, nicht nur in die Körper und Seelen von Frauen, sondern auch in Generationen von Auszubildenden bei Hebammen und Mediziner:innen. Es ist schockierend und bedrückend zu erfahren, dass sich diese Haltungen und Kulturen über Jahrzehnte nicht wesentlich verändert haben – wie tief strukturelle Gewalt in den Institutionen verankert ist und wie sie mit jeder neuen Generation in der Sozialisation der Berufsgruppen institutionell, in der Ausbildung und in persönlichen Beziehungen weitergegeben wird.

Frauenrechte sind Menschenrechte. Sie umzusetzen, ist ein langer Weg. In einem Arbeitsbereich, in dem der Frauenkörper im Fokus ist, erwächst den Berufsgruppen eine besondere Verantwortung – und ebenso die Chance für einen Wandel, strukturell und ganz unmittelbar. Denn Gewalt, Herabwürdigung und Diskriminierung ereignen sich in Beziehungen und bei aller Komplexität gibt es in jeder Situation Handlungsspielraum. Immer ist es möglich, einen Unterschied zu machen! Wir können wirksam sein, indem wir diese Situation für eine Frau, ein Paar, eine Familie frauenfreundlicher und damit menschlicher gestalten.

Rubrik: DHZ 03/2022

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