Medizinstudium und Elternschaft

Früher, später – oder gar nicht?

Wann ist die Zeit zum Mutterwerden? Eine Medizinstudentin denkt darüber nach, was die Entscheidung für oder gegen Kinder in der beruflichen Laufbahn bedeuten kann. Wie schauen junge Mediziner:innen auf reproduktive Selbstbestimmung und Geschlechtergerechtigkeit? Fiona A. Forth
  • Die Frage des richtigen Zeitpunktes zum Kinderkriegen treibt viele Studierende um. Wie können ihre reproduktiven Rechte bestärkt werden?

Die Gedanken zu selbstbestimmtem Mutter-Werden schreibe ich aus der Sicht einer Medizinstudentin, die ihr Studium für drei Jahre unterbrochen hat, um sich der Forschung, genauer gesagt einem Promotionsprojekt zur Kommunikation mit Eltern Extremfrühgeborener zu widmen.

Als kritische Medizinerin frage ich mich oft, warum wir im Rahmen unseres Studiums und der anschließenden Weiterbildung unsere fachliche Expertise in so Vielem und in so unglaublich wichtigem Zwischenmenschlichem wie ärztlicher Kommunikation so wenig schulen. Ich blicke auch als Sexualaufklärerin, die im Rahmen des Projekts »Mit Sicherheit verliebt« seit vielen Jahren sexuelle Aufklärungs- und Präventionsarbeit leistet und ihren eigenen Wissenshorizont stets erweitert, auf das Thema Mutterschaft. Nicht zuletzt spreche ich als junge Frau, die sich aktuell für eine Noch-Nicht-Mutterschaft entschieden hat und sich oft fragt, wann die geeignete Zeit für eine Doch-Schon-Mutterschaft sein wird.

 

Was wir lernen – und was nicht …

 

Es ist doch verrückt. Während des Medizinstudiums lernen wir, wie eine Schwangerschaft physiologisch verlaufen sollte und dass es manchmal nicht so ist. Wir lernen, wie sich der Körper einer Schwangeren physisch und physiologisch verändert. Wir lernen eher nicht, wie sich Schwanger-Sein anfühlt, was Schwangere bewegt und unterscheidet. Beispielsweise in Bezug auf gewollte und ungewollte Schwangerschaften.

Wie der Weg einer gewollt Schwangeren gepflastert mit Vorsorgeuntersuchungen aussieht, das lernen wir. Wie der Weg einer ungewollt Schwangeren aussieht, die nach Beratungsregelung einen Abbruch durchführen lassen möchte, wird meist nur grob skizziert. Wir lernen überdies eher nicht, was ungewollt Schwangere, Menschen ohne Kinderwunsch oder Schwangere, die selbst oder deren Ungeborene in besonderen Umständen sind, über die reguläre medizinische Versorgung hinaus brauchen. Dabei denke ich beispielsweise an Unterstützungs- und Beratungsbedarfe sowie -angebote.

Dazu, dass Schwangere auch »Menschen mit Uterus« sein können, die sich selbst nicht als Frauen lesen, oder über die Herausforderung, als homosexuelles Paar schwanger zu werden, lernen wir wenig. Was wir lernen, ist oft heteronormativ konnotiert, wo uns doch ein heterogenes Bild von Schwanger- oder Nicht-Schwanger-Sein und Mutterschaft oder Nicht-Mutterschaft vermittelt werden sollte. Vieles lernen wir erst in der klinischen Praxis durch teils positivere, teils negativere Erfahrungen. Oder durch persönliche Erlebnisse, wenn wir uns mit diesen Themen beschäftigen oder uns mit nahestehenden Menschen austauschen. So entstehen Überschneidungen zwischen Privatem und Professionellem. Das Private kann das klinisch Praktische dabei positiv beeinflussen, allerdings auch negativ. Ein Bewusstsein dafür sollte im Rahmen der Ausbildung geschaffen werden.

Für die ärztliche Praxis braucht es eine gute und breit gefächerte Ausbildung mit Fokus nicht nur auf fachliche Expertise (hard skills), sondern auch auf zwischenmenschliche Kompetenzen (soft skills), um die eigenen Möglichkeiten beispielsweise im Kontext von Schwangerschaftsabbrüchen zu kennen. Nur wenn ich gut ausgebildet bin, fühle ich mich als junge:r Mediziner:in sicher darin, einerseits klinisch-praktisch Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen und andererseits in »besonderen Umständen« nicht nur ausführend, sondern auch beratend kompetent agieren zu können (siehe Kasten).

 

Aus dem Koalitionsvertrag 2021–2025

 

Reproduktive Selbstbestimmung

»Wir stärken das Selbstbestimmungsrecht von Frauen. Wir stellen Versorgungssicherheit her. Schwangerschaftsabbrüche sollen Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung sein. Die Möglichkeit zu kostenfreien Schwangerschaftsabbrüchen gehört zu einer verlässlichen Gesundheitsversorgung. Sogenannten Gehsteigbelästigungen von Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegnern setzen wir wirksame gesetzliche Maßnahmen entgegen. Wir stellen die flächendeckende Versorgung mit Beratungseinrichtungen sicher. Schwangerschaftskonfliktberatung wird auch künftig online möglich sein. Ärztinnen und Ärzte sollen öffentliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen können, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen. Daher streichen wir § 219a StGB.

Wir wollen Krankenkassen ermöglichen, Verhütungsmittel als Satzungsleistung zu erstatten. Bei Geringverdienenden werden die Kosten übernommen. Wir wollen die Forschungsförderung für Verhütungsmittel für alle Geschlechter anheben.

Wir wollen ungewollt Kinderlose besser unterstützen. Künstliche Befruchtung wird diskriminierungsfrei auch bei heterologer Insemination, unabhängig von medizinischer Indikation, Familienstand und sexueller Identität förderfähig sein. Die Beschränkungen für Alter und Behandlungszyklen werden wir überprüfen. Der Bund übernimmt 25 % der Kosten unabhängig von einer Landesbeteiligung. Sodann planen wir, zu einer vollständigen Übernahme der Kosten zurückzukehren. Die Kosten der Präimplantationsdiagnostik werden übernommen. Wir stellen klar, dass Embryonenspenden im Vorkernstadium legal sind und lassen den ›elektiven Single Embryo Transfer‹ zu.

Wir setzen eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin ein, die Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches sowie Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft prüfen wird.«

 

Aus- und Weiterbildung in Gesundheit und Pflege

»[…] Wir aktualisieren das Konzept zur Fortentwicklung der Qualifizierung von Ärztinnen und Ärzten, um auch medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche leichter verfügbar zu machen. […]«

 

Wenn ich im Hinblick auf die Fachärzt:innenausbildung in der Gynäkologie und Geburtshilfe an relevante Passagen des neuen Koalitionsvertrags denke, dann wünsche ich uns, dass eine Veränderung der medizinischen Aus- und Weiterbildung tatsächlich kommt. Dass wir anders und Anderes lernen. Dass wir bestärkt werden, unsere und die Selbstbestimmung unserer Patient:innen zu fördern. Dass wir diejenigen Versorgungsleistungen, die wir anbieten möchten, auch ohne Angst vor Konsequenzen anbieten können – hier denke ich an die Streichung des § 219a Strafgesetzbuch (StGB). Und dass wir das, was wir anbieten, auch in einer positiven Atmosphäre gelernt haben, statt uns eigeninitiativ in Tabus vorzuwagen.

 

Die eigene Selbstbestimmung

 

Reproduktive Selbstbestimmung durch fachliche Expertise zu fördern ist das eine, als Mediziner:in selbst reproduktiv selbstbestimmt zu sein das andere: Wie ist es um die reproduktive Selbstbestimmung der Mediziner:innen in verschiedenen Aus- und Weiterbildungsphasen bestellt?

»Ich bin schwanger« – drei Worte, die so unterschiedlich ausgesprochen werden, so unterschiedlich klingen, so Unterschiedliches bedeuten, auslösen und mit sich bringen können. Wie es zu diesen Unterschieden kommen kann, wo es doch stets dieselben drei Worte sind? Wenn ich an mich und mein medizinisches Umfeld denke, fallen mir verschiedene Geschichten zu gelebter und begrenzter reproduktiver Selbstbestimmung ein.

 

Nicht-Mutterschaft

 

In meinem näheren Umfeld gibt es wenige Freunde und Freundinnen, die sich für Nicht-Elternschaft entschieden haben. Ein paar davon entschieden sich für möglichst sichere Verhütungsmittel, andere für einen Schwangerschaftsabbruch. Ihre Gründe sind sehr divers. Einige können sich einfach nicht vorstellen, selbst Eltern zu sein. Andere haben sich aktiv für berufliche Verwirklichung entschieden. Wieder andere entscheiden sich aus noch anderen Gründen gegen Mutterschaft. Gemeinsam ist ihnen, dass eine solche Entscheidung für die berufliche Laufbahn gewisse Vorteile bedeuten kann. Wiederum kann auch eine überzeugte Nicht-Mutter mit der Vorannahme von Vorgesetzten konfrontiert sein, sie wäre im gebärfähigen Alter und habe gewiss einen Kinderwunsch. Damit erlebt sie dieselbe Ungleichberechtigung beim Arbeitsplatzzugang wie Frauen mit tatsächlich bestehendem Kinderwunsch.

Die Frage, ob wir während der medizinischen Ausbildung noch nicht oder doch schon Eltern werden, ist komplex.

 

(Noch-)Nicht-Mutterschaft

 

Manchmal ist Geschlechter-Un-Gleichberechtigung beim Arbeitsplatzzugang ein Grund, weshalb sich Medizinstudierende für eine Elternschaft während des Studiums entscheiden. Zum Beispiel habe ich eine Kommilitonin, die sich – man könnte sagen »aus Pragmatismus« – für eine Schwangerschaft im klinischen Abschnitt des Humanmedizinstudiums entschieden hat. Sie wollte bei Bewerbungsgesprächen in Zukunft angeben können, sie habe keinen akuten Kinderwunsch, sondern bereits ein Kind und wisse dieses während der Arbeitszeit gut betreut.

Auch für eine Teilzeitbeschäftigung von Beginn der Facharztausbildung an erscheint es günstig, bereits ein Kind als gutes Argument dafür zu haben. In meinem Umfeld gibt es Mediziner:innen, die sich bei der Bewerbung auf eine Stelle nach der Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung erkundigten und sich dafür rechtfertigen mussten. Bei (Noch-)Kinderlosigkeit schwebten immer die Frage nach dem »Warum« mit und die Annahme, man wolle in Teilzeit arbeiten, weil man bereits mit der Familienplanung befasst sei. Manche von uns entscheiden sich jedoch von Beginn an für Teilzeit, weil sie Zeit auch für andere Dinge als die teils sehr herausfordernde und kräftezehrende Arbeit als Ärztinnen haben möchten. Wenn männlich gelesene Mediziner nach Teilzeit fragen, schwingen diese Vorannahmen dann auch mit? Viel seltener, würde ich aus dem Erleben in meinem Umfeld sagen.

Ein weiterer guter Grund für Mutterschaft während des Studiums ist die Zeit, die man für den Nachwuchs zur Verfügung hat – je nach Entgegenkommen der eigenen Hochschule. Tatsächlich haben Studierende einen zeitlich flexibleren Alltag und zudem keine Dienste. Das ändert sich mit Beginn der Facharztausbildung. Auf der anderen Seite ist beispielsweise der Mutterschutz für Studierende nicht gleichermaßen geregelt wie für Berufstätige. Das Mutterschutzgesetz hindert Medizinstudierende, aber auch Assistenzärztinnen vielfach am Weiterkommen in der Aus- und Weiterbildung sowie der Berufsausübung, zum Beispiel durch Verbot des Ausübens gewisser weiterbildungsrelevanter Tätigkeiten. Dies stellt eine der Begrenzungen der reproduktiven Selbstbestimmung von jungen Medizinerinnen dar.

 

Risiken und Konsequenzen

 

Es ist Sommer 2021. Eine Kommilitonin eröffnet mir, dass sie überraschend schwanger sei. Sie freue sich aber riesig. Sie lernt gerade für das zweite Staatsexamen. Pro forma trennt sie also nur noch ein knappes Jahr davon, approbierte Ärztin zu sein und in den Beruf einzusteigen. Sie hatte große Pläne für ihr Praktisches Jahr (PJ) geschmiedet, wollte unter anderem ein Tertial im Ausland machen. Und nun, wo sie schwanger ist?

Gerne würde sie zumindest in ihr PJ starten, darf es vermutlich nicht beziehungsweise müsste selbst das Risiko dafür tragen, wenn im PJ-Alltag etwas passiert, das sich negativ auf die Schwangerschaft auswirken würde. Manche Medizinerinnen entscheiden sich in solchen Momenten, ihre Schwangerschaft möglichst lange zu verbergen – mit allen Konsequenzen, um während der Schwangerschaft noch möglichst weit in der Aus- oder Weiterbildung zu kommen. Damit haften Schwangere in der Konsequenz privat für Dinge, die sonst außerhalb ihres Haftungsbereichs liegen würden.

Viel besser wäre es doch, den Kontext so anzupassen, das heißt individuell Risiken abzuwägen, eine flexible Kurswahl für schwangere Studierende zu ermöglichen, um die Ausbildung möglichst lange fortführen zu können oder Einsatzbereiche für Schwangere in ihrem aktuellen Beschäftigungsfeld zu finden oder zu schaffen, die mit dem Fortsetzen der Weiterbildung in Einklang stehen. Das gilt für das Studium und die Facharztweiterbildung gleichermaßen!

Als weiteres Beispiel stelle ich eine Assistenzärztin in einem operativen Fach vor, die gerne mehrere Kinder bekommen möchte. Nun hadert sie sehr, wann der geeignete Zeitpunkt wäre. Denn eine Schwangerschaft in der aktuellen Situation kann einerseits ein sofortiges Beschäftigungs- oder aber ein Operationsverbot bedeuten. Das heißt für sie eine Begrenzung ihrer Weiterbildung zur Chirurgin. Wenn sie nach der Geburt auch noch eine Pause machen und danach vielleicht erst einmal in Teilzeit wieder in den Beruf einsteigen möchte, entscheidet sie sich fast automatisch auch für ein starkes Protrahieren ihrer Weiterbildung und ungewollt gegen eine Karriere als Operateurin. Frauen, die in Teilzeit arbeiten, kommen erfahrungsgemäß seltener in den OP, weil ihre Teilzeit in andere Tätigkeiten des Regelbetriebs fließt. Die Assistenzärztin würde sich also, sollte sie zum jetzigen Zeitpunkt schwanger werden, für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden und hoffen, dass es mit dem Mutter-Werden später gut klappt.

 

(Noch-)Nicht-Vaterschaft

 

Natürlich trifft dies auch auf Mediziner zu, die nicht nur Väter werden wollen, sondern auch für ihre Kinder präsent sein möchten. Einem Assistenzarzt aus meinem privaten Umfeld macht das gerade sehr zu schaffen. Er wollte immer gerne früh Kinder bekommen. Mit dem Wohnortwechsel aus einer dörflichen Gegend in eine Großstadt und mit dem Studierendenleben veränderte sich seine Sicht auf frühe Elternschaft. Während einige Freunde und Freundinnen während des Studiums Eltern wurden und genossen, mehr Zeit für ihren Nachwuchs zu haben beziehungsweise sich diese flexibel einteilen zu können – die Hochschule kam ihnen weit entgegen – genoss er sein Studierendenleben. Nun arbeitet er in Vollzeit an einer Universitätsmedizin. Freizeit und flexible Zeiteinteilung sind seit Beginn seiner Facharztausbildung begrenzt und er fragt sich, ob und wie Elternschaft nun aussehen könnte. Mindestens eine Arbeitszeitreduktion wäre nötig, um nicht nur Vater zu sein, sondern auch Zeit für den Nachwuchs zu haben. Je nach Entgegenkommen des Arbeitgebers ist das mehr oder weniger einfach realisierbar.

Ein weiterer Punkt ist die finanzielle Sicherheit. Als Assistenzarzt verdient er genug, um eine Familie ernähren zu können. Auch dann, wenn der oder die Partner:in nicht arbeitet, sondern mit den Kindern zu Hause bleiben würde. Aber wie sieht es aus, wenn er als Vater auch gerne eine Weile zu Hause bleiben möchte? Dann würde sich seine Ausbildung verzögern und gegebenenfalls steigt der finanzielle Druck irgendwann so, dass er doch wieder arbeiten geht.

Das Thema der finanziellen Sicherheit ist ein wesentlicher Grund, warum sich Medizinstudierende und Berufseinsteigende in der Medizin dafür entschieden haben, mit der Eltern- oder Mutterschaft zu warten. Gerne möchten sie finanziell so abgesichert sein, dass sie und möglichst auch ihre Partner:innen sich (gemeinsam!) eine Auszeit als Familie genehmigen können. Während des Studiums gibt es so etwas wie Elternzeit nicht in gleichem Maße wie nach einer gewissen Zeit als Berufstätige. Eine Pause im Studium würde die Aus- und Weiterbildung verlängern und wäre unter Umständen mit finanzieller Unsicherheit oder Abhängigkeit verbunden.

Nun könnte man als weiteren Lebensentwurf anfügen, das Elternwerden auf die Zeit nach Abschluss der Facharztausbildung zu legen. Dies ist für die finanzielle Sicherheit und den Abschluss der Weiterbildung natürlich eine Lösung. Allerdings ist aus biologischer Sicht dann wiederum die »günstigste Zeit« für Reproduktion meist verstrichen. Außerdem entspricht dieses späte Elternsein nicht dem Lebensentwurf aller Mediziner:innen.

 

Wann-Dann-Mutterschaft

 

Ein weiteres Beispiel sind Medizinstudierende oder bereits approbierte Ärztinnen, die sich für die Wissenschaft interessieren. Ich selbst habe aus Interesse an der Forschung mein Medizinstudium kurz vor dem zweiten Staatsexamen pausiert, um mich dank einer Forschungsförderung drei Jahre in Vollzeit meinem Promotions- und Herzensprojekt zu widmen. Ich sehe in der Forschung auch ein berufliches Standbein, das besser als die Klinikarbeit mit der Familie vereinbar sein könnte.

Mit meiner aktuellen Forschung ebne ich bereits den Weg für meine berufliche Zukunft. Wie einige andere forschende Medizinstudentinnen und Medizinerinnen auch, frage ich mich dabei oft, wann der Zeitpunkt für Familie reif ist. Ich sehe einerseits beispielsweise die Fördermöglichkeiten für Frauen mit Kindern in der Forschung. Andererseits sehe ich bei befristeten Anstellungen als Wissenschaftlerin die Notwendigkeit, viel zu investieren (Zeit, Aufmerksamkeit und anderes mehr), um in der Forschung weiterzukommen oder einfach zu bestehen.

Auf Medizinerinnen, die meist schon während des Studiums mit der Doktorarbeit beginnen, kommen noch weitere Vorbedingungen und Fristen dazu und der Aspekt der finanziellen (Un-)Sicherheit ist nicht zu vernachlässigen. Wenn eine Frau die bestehenden Fristen einhalten möchte, dann ist an eine Mutterschaft während der (studienbegleitenden) Promotion eher nicht zu denken.

Zusammen mit anderen (Nachwuchs-) Forscherinnen frage ich mich deshalb, wann wohl der geeignete Moment für eine Umwandlung einer Noch-Nicht- in eine Jetzt-Schon-Mutterschaft kommen wird. Viele von uns möchten keine späten Mütter werden und ein paar entscheiden sich bei ungeplanter Schwangerschaft ob des Druckes, dem sie sich ausgesetzt fühlen, dennoch dafür, noch nicht Mütter zu werden. An dieser Stelle fühlen wir uns in unserer reproduktiven Selbstbestimmung strukturell begrenzt. Wenn wir als Forschende direkt im Anschluss an das Studium Mutter würden, hätten wir nicht dieselben Rechte wie nach einem Jahr der Berufstätigkeit. Wenn wir erst in den Beruf einsteigen oder weiter forschen und dann schwanger würden, liefe es doch wieder auf eine späte Mutterschaft hinaus.

 

Selbstbestimmt entscheiden!

 

Denke ich an reproduktive Selbstbestimmung von Mediziner:innen in der Aus- und Weiterbildung, dann wünsche ich mir, dass in den kommenden Jahren einige Rahmenbedingungen verbessert werden. Damit wir wirklich selbstbestimmt entscheiden können, wann wir Mütter werden, ohne dabei stets antizipieren zu müssen, inwiefern diese Entscheidung unsere beruflichen Möglichkeiten begrenzen kann. Die »Zeit für Familie«, die im Koalitionsvertrag benannt wird, wünsche ich uns. Eine Zeit, die wir selbst gestalten können, weil uns ein flexibles Arbeiten ermöglicht wird, und die wir genießen können, weil sie selbstverständlich und nicht mit negativen Konsequenzen für unsere berufliche Laufbahn verbunden ist!

 

Anmerkung

Mit Frauen sind in diesem Artikel alle gebärfähigen Menschen, das heißt »Menschen mit Uterus«, gemeint.

Rubrik: Ausbildung & Studium | DHZ 03/2022

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