Ultraschall in Hebammenhand

Fähigkeit und Freiheit

Was würde sich in Deutschland verändern, wenn Hebammen Ultraschalluntersuchungen durchführen? Eine Hebamme hat sie sich zu eigen gemacht und erkennt darin großes Potenzial für eine umfassende, autonome Schwangerenvorsorge. Sie sieht den Ultraschall zur Beurteilung eines normalen Schwangerschaftsverlaufs klar im Kompetenzbereich der Hebammen und als evidenzbasiertes Angebot. Martina Knapp
  • Die Hochschule für Gesundheit Bochum bietet für Studierende ein Ultraschalltraining am Modell an.

Zunächst war es reine Neugierde und vielleicht auch ein wenig Neid, die mich 2016 ans Ultraschallgerät gebracht haben. Die Arzthelferinnen probierten das nagelneue Ultraschallgerät mit 3D-/4D-Funktion aus. »Mal sehen, ob ich das auch hinbekomme«, dachte ich mir. Da saß ich nun an diesem Gerät mit unzähligen Knöpfen und schaute gebannt auf den Schwarz-Weiß-Bildschirm, als hätte ich noch nie ein Ultraschallbild gesehen.

Was mich in diesem Moment faszinierte, war eine banale Erkenntnis: Auf diesem Bild kann ich ja sehen, wie das Kind liegt! Und ich kann noch viel mehr sehen als das: Die Fruchtwassermenge ertastete ich bisher über die Bauchdecke, was bei manchen Frauen sehr schwer oder gar nicht möglich ist. Hier sehe ich das Fruchtwasser, kann es im Verhältnis zum Kind abschätzen und nach einem standardisierten Vorgehen vermessen. In frühen Schwangerschaftswochen kann ich sehen, ob die Frau tatsächlich schwanger und wie groß der Embryo schon ist. Eine Berechnung des voraussichtlichen Geburtstermins ist auch bei Frauen mit unregelmäßigem Zyklus mit der Scheitel-Steiß-Länge möglich. Das Wachstum des Kindes kann im Verlauf der Schwangerschaft vermessen und beurteilt werden.

 

Gelebte Normalität?

 

Dies sind doch eigentlich Untersuchungen, die zur Beurteilung eines normalen Schwangerschaftsverlaufs sehr hilfreich sind und somit eindeutig zum Berufsbild einer Hebamme gehören? Unweigerlich stellte sich mir die Frage: Wieso haben wir nicht solch ein Gerät? In anderen Ländern ist es längst Normalität, dass Ultraschalluntersuchungen von Hebammen durchgeführt werden. Schaut man dazu aber in die Hebammenfachliteratur, wird Ultraschall entweder nur technisch beschrieben, am Rande erwähnt oder sie kommt einfach gar nicht vor. Als gäbe es diese Untersuchungsmöglichkeit nicht. Zumindest nicht für Hebammen.

Ultraschall machen sie nun mal nicht – aber warum eigentlich nicht? Weil Hebammen Ultraschall nicht einsetzen dürfen? Nein, wohl eher, weil sie in Deutschland nie die Gelegenheit bekommen haben, es zu erlernen.

 

Hebammenkunst mit erweitertem Blickfeld

 

Das berufliche Selbstbild der Hebamme ist seit vielen Jahrhunderten geprägt von Tradition und überliefertem Wissen. Hebammen sprechen nicht selten stolz von der Hebammenkunst, wobei besonders die manuellen Fertigkeiten als eine Kernkompetenz gesehen werden. Technik spielt weniger eine Rolle und wird immer noch als ärztliches Arbeitsfeld gesehen und mit Technisierung, Pathologie, Pränataldiagnostik und Beunruhigung der Schwangeren in Verbindung gebracht. Häufig findet sich eine ablehnende Haltung gegenüber vielem, was nicht als altes Hebammenhandwerk gesehen wird. Dabei herrscht der Grundgedanke: »Eine gute Hebamme braucht keine Technik!«

Diese Haltung erschwert einen sachlichen und offenen Blick auf neue Methoden, Entwicklungen und wissenschaftliche Erkenntnisse. Das zeigt sich besonders bei der Ultraschalldiagnostik, die in der Geburtshilfe bereits seit über 60 Jahren angewendet wird. Sie ist fester Bestandteil der Schwangerenvorsorge und kann auch unter der Geburt und im Wochenbett eingesetzt werden. Ultraschall ist in der Geburtshilfe grundlegende Basisdiagnostik und nicht nur eine Untersuchungsmethode, die erst bei pathologischen Befunden zum Einsatz kommt. Der Grund, warum Hebammen sich dieser Entwicklung nicht anschließen konnten, liegt mit Sicherheit nicht nur an Vorbehalten gegenüber der Technologie, sondern auch an den früher nahezu unbezahlbaren Preisen.

Hinzu kommt, dass sie während der Ausbildung nicht an die Geräte herangeführt werden und somit keinen eigenen Bezug zu dieser Diagnostik entwickeln konnten. Mittlerweile gibt es Ultraschallgeräte zu erschwinglichen Preisen, sogar klein und handlich für die Hebammentasche. Es besteht also für Hebammen kein Hindernis mehr, Nutzen und Vorteile dieser Untersuchungsmöglichkeit einzusetzen.

 

»Das letzte Faustpfand …«

 

In meiner Arbeit nutze ich nun schon seit mehr als fünf Jahren Ultraschall und ich möchte diese Fähigkeit und Freiheit nicht mehr missen. Am 3D-/4D-Babykino verlor ich schnell das Interesse. Ich bin Hebamme und nicht Fotografin. Den Hype um diese manchmal etwas gruselig anmutenden Bilder habe ich nie verstanden. Mich interessierten von Anfang an vielmehr die Einsatzmöglichkeiten von Ultraschall in meiner Hebammenarbeit. Um mehr darüber zu erlernen, besuchte ich ärztliche Kurse, hörte mir unzählige Vorträge über Ultraschalldiagnostik und Pathologie in der Schwangerschaft an und las Ultraschall-Fachliteratur.

Die Inhalte und der Umfang der Kurse und Bücher, die für Ärzt:innen angeboten werden, gehen viel zu weit über die Ziele einer Hebamme hinaus und setzen oft ein fortgeschrittenes Niveau voraus. Die Basisdiagnostik wird meist bereits erwartet, da die Assistenzärzt:innen dies in ihren ersten Einsätzen lernen. Ich musste mir also das für mich als Hebamme relevante Fachwissen erarbeiten und herausfiltern. Um praktische Erfahrung zu bekommen, bat ich erfahrene Ärzt:innen, mich am Gerät anzuleiten.

Neben einiger Skepsis und Ablehnung stieß ich auch auf erstaunlich viel Zuspruch und Unterstützung. Dass Ultraschall in Hebammenhand sinnvoll ist, hat mir gegenüber noch nie eine Ärzt:in infrage gestellt. Man will es sich nur ungerne aus der Hand nehmen lassen und das Instrument ganz für sich reservieren. Das kann ich bei dem Potenzial, das die Ultraschalldiagnostik für die Hebammenarbeit bietet, gut verstehen. Oder, um es treffend mit den Worten eines Pränataldiagnostikers auszudrücken: »Der Ultraschall ist das letzte Faustpfand, dass Ärzt:innen noch gegenüber den Hebammen in der Schwangerenvorsorge haben.«

 

Fester Bestandteil der Hebammenarbeit

 

Mittlerweile ist Ultraschall in frühen Schwangerschaftswochen, Fetometrie zur Gewichtsschätzung mit Ermittlung von Kindslage und Fruchtwassermenge sowie Cervixlänge, fester Bestandteil meiner Arbeit. Ich bin sehr froh, dies eigenständig als zusätzliches Mittel sogar bei Hausbesuchen einsetzen zu können. Manche Situationen kann ich dadurch besser einschätzen und muss die Frauen dafür nicht an einen Arzt oder eine Ärztin verweisen. Wenn sich mal die Kindslage nicht gut tasten lässt, kann ich mir ein genaues Bild per Ultraschall machen. Das Ermitteln der Fruchtwassermenge über den Geburtstermin hinaus kann ich selbst vornehmen.

Zum Tasten des Muttermundes kann ich als weiteren Parameter die Cervixlänge messen. Diese Möglichkeiten erweitern mein diagnostisches Spektrum innerhalb meiner Arbeit und machen mich ein stückweit unabhängiger. Gleichzeitig entlastet es die mit mir kooperierenden Ärzte:nnen.

 

Mehr als reine Diagnostik

 

Ultraschall ist aber mehr als nur reine Diagnostik. Das kleine Menschlein mit seinem schlagenden Herzen zu sehen, ist der Augenblick, in dem aus der Vermutung, schwanger zu sein, klare Realität wird. Die Frauen warten darauf oft jahrelang und nun besteht endlich kein Zweifel mehr. Diesen einzigartigen Moment mit Lachen und Freudentränen zu begleiten, ist ein wundervoller Teil meiner Arbeit. Gleichzeitig kann ich hier den Ultraschall nutzen, um weitere wichtige Befunde zu erheben. Wie weit ist die Schwangerschaft? Sind es Zwillinge? Ist der Embryo in der Gebärmutter? Diese Fragen gehören zur grundlegenden Basisdiagnostik in der Schwangerschaft.

Im weiteren Verlauf der Schwangerschaft genießen es die Frauen, die Entwicklung und das Wachstum des Kindes mitverfolgen zu können. Das Kind zu sehen, ist nochmal ein anderes Erlebnis als es zu fühlen, auch wenn es nur ein Schwarz-Weiß-Graustufenbild ist.

Ich habe nicht den Eindruck, dass Frauen von ihrem Gefühl oder Kontakt zu ihrem Kind abgelenkt würden, nur weil sie es auf dem Ultraschallbild sehen, oder dass sie es zwingend bräuchten, um ihre Schwangerschaft überhaupt zu realisieren. Für sie ist es einfach ein Medium, um ihr Kind wahrzunehmen. Das Ultraschallbild bestätigt oft, was sie fühlen, und andererseits räumt es auch jeden Zweifel aus, wenn doch mal Unklarheit besteht, ob das Kind beispielsweise noch lebt. Dies schafft nicht nur Gewissheit für die Frau, sondern auch für die Hebamme.

Einen leblosen Embryo zu sehen, war allerdings eine ganz neue Erfahrung für mich. So ein unerwartetes Bild im Ultraschall kann einem als Hebamme sehr unter die Haut gehen. Dies dann auch der Frau sagen zu müssen, erfordert erstmal ein kurzes Innehalten und Durchatmen. Es sind genau diese Momente in der Schwangerenbetreuung, in denen uns die Frauen ganz besonders brauchen. Es gibt keinen Grund, dies an andere überweisen zu müssen. Denn auch die Betreuung von unkompliziert ablaufenden Fehlgeburten/stillen Geburten gehört zum Kompetenzbereich einer Hebamme.

 

Irrglaube aufklären

 

In anderen Situationen wiederum darf die Technik nicht überschätzt werden. Ultraschall hat für viele Frauen fast schon etwas Magisches. Oft hat man den Eindruck, dass für manche Frauen gilt: Ultraschall gut – alles gut.

Zudem ist es ein weit verbreiteter Irrglaube, dass man mit Ultraschall einfach alles sehen kann. Das ist natürlich nicht so und muss auch klar kommuniziert werden. Auch muss sehr darauf geachtet werden, dass nicht unnötig Angst gemacht wird. Für mich als Hebamme war es eine ungewöhnliche Situation, beispielsweise eine tiefsitzende Plazenta in der ersten Hälfte der Schwangerschaft selbst erkennen zu können. Man sieht als Hebamme plötzlich etwas, zu dem man vorher keinen Zugang hatte. Alles unbedacht auszusprechen, kann schnell zu einer unnötigen Verunsicherung der Schwangeren führen. Hier sollte jede Hebamme sich gut überlegen, welche Informationen wirklich im Augenblick relevant sind und Konsequenzen haben. Wenn man sich dessen stets bewusst ist und achtsam damit umgeht, kann Ultraschall für die Frauen eine sehr schöne und oft beruhigende Erfahrung in der Schwangerschaft sein.

Über die Möglichkeiten der ärztlichen Screenings kläre ich die Frauen auf und grenze meine Arbeit im Aufklärungsgespräch und Behandlungsvertrag klar dazu ab. Ultraschall kann ein sehr umfangreiches diagnostisches Mittel sein, das besonders in der Pränataldiagnostik viel medizinisches Wissen und langjährige Tätigkeit in diesem Bereich voraussetzt. Daher sehe ich die Fehlbildungsdiagnostik in den Händen von erfahrenen Spezialist:innen und nicht als Aufgabengebiet einer Hebamme. Für die tägliche Arbeit einer Hebamme reicht ein kleiner Teil der Ultraschalldiagnostik völlig aus, um bestimmte Auffälligkeiten im Verlauf zu erkennen. Das Tasten sollte der Ultraschalluntersuchung stets vorangehen. In manchen Situationen ist Ultraschall sicherer oder genauer als die manuelle Untersuchung und in anderen Fragestellungen kann die Technik erfahrene Hebammenhände niemals ersetzen. Das eine schließt das andere aber auch nicht aus und kann gut in Kombination eingesetzt werden.

Jede Methode liefert ihre eigenen Informationen, die beide zusammen hilfreich sein können. Um zu entscheiden, welche Methode wann die geeignetste ist, orientiere ich mich an Leitlinien und Empfehlungen der Fachgesellschaften, aber auch an meinem Hebammenverstand und eigener Erfahrung.

 

»Darfst du das überhaupt?«

 

Immer wieder werde ich gefragt: »Darfst du das überhaupt?« Meine Antwort ist hier: »Na klar darf ich als Hebamme eine Schwangerschaft feststellen, den Geburtstermin feststellen, später nachsehen, wie das Kind liegt, ob es gut wächst und wie die Fruchtwassermenge ist. Das dürfen alle Hebammen.« Welche Methode ich dafür wähle, entscheide ich aus der jeweiligen Situation und gemeinsam mit der Frau. Bei der Frage, ob Hebammen Ultraschall einsetzen dürfen, ist zuallererst zu klären, ob eine Hebamme eine Schwangere oder Mutter untersuchen und Diagnostik betreiben darf, die zum Erkennen und Abgrenzen von Auffälligkeiten dient. Nach dem Hebammengesetz und den Berufsordnungen der Bundesländer ist dies eindeutig Aufgabe einer Hebamme.

Warum sollte die Diagnostik einer Hebamme zwingend ohne Ultraschallgerät erfolgen müssen? Gerne wird behauptet, dass die Strahlenschutzverordnung (NiSV) dem entgegenstehe oder es gebe für Ultraschall einen Arztvorbehalt. Beides ist falsch! Einen Arztvorbehalt gibt es nicht für das Einsetzen von Geräten, die Ultraschallwellen aussenden, sonst dürften Hebammen auch kein Dopton oder CTG verwenden. Das Strahlenschutzgesetz (NiSG) und die dazugehörige Strahlenschutzverordnung (NiSV) machen hier keinen Unterschied, sondern legen nur Einsatzgebiete und Grenzwerte für die Intensität der abgegebenen Energie im erreichten Gewebe fest. Diese liegt beim bildgebenden Ultraschall, dem sogenannten B-Mode-Ultraschall, sowie auch bei Dopton und CTG weit unter den von Fachgesellschaften angegebenen bedenklichen Grenzwerten.

Bei Geräten, die im therapeutischen oder kosmetischen Bereich zum Einsatz kommen, ist die Schallleistung um ein Vielfaches höher. Diese Geräte wurden im kosmetischen Einsatz oft von medizinischen Laien verwendet. Daher war es notwendig, durch eine Strahlenschutzverordnung den gewerblichen Bereich zu regeln. Diese Regeln gelten aber nicht für den medizinischen Bereich. Die Schwangerenvorsorge wird sogar explizit aus der Strahlenschutzverordnung ausgenommen.

Für alle Einsatzbereiche mit Ultraschall zu einem medizinischen Zweck gibt es somit zwar ein Strahlenschutzgesetz, dieses enthält aber keine Regelungen für Grenzwerte oder einen generellen Arztvorbehalt. Eine zwingende strenge Indikation ist nicht vorgeschrieben. Dass es natürlich einen Grund braucht, um eine Ultraschalluntersuchung zu machen, ist selbstverständlich. Dies braucht aber jede medizinische Untersuchung, egal ob mit oder ohne Ultraschalltechnik.

Hebammen verfolgen in ihrer Arbeit eindeutig einen medizinischen Zweck, wenn sie Geräte einsetzen wie Dopton, CTG oder bildgebenden Ultraschall. Würde eine Hebamme den Ultraschall zur reinen Erstellung von Erinnerungsbildern (»Babykino«) oder zu kosmetischen Zwecken ohne einen Sachkundenachweis einsetzten, würde die Strahlenschutzverordnung greifen und eine Ordnungswidrigkeit läge vor.

Ultraschalluntersuchung bei bereits festgestellter Pathologie ist wiederum eindeutig eine ärztliche Tätigkeit, weil die Weiterbehandlung bei pathologischen Schwangerschaften, Geburten oder Wochenbettverläufen generell nicht mehr im alleinigen Kompetenzbereich einer Hebamme liegt und ein Arzt oder eine Ärztin hinzugezogen werden muss. Auch Untersuchungen, die darauf abzielen, Auffälligkeiten zu diagnostizieren, die nicht im direkten Zusammenhang mit Schwangerschaftsverlauf, Geburt oder Wochenbett stehen, dürfen nicht von einer Hebamme angeboten werden, so zum Beispiel die Diagnostik von Organ­erkrankungen. Die Berufsordnung der Hebamme erlaubt lediglich eine heilkundliche Tätigkeit im Zusammenhang von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett.

Ansonsten gilt ein klarer Vorbehalt für Ärzt:innen und Heilpraktiker:innen. Ob also der Einsatz eines Ultraschallgerätes erlaubt ist oder nicht, kommt sehr darauf an, welchen Zweck man damit verfolgt. Ultraschall darf lediglich eine sinnvolle Ergänzung der üblichen Hebammenarbeit sein und nicht für weiterführende fachfremde Diagnostik eingesetzt werden. Deshalb spielt die genaue Dokumentation eine große Rolle, wenn Hebammen Ultraschall rechtssicher in ihrer Arbeit anwenden wollen. Es bedarf also keiner behördlichen Genehmigung oder gar einer Gesetzes­änderung, damit Hebammen mit Ultraschall arbeiten dürfen. Sondern nötig sind lediglich die Aufklärung und Erlaubnis der Frau, die Beachtung der Berufsordnung und eine Möglichkeit, diese Untersuchungsmethode zu erlernen.

 

Projekt »Hebammen Sono«

 

Da es in Deutschland keine Ultraschallkurse für Hebammen gab, entschloss ich mich 2020, das Projekt »Hebammen Sono« ins Leben zu rufen. Ziel ist es, Kurse anzubieten, welche die spezifischen Bedürfnisse von Hebammen beinhalten und sie dort abholen, wo sie stehen. Im November 2021 fand der erste Ultraschallkurs für Hebammen in Aachen statt und war ein voller Erfolg. Mit viel Begeisterung wurden 53 Hebammen an die ersten Ultraschalluntersuchungen herangeführt.

Ultraschalldiagnostik ist kein Hexenwerk. Wenn man es erlernen will, fängt man am besten mit leichten Aufgaben wie beispielsweise Kindslage oder Fruchtwassermenge an. Diese kleinen Untersuchungsziele sind gut geeignet, um sich mit der Funktionsweise des Gerätes vertraut zu machen und Sondengeschicklichkeit zu erlangen. Bevor man sich an schwierigere Untersuchungen heranwagt, ist es hilfreich, sich viel theoretisches Fachwissen anzueignen und Ultraschallbilder von erfahrenen Diagnostiker:innen anzusehen. Das Wichtigste aber ist, sich anleiten zu lassen und sich nicht zu schämen, so lange nach Hilfe zu fragen, bis man die jeweilige Untersuchung sicher beherrscht. Man lernt Stück für Stück und es kommen schrittweise immer mehr Untersuchungsmöglichkeiten hinzu. Letztlich lernt man in der Ultraschalldiagnostik aber nie aus.

 

Ein Paradox

 

Im internationalen Vergleich hinken deutsche Hebammen deutlich hinterher. Ultraschalldiagnostik ist eine Lücke in der Ausbildung, die geschlossen werden muss. Vereinzelt werden an manchen Hochschulen in den neuen Studiengängen für Hebammen bereits Module zum Thema Ultraschall angeboten. Dies ist aber leider immer noch eher eine Seltenheit. Es ist paradox, wenn Hebammen per Gesetz zur eigenständigen Feststellung und Betreuung einer Schwangerschaft befugt sind und dazu ausgebildet werden sollen, und gleichzeitig bei der Begleitung normaler Schwangerschaftsverläufe auf ärztliche Befunde angewiesen sind. Es wird höchste Zeit, die Ultraschalldiagnostik als Basisdiagnostik im Studium zu etablieren. Bereits ausgebildete Hebammen sollten dieser neuen Möglichkeit in ihrer Arbeit offen gegenüberstehen. Denn auch Ultraschalldiagnostik ist eine Fähigkeit, die man als Kunst bezeichnen kann. Manuelles Geschick, Gefühl, Blickdiagnostik zur Bildinterpretation und Erfahrung sind notwendig, um dieses Instrument gut und sicher zu beherrschen.

Das nötige geburtshilfliche Fachwissen und die Kenntnisse in Anatomie bringen Hebammen durch ihre Ausbildung bereits mit. In Zukunft können Hebammen genauso stolz auf ihre Ultraschallkompetenzen sein wie auf ihre traditionellen Fertigkeiten.

 

Ausblick

 

Ich hoffe, dass immer mehr Hebammen den Mut haben, sich an diese geniale Erfindung heranzuwagen. Die Ultraschalldiagnostik müssen wir nicht neu erfinden, aber sie muss für die Hebammen sinnvoll und passend definiert und vermittelt werden. Dieser Prozess sollte in kleinen, aber steten Schritten erfolgen und auch wissenschaftlich begleitet werden.

Fragen wie Einsatzmöglichkeiten und Grenzen von Ultraschall in der Hebammenarbeit, Sicherheit, Mindestanforderungen an die Ausbildung und Geräte sowie ethische Aspekte sollten von hebammenwissenschaftlicher Seite diskutiert und evaluiert werden.

Doch wie sollen wir hier zu Ergebnissen kommen, wenn es gar keine »schallenden« Hebammen in Deutschland gibt? Es muss ein Anfang gemacht werden, um die Ultraschallausbildung für Hebammen zu ermöglichen. Hier ist Pioniergeist gefragt.

Rubrik: , Beruf & Praxis | DHZ 08/2022

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