Ist Oma die Beste?

  • Peggy Seehafer, Hebamme und Anthropologin: »Hebammen sollten das Kapital einer Großmutter zur Unterstützung einer jungen Familie schätzen lernen.«

Anders als andere Säugetiere beenden menschliche Frauen ihre eigene Fertilität etwa um die Zeit der Geburt ihrer ersten Enkelkinder, wenn man einen maternalen Generationenabstand von 25 Jahren zugrunde legt. Ob das evolutionsbiologisch sinnvoll ist, um sich der großelterlichen Fürsorge ungestört widmen zu können, ist umstritten. Es darf nicht vergessen werden, dass vor nicht allzu langer Zeit Frauen die Menopause und ihre Enkelkinder oft nicht mal erlebten. Nichtsdestotrotz ist es wundervoll, dass in unserer Gesellschaft viele Frauen ihren Enkelkindern als Großmütter noch lange Zeit gesund zur Verfügung stehen können.

Eine Frau wird zur Großmutter, wenn ein Enkelkind zur Welt kommt. Aber im gesellschaftlichen Rollenverständnis kann eine Frau auch die soziale Rolle einer Großmutter einnehmen, ohne eine biologische Verwandtschaft zum Kind zu haben.

Geburtshilflich relevanter sind die biologisch verwandten Großmütter. Sie nehmen unabhängig von ihrem sozialen Engagement eine wichtige Rolle im Leben ihrer Enkel ein. Als Mütter der Mütter legen sie mit ihrem Verhalten in ihrer eigenen Schwangerschaft den epigenetischen Grundstein für Wohl oder Wehe ihrer Enkelkinder, wie die Avon Longitudinal Study of Parents and Children (ALSPAC) der University of Bristol zeigt.

In Ländern mit einer langen Tradition von Geburtenregistern lässt sich nachweisen, dass sich auch bestimmte Geburtskomplikationen über die maternale Linie zu vererben scheinen. Leider verfügen wir in Deutschland nicht über solche Daten. Aber die Forschung interessiert sich zunehmend für Großmütter, sowohl in ihrer biologischen als auch in ihrer sozialen Bedeutung. So wurden Großeltern beispielsweise als Trauernde oft vergessen, dabei wirkt sich der Verlust eines Enkelkindes nicht nur auf ihre seelische, sondern auch auf die körperliche Gesundheit aus.

Großmütter können helfende Schutzengel sein. Dennoch erleben Hebammen in der Wochenbettbetreuung, dass aufgeregte (Schwieger-) Großmütter von der neueren Forschung überholtes Wissen gerne tradieren. Sie können durchaus eine Herausforderung für die sensible erste Zeit darstellen, sei es durch ihre Ansichten zum Stillen oder zum vermeintlich übermäßigen Körperkontakt.

Hebammen sollten das Kapital einer Großmutter zur Unterstützung einer jungen Familie schätzen lernen, auch wenn uns nicht alles gefällt. Am Ende ist Blut dicker als die kurzfristige Beziehung zur Hebamme.

Rubrik: DHZ 02/2023

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