Ultraschall der Sectionarbe

Wie gebären?

Kann man einschätzen oder sogar vorab „berechnen“, ob eine vaginale Geburt nach einem vorausgegangenen Kaiserschnitt gelingen wird? Eine britische Studie von O. Naji und KollegInnen gibt Hinweise darauf, dass das Risiko einer Uterusruptur in Zusammenhang zur Stärke der Sectionarbe am Uterus stehen könnte. Dr. phil. Beate Ramsayer
  • Abbildung: Aufnahme einer transvaginalen Ultraschalluntersuchung in der 20. Schwanger­schaftswoche (Sagittalschnitt). Sichtbar sind sowohl echoarme Segmente (hypoechoic segments) als auch Segmente, welche die verbleibende Stärke des Myometriums (RMT-Segmente) der Sectionarbe darstellen.

In einer britischen Studie haben Naji und KollegInnen transvaginale Ultraschalluntersuchungen durchgeführt, um die Sectionarbe im Uterusgewebe zu beurteilen (Naji et al. 2013). Sie haben geprüft, ob die Narbe noch darstellbar war, wie dick das verbleibende Myometrium (Muskelgewebe des Uterus) war (Residual myometrial thickness: RMT) und wie sich die Stärke des Myometriums zwischen dem ersten und zweiten Trimenon veränderte. Dazu wurden echoarme Teile (hyppoechoic parts) und die verbleibende Stärke des Myometriums an der Sectionarbe (Residual myometrial thickness = RMT) gemessen (siehe Abbildung).

Anschließend wurde aus fünf verschiedenen Variablen die Wahrscheinlichkeit für den Geburtsmodus einer vaginalen Geburt errechnet. Berücksichtigt wurden zwei demografische Variablen, nämlich das Alter der Frau und der Body-Mass-Index (BMI) vor Eintreten der Schwangerschaft. Auch eine Variable in Bezug auf die vorausgehende geburtshilfliche Situation wurde untersucht – es ging um die Frage: Gab es bereits eine vorausgehende erfolgreiche vaginale Geburt nach einem Kaiserschnitt? Hinzu kamen zwei Variablen, die im Rahmen der Studie zur Kaiserschnittnarbe selbst erhoben wurden: die RMT im zweiten Trimester und die Abweichung der RMT zwischen dem ersten und zweiten Trimester. Die klinische Anwendbarkeit dieses Modells prüften die Forscher, indem sie die errechneten mit den beobachteten Wahrscheinlichkeiten in Zusammenhang setzten.

Die Ultraschalluntersuchungen wurden in einem Londoner Lehrkrankenhauses im Jahr 2010 in der 11. bis 13., 19. bis 21. und der 34. bis 36. Schwangerschaftswoche durchgeführt. Bei 320 Frauen wurden über die transvaginalen Ultraschalluntersuchungen ermittelt, wie sich die Sectionarbe im Verlauf der Schwangerschaft verhielt. In die Studie selbst wurden jedoch nur 121 Frauen aufgenommen. Es konnten nicht alle untersuchten Frauen in die Studie eingeschlossen werden, da die Kriterien umfassten, dass die Kaiserschnittnarbe im Ultraschall dargestellt werden konnte und die Frau nur einen vorausgehenden Kaiserschnitt hatte. Die Sectionarbe selbst konnte bei 284 der 320 Frauen dargestellt werden (89 Prozent) und 131 dieser Frauen hatten nur einen vorausgehenden Kaiserschnitt. (Aufgrund der krankenhauseigenen Leitlinien wurde bei Frauen mit mehr als zwei Kaiserschnitten von vorne herein eine elektive Sectio Caesarea geplant.) Von den verbleibenden 131 wurde bei zehn Frauen ein Kaiserschnitt vor der Geburt durchgeführt, was zu einem nachträglichen Ausschluss aus der Studie führte.

 

Die Sectionarbe im Verlauf

 

Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass sich Kaiserschnittnarben bei einer erneuten Schwangerschaft unterschiedlich verhalten können. So gab es Narben, die durch transvaginale Ultraschalluntersuchungen sehr gut dargestellt werden konnten und sich im Verlauf der Schwangerschaft in unterschiedlicher Art und Weise veränderten. Es gab jedoch auch Kaiserschnittnarben, die auf diesem Wege gar nicht dargestellt werden konnten. Interessanterweise kam dies auch bei Frauen nach mehr als einem Kaiserschnitt vor. So hatten von den 36 Frauen, bei denen die Narbe nicht sichtbar war, 22 Frauen eine vorausgehende Sectio, 14 jedoch mehr als eine Sectio. Eine erfolgreiche vaginale Geburt nach einer vorausgehenden Sectio hatten 82 Prozent der Frauen (n=18). Leider liegen keine Ergebnisse dazu vor, wie viele Frauen nach mehreren Kaiserschnittentbindungen und nicht mehr darstellbarer Narbe ihr Kind vaginal zur Welt gebracht hätten, weil diese aufgrund der krankenhausinternen Leitlinien von vorne herein durch eine primäre Sectio entbunden wurden. Insgesamt fand eine vaginale Geburt nach einer Sectio bei 74 von 121 Frauen statt (61 Prozent). Die Studienergebnisse geben Hinweise darauf, dass sich die Chance einer erfolgreichen vaginalen Geburt nach einem vorausgehenden Kaiserschnitt erhöhte, je stärker das verbleibende Myometrium war (RMT). In der Gruppe der Frauen, die eine erfolgreiche vaginale Geburt nach einem Kaiserschnitt hatten, betrug sie durchschnittlich 4,2 Millimeter im Vergleich zur durchschnittlichen Stärke von 2,8 Millimeter in der Gruppe der Frauen, die eine Resectio erlebten.

Gleichzeitig schien sich die Chance einer vaginalen Geburt zu verringern, je größer die Abweichung des verbleibenden Myometriums (RMT) zwischen dem ersten und zweiten Trimester war. So betrug die Abweichung des RMT in der Gruppe der Frauen, die eine vaginale Geburt hatten, durchschnittlich 0,8 Millimeter im Vergleich zu 2,8 Millimeter bei den Frauen, die erneut per Sectio entbunden hatten.

Doch geben die Ergebnisse auch Hinweise darauf, dass die Chance auf eine vaginale Geburt in Zusammenhang mit anderen Faktoren zu stehen schien, beispielsweise einem spontanen Geburtsbeginn oder einer bereits erfolgten spontanen Geburt nach einem vorausgehenden Kaiserschnitt.

Die Autoren der englischen Studie fassen ihre Ergebnisse wie folgt zusammen: Eine transvaginale Messung der Uterusnarbe und die Betrachtung der Messwerte in einem Modell bietet eine Möglichkeit, die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen vaginalen Geburt nach einem Kaiserschnitt vorherzusagen.

Insgesamt geben die Ergebnisse Hinweise darauf, dass die Narbe am Uterus ein wichtiger Einflussfaktor auf die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen vaginalen Geburt nach einem vorausgehenden Kaiserschnitt zu sein scheint. Jedoch wird auch diesem Faktor kein Alleingültigkeitswert beigemessen – es scheint also nicht ausreichend zu sein, die Uterusnarbe per vaginalem Ultraschall zu messen und daraufhin die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche vaginale Geburt zu berechnen. Vielmehr wurde ein Modell aufgezeigt, in das diese Daten zwar einfließen, in dem jedoch auch andere Variablen berücksichtigt werden.

Das vorgestellte Modell berücksichtigte neben den Messwerten der vaginalen Ultraschallsonografie die Variablen mütterlicher BMI vor der Schwangerschaft, Alter der Gebärenden sowie die Frage nach einer bereits erfolgten vaginalen Geburt nach einem vorausgehenden Kaiserschnitt. Es fehlt jedoch die Transparenz, wer die Entscheidung hinsichtlich dieser Variablen getroffen hat („Experts") und warum. Somit mangelt es auch an Klarheit, wieso andere Kriterien ausgeschlossen wurden.

So ist bekannt, dass die Erfolgsrate einer spontanen Geburt nach einem Kaiserschnitt zwischen 50 und 90 Prozent liegt (Snapp 2007; Landon et al. 2005; Appleton et al. 2000). Hierbei scheint eine bereits erfolgreiche spontane Geburt nach einem Kaiserschnitt zu den wichtigsten prognostischen Parametern zu zählen (Upendram & Al-Rubaish 2009). Allerdings scheint auch ein Geburtsgewicht des Kindes unter 3.500 Gramm prognostisch günstig zu sein sowie ein vorausgehender Kaiserschnitt, der vor einer Muttermundsweite von sieben Zentimetern und nicht aufgrund der Indikation eines Verdachtes auf ein cephalopelvines Missverhältnis oder einen Geburtsstillstand durchgeführt wurde (Landon et al. 2005; Upendram& Al-Rubaish 2009). Gerade die Faktoren zur Indikation des vorausgegangenen Kaiserschnittes wurden in der Studie nicht berücksichtigt. Ebenso fand der Einfluss des zeitlichen Abstandes zwischen einer vorausgehenden Sectio und der darauf folgenden Geburt keine Berücksichtigung, obwohl der Zusammenhang bekannt ist, dass das Risiko einer Uterusruptur sinkt, je länger der zeitliche Abstand zwischen Kaiserschnitt und erneuter Geburt ist (ACOG 2004).

 

Interessanter Blick

 

Die Autoren gehen an verschiedenen Stellen der Studie auf die Limitierung ein, dass die Teilnehmerinnenzahl als zu gering für den verwendeten quantitativen Forschungsansatz einzustufen ist und keine Allgemeingültigkeit der Daten erreicht werden kann. So beschreiben sie beispielsweise, dass alle Datensätze der ursprünglich untersuchten 320 Frauen zur Berechnung herangezogen wurden, wie sich eine Kaiserschnittnarbe im Verlauf der Schwangerschaft verhält. Mehr als die Hälfte der Frauen sei anschließend jedoch aus der Studie ausgeschlossen worden, da sie den Einschlusskriterien nicht entsprochen hätten. Die Studie hat die weitere Schwäche, dass alle Daten in einem Londoner Lehrkrankenhaus erhoben, in dem klinikinterne Leitlinien – beispielsweise Durchführung einer Re-Resectio nach zwei erfolgten Kaiserschnitten – die Durchführung der Studie und damit auch die Ergebnisse selbst beeinflusst haben.

Auch wenn sie nur ein Nebenaspekt der Studie sind, sind die Ergebnisse zur Darstellbarkeit der Sectionarbe interessant. Sie zeigen, dass Narben offensichtlich unterschiedlich verwachsen können, so dass sie in manchen Fällen auch gar nicht mehr im Ultraschall zu sehen sind. Dies kann auch nach mehreren vorausgehenden Kaiserschnitten der Fall sein und bedeutet somit für die Praxis, dass es durchaus überlegenswert wäre, auch nach mehreren vorausgegangenen Kaiser­schnitten in diesen Fällen eine Spontangeburt zu erwägen.

Der Versuch, ein Modell zu entwickeln, mit dem die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche vaginale Geburt nach einem vorausgegangenen Kaiserschnitt berechnet werden kann, ist nicht sicher als positiv zu bewerten. Es kann sein, dass Frauen dadurch ermutigt und individuelle Faktoren berücksichtigt werden. Jedoch besteht dabei auch die Gefahr, dass Messwerte falsch erhoben werden, statistische Berechnungen fehlerhaft sind – beispielsweise aufgrund fehlerhafter oder willkürlich ausgewählter Variablen – und somit falsche Wahrscheinlichkeiten errechnet werden. Dies kann das Gegenteil bewirken, indem es zu einer Verunsicherung oder Fehlberatung von Frauen führen kann.

Es ist jedoch eine elementare Aufgabe in unserer aktuellen geburtshilflichen Situation, neue Wege zu suchen, wie mit der Herausforderung ständig wachsender Sectiozahlen und damit auch einer ständig steigenden Zahl an Gebärenden mit der Diagnose eines vorausgehenden Kaiserschnittes umzugehen ist. Es geht um Wege, die das Wohl der Mutter und des Kindes im Blick haben. Weitere Forschungen aus verschiedenen Perspektiven sind daher unerlässlich und wünschenswert.

Rubrik: Geburt | DHZ 02/2015

Literatur

ACOG: ACOG Practice Bulletin No. 54: Vaginal birth after previous cesarean. Obstet.Gynecol. 104: 203–212 (2004)

Appleton, B.; Targett, C.; Rasmussen, M. et al.: Vaginal birth after Caesarean section: an Australian multicentre study. VBAC Study Group. Aust.N.Z.J.Obstet.Gynaecol. 40: 87–91 (2000)

Landon, M. B.; Leindecker, S.; Spong, C. Y. et al.: The MFMU Cesarean Registry: factors affecting the success of trial of labor after previous cesarean delivery. Am.J.Obstet.Gynecol. 193: 1016–1023 (2005)
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