Nebenwirkungen melden

Vor jeder Behandlung werden die Nebenwirkungen von Therapien oder Medikamenten gegen den zu erwartenden Erfolg abgewogen. Trotzdem können auch unerwartete iatrogene Schäden auftreten. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wertet diese Fälle aus. Dafür benötigt es die Daten. Peggy Seehafer
  • Hängt die Rötung am Rücken der Wöchnerin mit dem Blood-Patch zusammen? Oder hat ein Mittel zur Entfernung von Pflasterresten sie bewirkt?

  • Berichtsbogen für unerwünschte Arzneimittelwirkungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte

Eine Frau erhält während der Geburt eine PDA. An den Tagen danach leidet sie an schweren Kopfschmerzen und erhält am vierten Tag post partum eine Blood-Patch-Behandlung. Diese hilft sehr gut.

 

Blood-Patch-Behandlung

 

Bei einer Blood-Patch-Behandlung wird um die Einstichstelle der PDA herum Eigenblut eingespritzt. Der Blood-Patch (wörtlich: Blut-Flicken) soll das Nachsickern von Liquor nach der Punktion des Spinalkanals verhindern. Das rund um die Einstichstelle injizierte Eigenblut erzeugt ein künstliches Hämatom, das das Liquorleck verschließt.

Unmittelbar vor dem Einspritzen des Blutes entfernt die Anästhesieschwester noch einige am Rücken klebende Pflasterreste mit einem Mittel, das in dem Krankenhaus scherzhaft als »Agent Orange« bezeichnet wird. Mit dem Einspritzen des Blutes merkt die Frau ein deutliches Brennen an der Stelle am Rücken links neben dem rechten Schulterblatt. Vier Tage später beim Wochenbettbesuch der Hebamme klagt sie über ein akut aufgetretenes Brennen, wie beim Sonnenbrand, und zeigt die entsprechende Stelle (siehe Abbildung).

Die Stelle ist knapp so groß wie ein Handteller und frisch rot. Eine um Hilfe gebetene Anästhesistin geht aufgrund des vorliegenden Fotos zunächst von einer Pflasterallergie aus, die allerdings merkwürdigerweise erst am vierten Tag nach Entfernen des Pflasters auftritt.

Die Frau selbst stellt die Verbindung mit dem Reinigungsmittel der Anästhesie­schwester erst zwei weitere Tage später her. Zunächst sieht sie nur den Zusammenhang mit dem Blood-Patch. Die Wunde heilt langsam ab und macht keine weiteren Beschwerden.

 

Rückmeldung der Hebamme an die Klinik

 

Letztlich gab es keine befriedigende Erklärung für diese iatrogen entstandene Wunde. Die Frau hatte keine bekannten Allergien. Am wahrscheinlichsten schien eine Hypersensibilisierung, möglicherweise ausgelöst durch die Eigenbluttherapie.

Da die Frau sich aufgrund der großen Entfernung nicht mehr in der Klinik vorstellen konnte, fiel dort auch nicht die Nebenwirkung der Reinigungsflüssigkeit oder des Blood-Patch auf, die zu einer veränderten Anwendung führen könnte. In diesem Fall erhielt die Klinik eine Rückmeldung von der betreuenden Hebamme, damit zukünftig auf solche Ereignisse reagiert werden kann und sie in die Aufklärung über unerwünschte Nebenwirkungen aufgenommen werden.

 

Nebenwirkungen systematisch erfassen

 

Schäden durch Behandlungen können passieren, selbst wenn man mit den besten Absichten handelte und keine Voraussetzungen aus der Anamnese darauf hindeuteten. Das bekannteste Negativbeispiel ist Contergan. Als Schlafmittel entwickelt, verursachte es schwere embryonale Fehlbildungen, wenn Schwangere es einnahmen. Das bekannteste Postivbeispiel ist Viagra. Eigentlich als Mittel zur Behandlung von Herzkranzgefäßen entwickelt, hat es einen positiven Effekt bei Erektionsstörungen. Um aus Einzelfällen ein typisches Muster erkennen zu können, müssen von der Intention abweichende Befunde gesammelt und an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn gemeldet werden.

Es gibt einen Berichtsbogen für unerwünschte Arzneimittelwirkungen – auch für Verdachtsfälle. Dieser erfasst die Schadensmeldungen und kann von jeder behandelnden Person ausgefüllt und an das BfArM gesendet werden. Dort werden nur die Initialen der Patientin, ihr Geburtsdatum, Geschlecht, Größe und Gewicht und das angewendete Mittel und die beobachtete Wirkung eingetragen. Die Daten sollten so ausführlich wie möglich erfasst werden. Im BfArM werden die Fälle systematisch aufgezeichnet und bei Häufungen nachuntersucht. Erst dann können Konsequenzen gezogen und Produkte möglicherweise vom Markt genommen werden.

Hebammen sollten bei Auffälligkeiten keinesfalls zögern, solch eine Meldung abzusenden. Im besten Fall hilft es, weitere Schäden zu vermeiden, im schlechtesten Fall führt die Spur zu einem außerplanmäßigen Einzelfall, der keine weiteren Konsequenzen nach sich zieht.

 

Neue Online-Plattform: Nebenwirkungen.eu

 

Eine neue Online-Plattform zeigt alle dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) von 1995 bis Ende 2017 gemeldeten Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen aus Deutschland. Dabei handelt es sich um Fälle, die entweder von ÄrztInnen, ApothekerInnen, anderen Angehörigen von Heilberufen, PatientInnen, oder vom Hersteller – außerhalb bei klinischen Studien – an das BfArM gemeldet worden sind. Jetzt können AnwenderInnen selbst die Nebenwirkungen ihrer angewendeten Medikamente melden, auch solche, wegen derer man nicht noch einmal Kontakt zu einer MedizinerIn suchen würde.

Ziel der Plattform ist es, der Öffentlichkeit eine neutrale, verständliche und sorgfältig recherchierte Informationsgrundlage über Arzneimittel zur Verfügung zu stellen, damit sich jede selbst ein Bild machen kann.

> www.nebenwirkungen.eu/melden

Rubrik: Wissenschaft und Forschung | DHZ 09/2018

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