DGHWi-Konferenz

Akademisierung – wo stehen wir?

Die Akademisierung des Berufsstandes der Hebammen war das Thema einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi), gemeinsam mit dem Deutschen Hebammen Verband (DHV). Die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg hatte den Raum geboten, die verschiedenen Wege an den Hochschulen, die derzeitige Stimmung unter den Hebammen, die Vergütung der Studierenden sowie Unsicherheiten bei den Hebammenlehrerinnen zu analysieren. Birgit Heimbach
  • Elf Arbeitsgruppen diskutieren die Hürden und Chancen der Akademisierung.

  • Ulrike Geppert-Orthofer, Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes

  • Prof. Dr. Melitta Grieshop, Evangelische Hochschule Berlin

  • Yvonne Bovermann, Fortbildungs­beauftragte des DHV

  • Cordula Fischer, Leiterin der Hebammenschule Heidelberg

  • Veronika Bujny, Landesvorsitzende des Hebammenverbandes Niedersachsen

  • Dr. Angelica Ensel, Vertretungsprofessorin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg

Die Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes (DHV), Ulrike Gep­pert-Orthofer, wies in ihrer Begrüßung darauf hin, dass der Akademisierung von Hebammen in Deutschland – als einzig geltender Ausbildungsweg – endlich nichts mehr im Wege stünde. Ein Jahr vor Ablauf der Frist sei von Gesundheitsminister Jens Spahn das Go für das duale Studium als die allgemein geltende Ausbildung gekommen. Er habe damit endlich die EU-Richtlinie umgesetzt, nach der die Ausbildung für Hebammen bis Anfang 2020 reformiert sein muss. Laut Elke Mattern, Vorsitzende der DGHWi, sei die Hamburger Konferenz vor allem gedacht als Sichtbarmachung der jetzigen Situation.

 

Drei Studiengänge – drei Wege

 

Drei Professorinnen stellten zunächst die Studiengänge ihrer Hochschulen vor, die für die Konferenz ausgewählt waren, weil sie die Unterschiede deutlich zeigen. Prof. Dr. Melita Grieshop von der Evangelischen Hochschule in Berlin (EHB) berichtete, dass unter anderem durch die Zusammenarbeit mit der Berliner Schule für Gesundheitsberufe den derzeit 47 Studentinnen eine Vergütung für die vier Jahre gezahlt werden könne. Die Kliniken hätten großes Interesse an ihrem Einsatz. Aufgrund von Geld- und Zeitmangel innerhalb des Lehrstuhls komme der Ausbau des Studiengangs und die Entwicklung eines Forschungsschwerpunkts zu kurz, was laut Grieshop aber unbedingt nötig sei. Rentabel sei für einen Lehrstuhl eine Anzahl von 40 Studierenden.

Sonja Wangler von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart berichtete über ihren Studiengang Angewandte Hebammenwissenschaft und die beiden Studienangebote: Hebammenkunde (105 grundständige Studienplätze) und Hebammenpraxis (30 weiterqualifizierende Studienplätze). Die Studierenden würden sich zuvor direkt bei Arbeitgebern bewerben, die sich verpflichten, sie nur ausbildungsbezogene Arbeiten verrichten zu lassen.

Als dritte Referentin stellte Prof. Dr. Rainhild Schäfers, die von 2012 bis 2016 Präsidentin der DGHWi war, den Bachelor-Studiengang Hebammenkunde mit insgesamt 170 Studentinnen an der Hochschule für Gesundheit in Bochum vor. Diese war als erste staatliche Hochschule für Gesundheitsberufe schon immer ein Vorzeigeprojekt und hat bis heute beste finanzielle Voraussetzungen, so dass dortige Projekte möglicherweise nur bedingt für andere Modelle übertragbar sind. Ein nachqualifizierender Bachelorstudiengang ist geplant. Seit vier Monaten gebe es am Institut für Angewandte Gesundheitsforschung – neben den Schwerpunkten Kultur und Gesundheit, Kindliche Entwicklung, Gesundheit und Technologie – nun auch den Schwerpunkt Midwifery and Reproductive Health. Schäfers stellte die Struktur des Bachelor-Studiengangs vor mit 75 Wochen Praxismodulen, davon 38 Wochen im Kreißsaal. Absolviert werden diese in 56 Kooperationskliniken, die über ganz Nordrhein-Westfalen verteilt sind. Eine neue Errungenschaft sei es, die Studierenden des 6. Semesters innerhalb von einem Praxismodul zukünftig auch für Bereiche zu interessieren, in denen die geburtshilfliche Versorgung eine besondere Herausforderung darstellt oder für Frauen und Kinder in besonderen Lebenslagen – sogenannte innovative Felder. Innerhalb spezifischer Module werden zukünftig einzelne Lerneinheiten zusammen mit den Medizinstudierenden angeboten.

Deutlich wurde bereits anhand der drei Vorträge, dass sich auch an den bereits existierenden Studiengängen die Möglichkeiten und Angebote für Hebammen weiterentwickeln.

 

Abschlüsse und akademische Wege

 

Ein grundständiger Studiengang endet mit dem Bachelor. Ein weiterführender Masterstudiengang ist postgradual, das heißt zur Zulassung ist ein erfolgreich abgeschlossener grundständiger Studiengang erforderlich. Eine Promotion, die in der Regel nur an einer Universität möglich ist, führt immer über einen Master.

 

Schlüsselkompetenzen

 

Prof. Dr. Barbara Baumgärtner von der Ernst-Abbe-Hochschule in Jena machte deutlich, wie wichtig die Akademisierung für die Eigenständigkeit der Profession sei im Verhältnis zur schulischen Ausbildung: Befähigt werde nicht nur das wissenschaftliche Denken und Arbeiten, sondern auch die Kompetenz, später selbstständig und verantwortlich in Bereichen zu arbeiten, die durch eine offene Gestaltung und ein breites Aufgabenspektrum gekennzeichnet seien. So beispielsweise auch im Bereich der Medizin, betonte Baumgärtner. Spannend war zu hören, dass laut Hochschulrektorenkonferenz von 2012 bei einem Hochschulstudium die Persönlichkeitsbildung mit sozialen und personalen Schlüsselkompetenzen ein zentraler Punkt sei – wichtig für die verantwortungsvolle Teilhabe in beruflichen und lebensweltlichen Kontexten, so Baumgärtner. Es gehe nicht um das, was schon immer gemacht wurde, sondern darum, innovative Konzepte zu entwickeln und die Fähigkeit, Routinen zu hinterfragen. Studierende sollten sich zudem durch ein Verständnis für Handlungsweisen anderer Disziplinen auszeichnen und in einen kritischen Dialog mit den Lehrenden treten, um Eigenständigkeit zu erlernen. Baumgärtner betonte, dass die Struktur in einer Hochschule demokratisch sei, auch die Studierenden sollten ihr Fach mitdenken und inhaltlich mitgestalten. Sollte sich eine Studierende als besonders geeignet erweisen, müsse diese in besonderem Maße gefördert werden. Baumgärtner, die in Jena derzeit als einzige Hebammen-Professorin verantwortlich ist, wünscht sich für eine weitere Optimierung ihres Studiengangs eine größere Mischung verschiedener Profile.

Die Fortbildungsbeauftragte des DHV Yvonne Bovermann betonte die Bedeutung der derzeitigen Entscheidungen. Was jetzt nicht erreicht würde, würde den Berufsstand in den nächsten Jahren störend begleiten. Sie betonte, dass die Akademisierung das Aus für die Schulen bedeute, denn diese würden nicht wissenschaftlich ausbilden können. Die Hochschule sei das Maß aller Dinge, wenn auch die Praxis natürlich wichtig sei. Dual bedeute praxisintegrierend, nicht praxisbegleitend. Der Begriff »Duales Studium« sei unbedingt zu schärfen, zu regeln seien die Übergangszeiten möglicherweise bis 2022 und die Finanzierung der praktischen Studieninhalte. Sie deutete verschiedenen Finanzierungsmodelle an und betonte, dass auch an die Weiterbildung in der außerklinischen Geburtshilfe gedacht werden müsse. Für die freiberuflichen Hebammen müssten Verbündete gefunden werden. Und: »Wir brauchen ganz viele Hebammenprofessorinnen.«

 

Was wird aus den Lehrerinnen?

 

Die Hebammenlehrerin Cordula Fischer aus Baden-Württemberg sprach über ihre Sorge, dass die Hebammenlehrerinnen nicht ausreichend in die Akademisierung eingebunden würden, obwohl sie selbst maßgeblich daran arbeiten würden, diese voranzutreiben. Sie schilderte ihr Engagement für die Förderung der Lehrenden, etwa Treffen mit PolitikerInnen und VertreterInnen aus den Ämtern. Es würde ihnen anscheinend in dem Prozess auch nicht zugutekommen, dass von den 44 Hebammenlehrerinnen in ihrem Bundesland immerhin schon viele selbst studiert haben, sie würden die Ungewissheit nun als belastend erleben. Wenn demnächst die Schulen abgewickelt seien, könnten sie selbst nicht mehr mit Unterstützung rechnen. Fischer: »Wir wollen mitgenommen werden, mitgestalten, wir wollen nicht abgehängt werden.« Sie plädierte für einen Einbezug der Hebammenschulen in die Entwicklung der primär qualifizierenden Studiengänge. Auf die Frage von Bovermann, in welchem Bereich sich die Lehrerinnen sehen, beispielsweise in Skills-Labs oder als Praxisanleitung, kam die Antwort: »Wir sehen uns überall in verschiedenen Richtungen, aber als Lehrerin, nicht als Praxisanleiterin.«

 

Strategien benötigt

 

Auch Barbara Blomeier, DHV-Landesvorsitzende von NRW, betonte noch einmal die Not der Schulen und ihren Wunsch, an die Hochschulen angekoppelt zu werden. Sie zitierte ihre Kollegin Michaela Bremsteller mit der besorgten Frage, ob das Gehalt der Lehrenden an Hochschulen möglicherweise niedriger sei als in Hebammenschulen. Valerie Stabel, Vorsitzende des Landesverbandes der Hebammen in Bremen, hatte extra dafür studiert, um sich später als Dozentin in der Akademisierung einbringen zu können. Vorerst ist sie an einem Level 1 Haus tätig. Sie formulierte ihre große Sorge angesichts der Äußerung, dass sich ein Studiengang unter 40 Studierenden nicht lohne und fragte, wie Anreize für bestimmte, möglicherweise nicht so attraktive Standorte geschaffen werden könnten, um junge Frauen für ein Hebammenstudium zu motivieren.

Veronika Bujny, DHV-Landesvorsitzende aus Niedersachsen, mahnte: »Nicht nur Jens Spahn ist unvorbereitet! Wir auch! Wir müssten längst Strategien haben.« Sie stellte einige Fragen: »Wie viele Studienplätze braucht ein Bundesland?« Seien es beispielsweise in Niedersachsen vier Studienstandorte mit je 40 Plätzen? Auch sie betonte, dass weitere freiberufliche Hebammen von Nöten sein, in den nächsten Jahren würden in Niedersachen 25 Prozent aller Hebammen in den Ruhestand gehen. Die Freiberuflichkeit könne von der hochschulischen Ausbildung sehr profitieren. Eine konsequente Erforschung der Vorteile langer Hebammenbetreuung wäre ein wichtiger Schritt. Später erläuterte sie im Gespräch: »Die Betreuungsweise der Frauen in der Freiberuflichkeit ist einmalig. Die Qualitätssicherung gleich in der Ausbildung gut zu vermitteln, würde viel Stress aus der Betreuung nehmen. Eine langfristige Betreuung macht mehr Sinn, wenn sich die Hebammen mit psychosozialen Prozessen, Bindungstheorie und traumasensiblem Arbeiten beschäftigt haben. Diese Themen passen aufgrund der derzeit geringen Theoriestunden nicht in die Ausbildung und viele Hebammen müssten sie sich später in Fortbildungen aneignen. Keine Frau kann bisher selbstverständlich davon ausgehen, dass die von ihr angefragte Hebamme diesbezüglich Wissen mitbringt.«

Mattern betonte am Ende aller Vorträge, die Akademisierung fördere den Praxistransfer. Jede Hochschule müsse einen Quereinstieg ermöglichen, entscheide aber selbst, wie das ablaufe. Es gebe Bestandsschutz: Hebammen dürften auch weiterhin ohne Studium arbeiten. Studierende seien haftpflichtversichert, wenn sie Mitglied im DHV seien, zudem seien sie sowohl über die Klinik haftpflichtversichert, wie auch über die Hochschule.

 

Stimmen aus elf Arbeitsgruppen

 

Im Anschluss gab es elf Diskussionsrunden, deren Ergebnisse dem Forum vorgestellt wurden. In einer Gruppe wurde nochmals die Sorge der Hebammenschulen betont. Wer würde als letzte von Bord gehen und wie? Eine andere Gruppe bat um Zahlen zur Finanzierung eines Studienganges und fragte, ob die Studierenden im Kreißsaal als studentische Hilfskräfte bezahlt würden. Eine weitere Arbeitsgruppe wünschte sich die Eins-zu-eins-Betreuung während der Geburt im Kreißsaal und eine stärkere Berücksichtigung der Stimme der Frauen, eine andere Interprofessionalität, eine weitere fragte nach Modellen, phasenweise gemeinsam mit MedizinstudentInnen zu studieren. Auch die Entwicklung eines eigenen Hebammen-Vokabulars wurde thematisiert. Die Arbeitsgruppe »Digitalisierung« bestand aus nur einer Person: Florian Schwarz hatte kürzlich in Berlin einen Verein gegründet: Deutsche Hebammenhilfe e.V. (www.hebammenhilfe.de). Er möchte beispielsweise BerufseinsteigerInnen für den Hebammenberuf gewinnen und eine Online-Stellenbörse aufbauen.

Im Gespräch erzählte er, dass er gerade vom Bundeskongress der MedizinstudentInnen gekommen sei, die sich ganze drei Tage nur mit der Digitalisierung befasst hätten. Hier könnten doch auch Hebammen Inspiration finden, um an digitalen Prozessen zu arbeiten.

 

»Die Akademisierung kommt – und zwar ausschließlich«

 

In den Gesprächen am Rande wurde deutlich, dass das Hebammenstudium im Vergleich zum Medizinstudium nur dual gedacht wird, weil es viel stärker praxisintegrierend ist. So gebe es Praxisanleiterinnen, die keinen Bachelor haben und andere, die akademisch geschult und in der Regel Pädagoginnen sind, erklärte Prof. Dr. Dorothea Tegethoff von der Evangelischen Hochschule Berlin.

Einige der Lehrerinnen waren der Auffassung, dass die Schulen vermutlich auch nach 2020 noch existieren würden. Entscheidend sei es, nur Bewerberinnen mit Hochschulreife zu nehmen. Dies wurde jedoch von Elke Mattern verneint: Die Akademisierung käme und zwar ausschließlich.

 

Demnächst: Tagung für die Lehrenden

 

Die Moderatorin der rund sechsstündigen Veranstaltung, Ulla Schnee, freute sich am Ende, die Hebammen, deren Arbeit offiziell als immaterielles Kulturgut bezeichnet werde, durch die Veranstaltung geführt zu haben, wobei sie sich manchmal wie eine Dompteurin gefühlt habe, wenn es darum ging, alle Wortmeldungen berücksichtigen zu können. Die Stimmung war gut, auch wenn noch viele Fragen im Laufe des kommenden Jahres und darüber hinaus zu klären sein werden. Bovermann wies aber darauf hin, dass es demnächst eine Tagung für alle Lehrenden geben solle: Auf die nächste alljährliche Tagung der Lehrhebammen seien auch die Hochschullehrerinnen eingeladen. Mattern bedankte sich zum Schluss bei den Hamburger Gastgeberinnen Dr. Angelica Ensel, die als Vertretungsprofessorin am Department Gesundheitswissenschaften der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) tätig ist, und ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Kristin Käuper. Beide sind in der Arbeitsgruppe aktiv, die einen grundständigen und weiterqualifizierenden Hebammenstudiengang in Hamburg – zusammen mit dem Hamburger Uniklinikum Eppendorf (UKE) – etablieren will.

Die nächste Konferenz zur Akademisierung der Hebammen wird unter der Schirmherrschaft des DHV stattfinden.

Rubrik: Aus- und Weiterbildung | DHZ 02/2019

Hinweis

Die Bundestagung der Lehrenden im
Hebammenwesen findet am 18. und 19. Februar in Hünfeld im Bonifatiuskloster statt.
> www.bonifatiuskloster.de

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