Studie »Stillen in NRW« (SINA)

Ambulante Stillförderung ausbaufähig

  • Nicht stillende sowie stillende Mütter empfanden die eingeschränkten Besuche während der Pandemie als hilfreich, sich in Ruhe um die Ernährung ihres Neugeborenen kümmern zu können.

  • Die Covid-19-Pandemie hat zu Kontaktbeschränkungen auf Geburtsstationen geführt, die auch mit medizinisch-pflegerischen Konsequenzen einhergingen. So war beispielsweise der Aufenthalt auf der Gebärstation nach der Geburt tendenziell verkürzt, was sich unter Umständen negativ auf die Stillrate ausgewirkt haben könnte, wenn nicht entsprechend angepasste Nachsorgeangebote für die Mütter bereitstanden.

    Die Studie »Stillen in NRW« (SINA) beleuchtete daher die Auswirkungen von coronabedingten Beschränkungen auf Rahmenprogramme, wie die Förderung des Stillens und die Auswirkungen von Besuchseinschränkungen auf der Geburtsstation.

    Im Rahmen dieser Studie wurden 41 Telefoninterviews mit der Geburtsklinikleitung und der Stationsleitung geführt sowie 92 Wöchnerinnen aus vier Kliniken mit überwiegend sozioökonomisch niedrigem Einzugsgebiet rekrutiert und zwei Wochen und zwei Monate nach der Geburt webbasiert befragt.

    »Diese Kombination ermöglichte eine gemeinsame Betrachtung der Praxis des Stillens und pandemiebedingter Erfahrungen aus unterschiedlichen Perspektiven«, erläuterte Thomas Lücke, Direktor der Bochumer Universitätskinderklinik.

    Die Auswertungen ergaben, dass die Besuchseinschränkungen auf den Geburtsstationen von den Kliniken durchweg als positiv für die Mütter und auch für das Stationspersonal wahrgenommen wurden. Mehrheitlich empfanden nicht stillende Mütter (69,2 %) ähnlich wie stillende Mütter (59,2 %) durch die Besuchseinschränkungen in der Klinik viel Ruhe, so dass sie sich gut um das Füttern/Stillen des Kindes kümmern konnten.

    Allerdings sanken die hohen initialen Stillraten der Mütter in den ersten zwei Monaten, geben die Studienautor:innen zu bedenken. Im Alter von zwei Wochen wurden 66,1 % der Kinder ausschließlich gestillt. Bis zum Alter von zwei Monaten war der Anteil auf 57,8 % zurückgegangen.

    »Der Stillbeginn ist eine Lern- und Kennenlernphase für Mutter und Kind, und die ersten Tage sind eine besondere Chance für die Stillförderung. Daher ist eine nahtlose Nachsorge zur Stillförderung besonders wichtig. Sie könnte an die Geburtsklinik angebunden werden, da dort eine multiprofessionelle Beratung verfügbar ist und es aus den ersten Tagen bereits eine Anbindung an diese Beratungsangebote gibt«, so die Einschätzung von Mathilde Kersting, Leiterin der Forschungsabteilung für Kinderernährung an der Kinderklinik der Ruhr-Universität Bochum.

    Die stationären Liegezeiten waren in der Pandemie tendenziell verkürzt, was den Stellenwert einer ambulanten Stillunterstützung in einer nahtlos anschließenden professionellen Nachsorge notwendig machte. Die Informations- und Beratungsangebote zum Stillen von Seiten der Klinken wurden in der Pandemie durch Onlineangebote zum Teil ersetzt, und von Müttern unterschiedlich stark in Anspruch genommen.

    Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass niederschwellige Angebote zur weiteren Stillförderung, insbesondere für den ambulanten Sektor und im Übergang von stationärer zu ambulanter Versorgung, ausgebaut werden sollten. Darüber hinaus war den befragten Klinikern eine höhere Wertschätzung des Stillens im Gesundheitswesen und in der Öffentlichkeit sehr wichtig: Stillen verdient ein besseres Image und eine effektive Unterstützung.

    Quelle: Forschungsdepartment Kinderernährung, Kinderklinik der Ruhr-Universität Bochum. (2023). Abschlussbericht Stillen in NRW (SINA): Was können wir aus Erfahrungen in der Corona-Pandemie für die Stillförderung rund um die klinische Geburtshilfe lernen? Februar 2023. http://www.stillstudien.de/downloads/SINA%20Abschlussbericht%20Februar%202023.pdf ∙ aerzteblatt.de, 17.3.2023 ∙ DHZ

    Rubrik: 1. Lebensjahr

    Erscheinungsdatum: 21.03.2023