Frühgeborene mit »Late onset«-Sepsis

Bakterien stammen häufig aus dem Darm

  • Bakterien, die in den ersten Lebenstagen den Darm des Frühgeborenen besiedeln und sich dort in großer Anzahl vermehrt haben, könnten den Weg in den Blutkreislauf finden und eine Sepsis verursachen.

  • Bei mehr als der Hälfte der Frühgeborenen mit »Late onset«-Sepsis sind die verantwortlichen Bakterien zuvor schon im Darm der Patient:innen vorhanden. Dies kam in einem Genom-Vergleich in Science Translational Medicine heraus. Die pathogenen Bakterien hatten sich häufig nach einer früheren Antibiotika-Behandlung im Darm ausbreiten können.

     

    Mehr als 72 Stunden post partum

     

    Als »Late onset«-Sepsis werden alle Infektionen auf einer Neugeborenen-Intensivstation bezeichnet, die im Alter von mehr als 72 Stunden auftreten. Dieser Abstand zur Geburt macht es unwahrscheinlich, dass die Erreger von der Mutter stammen. Wahrscheinlicher ist, dass sie von den Kindern auf der Station erworben wurden, was den Verdacht einer »Healthcare associated«-Sepsis nahelegt. Das sind alle Infektionen, bei denen die Erreger durch Katheter, Tubus oder Drainagen in den Körper des Kindes gelangen.

    Ein Team um Gautam Dantas von der Washington University School of Medicine vermutet noch eine weitere Eintrittspforte: Bakterien, die in den ersten Lebenstagen den Darm des Frühgeborenen besiedelt und sich dort in großer Anzahl vermehrt haben, könnten einen Weg in den Blutkreislauf gefunden haben.

    Ob dies auf direktem Weg über die Darmschleimhaut erfolgte oder auf indirektem Weg über fäkale Verunrei­nigungen einer der vielen Zugänge, kann die Studie nicht klären. Allerdings hatten nicht alle Neugeborenen vor der Sepsis einen Zugang.

    Die komplette Sequenzierung ergab, dass das Genom der Bakterien aus der Blutkultur bei 11 von 19 Patienten (58 %) an weniger als 20 Stellen von dem Erbgut derselben Bakterien aus dem Darm abwich. Interessanterweise wurden identische Bakterien bei 15 der 19 Kinder (79 %) auch nach dem Ende der Sepsis noch im Darm gefunden. Sie haben sich dort offenbar dem Zugriff der intravenös applizierten Antibiotika entziehen können.

     

    Antibiotika fördern Resistenzen

     

    Die Forscher:innen fanden weiter heraus, dass die häufigen Antibiotika-Behandlungen – noch vor einigen Jahren wurden in den USA alle Frühgeborenen prophylaktisch behandelt – die Zusammensetzung des Mikrobioms im Darm verändern. Der Einsatz von Ampicillin, Gentamicin oder Vancomycin führte zu einer erhöhten Häufigkeit von Enterobacteriaceae und Enterococcaceae im Darm. Diese Bakterien sind dann häufig für die Blutbahninfektionen verantwortlich.

    Tatsächlich hatten die Neugeborenen, deren Sepsis durch Enterobacteriaceae verursacht wurde, in den zehn Tagen zuvor häufiger als eine Kontrollgruppe Ampicillin, Gentamicin oder Vancomycin erhalten. Die vorausgehende Antibiotikabehandlung birgt die Gefahr, dass die Sepsis dann von antibiotikaresistenten Keimen verursacht wird.

    Eine weitere Erkenntnis der Studie war, dass die Darmbakterien, die bei den Neugeborenen die Sepsis ausgelöst hatten, auch im Darm von anderen Patient:innen gefunden wurden. Nur in zwei von zwölf Fällen waren die Kinder zur gleichen Zeit auf der Intensivstation behandelt worden. Bei den anderen lag der Aufenthalt mehrere Monate zurück.

    Quelle: Schwartz, D. J., Shalon, N., Wardenburg, K., DeVeaux, A., Wallace, M. A., Hall-Moore, C., Ndao, I. M., Sullivan, J. E., Radmacher, P., Escobedo, M., Burnham, C. D., Warner, B. B., Tarr, P. I., & Dantas, G. (2023). Gut pathogen colonization precedes bloodstream infection in the neonatal intensive care unit. Science translational medicine, 15(694), eadg5562. https://doi.org/10.1126/scitranslmed.adg5562 ∙ aerzteblatt, 5.5.2023 ∙ DHZ

     

    Rubrik: 1. Lebensjahr

    Erscheinungsdatum: 09.05.2023