Gesetzesentwurf zur Liberalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen gescheitert
Unter dem strengen polnischen Abtreibungsrecht sind nach Angaben der Frauenrechtsorganisation Legalna Aborcija im vergangenen Jahr 425 Schwangerschaften legal abgebrochen worden. Die Organisation beruft sich dabei auf eine Statistik aus dem Gesundheitsministerium in Warschau.
In 423 Fällen seien Leben und Gesundheit der Schwangeren gefährdet gewesen. In zwei Fällen seien die Schwangerschaften durch Straftaten entstanden, also Vergewaltigungen. Zum Vergleich: In Deutschland wurden 2023 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 106.000 Schwangerschaftsabbrüche gemeldet.
Die Gesetzgebung zu Schwangerschaftsabbrüchen in Polen ist eine der strengsten in Europa, die unter der vorigen nationalkonservativen Regierung noch einmal verschärft worden ist. Erlaubt ist ein Abbruch nur nach Vergewaltigung, Inzest oder wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist.
Auch wenn das ungeborene Kind schwere Fehlbildungen hat, dürfen Frauen nach einem Urteil des Verfassungsgerichts von 2020 keinen Abbruch vornehmen. Die neue Mitte-Links-Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk hatte eine Liberalisierung versprochen. Sie scheiterte damit aber Mitte Juli im Parlament, weil der konservativere Teil der Koalition nicht mitzog. Rund zwei Wochen nach der gescheiterten Abstimmung kam es zu Protesten gegen die Entscheidung vor dem Parlament in Warschau. »Die Regierungskoalition hat dank der Frauen gewonnen und jetzt lassen sie uns wieder im Stich«, sagte eine demonstrierende Medizinstudentin. Eine weitere Demonstrantin gab an, sie habe Angst davor, schwanger zu werden.
Die Zahl der Abbrüche 2023 sei deutlich höher gewesen als 2022 mit 161 Fällen, sagte eine Vertreterin von Legalna Aborcja. Sie deutete den Anstieg so, dass die Kliniken häufiger zugunsten des Lebensrechts der schwangeren Frauen entschieden. »Es ist nur schade, dass erst mehrere Menschen sterben mussten, bevor damit begonnen wurde, Abtreibungen zumindest in den vom Gesetz vorgesehenen Extremfällen durchzuführen«, kommentierte sie.
Regional seien die legalen Abbrüche sehr ungleich verteilt, was darauf hindeute, dass sie nicht überall verfügbar seien.
Die polnische Föderation für Frauen und Familienplanung schätzt, dass trotz dieser Rechtslage jährlich zwischen 80.000 und 200.000 Schwangerschaftsabbrüche bei polnischen Frauen vorgenommen werden – sei es im Ausland oder durch die Abtreibungspille.
Der gescheiterte Gesetzentwurf sollte die Beihilfe für Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisieren. Für Ministerpräsident Tusk bedeutet das Scheitern eine Schlappe. »Es gibt nachweisbar keine Mehrheit für eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts im Sejm«, sagte er.
Quelle: ärzteblatt, 26.7.24 · DHZ