Retrospektive Kohortenstudie

Risiko-Score für die Schulterdystokie entwickelt

  • Aus dem neu entwickelten Risiko-Score für eine Schulterdystokie könnte abgeleitet werden, ob eine Sectio durchgeführt oder eine vaginale Geburt angestrebt werden kann.

  • Das Auftreten einer Schulterdystokie zählt zu den schweren geburtshilflichen Komplikationen. Die Geburt des Kindes erfolgt zeitverzögert oder im schlimmsten Fall wird sie dadurch ganz verhindert. Eine Schulterdystokie tritt ungefähr bei 1 % aller Geburten auf, wobei sich die Komplikation nur schwer voraussagen lässt: Auch bei physiologischen oder unauffälligen Geburtsverläufen kann eine Schulterdystokie auftreten.

    Das Ziel einer retrospektiven Kohortenstudie bestand darin, einen Risiko-Score zu entwickeln und zu validieren, mit dem das Risiko für das Auftreten einer Schulterdystokie vor Geburtsbeginn eingeschätzt werden kann.

    Hierzu wurden Daten von 15.000 Geburtsverläufen aus drei Geburtskliniken ausgewertet. Die Einschlusskriterien umfassten eine Einlingsschwangerschaft, eine vaginale Geburt aus Schädellage, die Geburt eines Kindes nach der 37. Schwangerschaftswoche sowie vorliegende biometrische Daten von zwei vorausgehenden Ultraschalluntersuchungen im Zeitraum von zwei Wochen vor der Geburt. Identifiziert wurden zunächst Risikofaktoren, anschließend wurde zu diesen der Wert der Risikosteigerung berechnet. Aus diesen Werten wurde ein Score abgeleitet und bewertet.

    Drei Risikofaktoren wurden identifiziert: Ein geschätztes kindliches Geburtsgewicht von mindestens 4.250 Gramm, eine Umfangsdifferenz zwischen dem kindlichen Abdomen und dem kindlichen Kopf von mindestens 2,5 cm sowie ein Diabetes Mellitus (GDM) der Mutter.

    Bei einem erhöhten kindlichen Geburtsgewicht wurde eine Risikosteigerung um den Faktor 4,3 errechnet, bei der erhöhten Umfangsdifferenz eine Risikosteigerung um den Faktor 4,0 sowie eine Risikosteigerung um den Faktor 2,2 bei einem GDM der Mutter.

    Ein fetales Geburtsgewicht über 4.250 Gramm sowie eine Umfangsdifferenz zwischen kindlichem Abdomen und Kopf von mindestens 2,5 cm wurden mit zwei Punkten, ein mütterlicher Diabetes mit einem Punkt bewertet. Nach Summierung der einzelnen Punktwerte zeigte sich, dass eine Schulterdystokie desto häufiger auftrat, je mehr Punkte vorlagen. Es zeigte sich jedoch auch, dass 40,8 % aller Schulterdystokie-Fälle auftraten, obwohl kein Risikofaktor vorlag. Bei vorliegenden Risikofaktoren ergaben sich folgende prozentuale Verteilungen hinsichtlich des Auftretens einer Schulterdystokie:

    • 1 Punkt: 0,6 %
    • 2 Punkte: 2,1 %
    • 3 Punkte: 5,4 %
    • 4 Punkte: 10,5 %
    • 5 Punkte: 25,0 %

    Die Autor:innen empfehlen bis zu einem Punktwert von 2, nicht zu einer Sectio zu raten, diese jedoch ab einem Punktwert von 4 zu erwägen. Sie sehen im Schulterdystokie-Risiko-Score das Potenzial eines möglichen zusätzlichen Instruments in der klinischen Entscheidungsfindung, um den Geburtsmodus festzulegen.

    Duewel, A. M., Doehmen, J., Dittkrist, L., Henrich, W., Ramsauer, B., Schlembach, D., Abou-Dakn, M., Maresh, M. J. A. & Schaeffer-Graf, U. M. (2022). Antenatal Risk Score for Prediction of Shoulder Dystocia with Focus on Fetal Ultrasound Data. Am J Obstet Gynecol. doi: 10.1016/j.ajog.2022.06.008 ∙ DHZ

     

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 27.06.2022