Langzeitstudie aus Großbritannien

Schmerzhafter Sex nach Sectio?

  • Die Sectio kann möglicherweise nicht, wie bislang angenommen, vor langfristigen sexuellen Funktionsstörungen schützen.

  • In den vergangenen 20 Jahren hat sich die die Sectiorate weltweit mehr als verdoppelt. Es wird diskutiert, dass der Geburtsmodus der Sectio das Risiko sexueller Folgeprobleme verhindert, weil die Geburt nicht vaginal erfolgt und somit keine Geburtsverletzungen an den Sexualorganen der Frau entstehen. Es ist bekannt, dass Frauen den Sex nach einer Geburt schmerzhafter als zuvor erleben können, jedoch unklar: Steht diese Dyspareunie in Zusammenhang mit dem Geburtsmodus? Hat der Geburtsmodus Einfluss auf das sexuelle Empfinden? Und wenn ja, wie lange und in welcher Form?

    Durchgeführt wurde zu diesem Themenkomplex eine prospektive Kohortenstudie in Großbritannien. Evaluiert wurden Daten der Avon Longitudinal Study of Parents and Children (ALSPAC). Die Frauen wurden in den Jahren Jahr 1990 bis 1992 rekrutiert (n=14.541). Die Daten zum Geburtsmodus wurden den zugrundeliegenden Geburtendokumentationen entnommen. Das sexuelle Erleben und die Häufigkeit sexueller Kontakte wurde über Fragebögen zu vier Zeitpunkten nach der Geburt erhoben: Nach 33 Monaten, 5 Jahren, 12 Jahren und 18 Jahren. Elf Jahre nach der Geburt wurden einmalig das Empfinden von Schmerzen während und nach dem vaginalen Geschlechtsverkehr evaluiert.

    Die Bereitschaft, an der Studie teilzunehmen, wurde im Zeitverlauf zunehmend geringer. So liegen Daten zum sexuellen Erleben zum Zeitpunkt 33 Monate von 56 %, nach 18 Jahren noch von 21 % vor.

    Es zeigte sich kein Zusammenhang zwischen dem Geburtsmodus und dem sexuellen Wohlbefinden sowie der Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs nach 33 Monaten. Jedoch hatten Frauen elf Jahre nach einem Kaiserschnitt häufiger Schmerzen beim vaginalen Geschlechtsverkehr als nach einer normalen Geburt.

    Die Autor:innen hinterfragen die Ursache der häufigeren Dyspareunie elf Jahre nach einer Sectio im Vergleich zur Spontangeburt. Sie vermuten, dass Vernarbungen des Uterus eine Ursache sein könnten. Sie stellen zudem in den Raum, dass der Grund für die Entscheidung zu einer Sectio in einer präexistenten Dyspareunie bereits vor der Geburt liegen könnte. Ihre weitere Hypothese ist, dass vorausgehende traumatische Geburtserlebnisse bei mehrgebärenden Frauen zur Entscheidung einer Sectio beigetragen haben könnten, was wiederum eine spätere Dyspareunie begünstigen könnte.

    Die Autor:innen schlussfolgern, dass der Geburtsmodus keine Auswirkungen auf das sexuelle Erleben oder die Häufigkeit sexueller Begegnungen im Wochenbett hat. Jedoch kann die Sectio möglicherweise nicht, wie bislang angenommen, vor langfristigen sexuellen Funktionsstörungen schützen. Möglicherweise besteht ein langfristiger Zusammenhang zwischen dem Geburtsmodus Sectio und dem Auftreten einer Dyspareunie, der weiter erforscht werden sollte.

    Quelle: Martin, F. Z., Madley-Dowd, P., Ahlqvist, V. H., Jonsson-Bachmann, E., Fraser, A. & Forbes, H. (2022). Mode of delivery and maternal sexual wellbeing: A longitudinal study. BJOG, 129, 2010-2018. DOI: https://doi.org/10.1111/1471-0528.17262 ∙ DHZ

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 01.11.2022