Sexuelles Fehlverhalten durch Gesundheitsfachkräfte

Studie offenbart hohe Prävalenz

  • Starke Hierarchien und von Intimität geprägte Beziehungen begünstigen sexuelle Grenzverletzungen.

  • Grenzüberschreitungen und sexuelle Übergriffe durch Angehörige der Heilberufe gegenüber Patient:innen sind auch in Deutschland ein Problem. In einer Beobachtungsstudie berichteten bis zu 4,5 % der 2.503 Befragten über professionelles sexuelles Fehlverhalten (PSM). 56 (4,5 %) der Teilnehmerinnen und 17 (1,4 %) der Teilnehmer haben eigenen Angaben zufolge bereits Erfahrungen mit PSM durch medizinische Fachkräfte gemacht. Über sexuelle Kontakte berichteten 28 weibliche und 10 männliche Teilnehmer. Ein Drittel der sexuellen Kontakte betraf Jugendliche vor ihrem 18. Lebensjahr. Ebenfalls ein Drittel gab an, dass die sexuellen Übergriffe gegen ihren Willen stattfanden.

    40 (3,2 %) weibliche und 8 (0,6 %) männliche Teilnehmer berichteten über unnötige körperliche Untersuchungen, 31 weibliche und 7 männliche Teilnehmer fühlten sich sexuell belästigt. Die Mehrzahl der sexuellen Übergriffe fand im ambulanten Bereich statt.

    Als Täter von PSM nannten die Befragten meist Ärzte: 13 (36 %) berichteten über sexuelle Kontakte mit Ärzten, 14 über sexuelle Belästigung, 27 (60 %) über unnötige körperliche Untersuchungen. Krankenpflegekräfte nannten 8 (22 %) der Betroffenen als Täter und 7 (19 %) Psychotherapeuten. Die Rücklaufquote der 5.668 angefragten Haushalte lag unter 50 %.

    Starke Hierarchien und von Intimität geprägte Beziehungen, wie in der Arzt-Patienten-Beziehung begünstigen sexuelle Grenzverletzungen. Die Ausnutzung von Machtgefällen wird jedoch oft nicht als solche verstanden – vor allem von der Person, die die Machtposition innehat. Gleichzeitig würde die Verletzlichkeit des anderen oft als freiwilliges Handeln missverstanden, erläutern Autor:innen aus Canada in einer Studie aus dem Jahr 2020.

    Die Autor:innen der aktuellen Studie sprechen sich für mehr Präventionsmaßnahmen zur Sensibilisierung für PSM aus. Konzepte zum Schutz von Patienten seien erforderlich.

    Quelle: Clemens V et al.: #patientstoo – Professional sexual misconduct by healthcare professionals towards patients: a representative study. Epidemiol Psychiatr Sci 2021. 30: e50. doi: 10.1017/S2045796021000378. www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8220485/ ∙ aerzteblatt.de, 31.8.2021 ∙ DHZ

     

    Rubrik: Beruf und Praxis

    Erscheinungsdatum: 02.09.2021