Schwedens Covid-19-Sonderweg

Begrenzte Kapazitäten in der schwedischen Geburtshilfe

Die geburtshilfliche Situation in Schweden ist seit Jahren angespannt, weil relevante kritische geburtshilfliche Parameter über dem OECD-Durchschnitt liegen. Zwischen den Jahren 2000 bis 2019 wurden neun geburtshilfliche Kliniken geschlossen, wovon auch die spärlich besiedelten nördlichen Regionen in Schweden betroffen waren. Obwohl zeitweise die Versorgung während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett verbessert wurde, kam es zu Personalengpässen und erneuten Verschlechterungen der mütterlichen Versorgung während der Covid-19-Pandemie.

So wurden im Jahr 2020 in Stockholm 28.362 Geburten verzeichnet. Bei diesen wurden 80 Frauen in eine andere Region weiter verwiesen und für 929 Gebärende stand kein geeignetes Bett zum Gebären zur Verfügung. Gebärende brachten in diesen Fällen ihre Kinder in Räumlichkeiten zur Welt, die zum Teil negative Auswirkungen auf die Patientensicherheit hatten, da geeignetes Equipment fehlte. Eine Gebärende wurde nach Hause geschickt und brachte Ihr Kind in ihrer eigenen Dusche zur Welt, ein anderes Kind starb im Zusammenhang mit einem fehlenden Gebärbett.

Eine Gebärende berichtete von einer Geburt, die 40 Stunden dauerte, und einem Notkaiserschnitt mit signifikantem Blutverlust. Sie beschrieb ihre Zeit des frühen Wochenbetts mit dem Gefühl, sich wie in einem Gefängnis eingesperrt zu fühlen: »Das Personal war so beschäftigt, dass ich 20 bis 30 Minuten warten musste, bis jemand kam. Es war mir nicht gestattet, das Zimmer zu verlassen.« Sie ergänzte: »Aufgrund der Covid-19-Pandemie kam keine Hebamme zur Nachsorge zu mir, sondern es erfolgte eine telefonische Beratung durch eine Hebamme, die ich zuvor noch nie gesehen hatte.«

Neben Sorgen um die physische Gesundheit äußerten Frauen auch Sorge um ihre seelische Gesundheit, die aus ihrer Sicht nicht beachtet wurde. So äußerte eine Mutter aus Stockholm ihren Frust nach der Diagnose eines hohen postpartalen Depressionswertes: »Ich bin sehr enttäuscht von der mütterlichen Betreuung in Schweden und kenne andere Frauen, die im Jahr 2020 geboren haben und das gleiche empfinden. Die Betreuung des Kindes war fantastisch, jedoch fühle ich mich als Mutter vergessen und übergangen.« Sie führt die Ignoranz ihrer mütterlichen Bedürfnisse auf geänderte Rahmenbedingungen der Betreuung aufgrund der Pandemie zurück, die beispielsweise damit einhergeht, dass sie nicht von ihrem Partner begleitet werden konnte.

Eine andere Frau berichtet, dass die Pandemie direkten Einfluss auf ihre Geburt hatte: »Ich wurde von vielen verschiedenen Hebammen und ÄrztInnen betreut. Dabei war auffallend, dass häufig der Satz fiel: ›Ich arbeite eigentlich nicht hier im Krankenhaus, daher weiß ich gar nicht, wie die Abläufe eigentlich sind.‹ Zudem bestand ein großes Problem bezüglich der Informationsweitergabe im Team. Als ich letztendlich in der aktiven Phase der Geburt war und meine PDA nicht richtig saß, kam aufgrund des Personalmangels kein Anästhesist zu mir und ich hatte für 15 Stunden keine adäquate Schmerzlinderung.«

Eltern berichteten zudem von erhöhtem Stress aufgrund der Vorgaben, alleine zu Vorsorgeuntersuchungen gehen zu müssen. Der Partner konnte nur virtuell teilnehmen.

Fazit: Frauen und Paare in Schweden scheinen derzeit aufgrund der Covid-19-Situation eine sehr eingeschränkte bis mangelhafte Versorgung zu erleben.

Quelle: Edwards C: »Fantastic childcare, but disappointing maternal care« : How Covid-19 has stretched Sweden’s maternity wards. The Local. 17.5.2021. https://www.thelocal.se/20210517/maternity-care-problems-stockholm/?utm_source=dlvr.it&utm_medium=facebook&fbclid=IwAR0vUwI0kP2 ∙ DHZ

 

Rubrik: Geburt

Erscheinungsdatum: 19.05.2021