Weibliche Genitalverstümmelung

Bundesfamilienministerium erhebt Zahlen zu Betroffenen

  • Bei der Vorstellung der neuen Zahlen hat Bundesfamilienministerin Giffey von Fadumo Korn, der 1. Vorsitzenden von NALA - Bildung statt Beschneidung e.V., die Petition "Genitalverstümmelung in Deutschland bekämpfen" entgegengenommen.

  • In Deutschland leben nach Angaben von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) rund 68.000 Frauen und Mädchen, die von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen sind. Giffey legte am 25.6.2020 in Berlin Zahlen vor, die im Auftrag ihres Ministeriums erhoben wurden. Demnach hat sich die Anzahl der Betroffenen hierzulande in den vergangenen Jahren aufgrund von Zuwanderung deutlich erhöht. Im Vergleich zu den im Februar 2017 vom Bundesfamilienministerium veröffentlichten Zahlen beträgt der Anstieg 44 %.  Die meisten stammten aus Eritrea, Somalia, Indonesien, Ägypten und Nigeria.

    Das Familienministerium schätzt, dass daneben zwischen 2.810 und 14.880 Mädchen in Deutschland von weiblicher Genitalverstümmelung bedroht sind – darunter Mädchen, die auch in zweiter Generation hier leben. Im Vergleich zu 2017 ist das ein Anstieg um bis zu 162 %. Die Erhebung wurde den Angaben zufolge im Auftrag des Ministeriums nach einer von dem Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen entwickelten Methodik erstellt. Die beiden sich stark unterscheidenden Zahlen liegen darin begründet, dass zwei verschiedene Szenarien berechnet wurden: Im Minimalszenario wird davon ausgegangen, dass in der zweiten Generation keine weiblichen Genitalverstümmelungen mehr durchgeführt werden. Beim Maximalszenario wurde angenommen, dass auch in der zweiten Generation weibliche Genitalverstümmelungen durchgeführt werden.

    "Weibliche Genitalverstümmelung ist eine schwere Menschenrechtsverletzung und eine archaische Straftat, die Mädchen und Frauen in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung verletzt. Sie hat lebenslange physische und psychische Folgen für die Betroffenen. Unser Ziel im Bundesfamilienministerium ist es, dass keine weiblichen Genitalverstümmelungen mehr in Deutschland stattfinden. Wir wollen Mädchen und junge Frauen davor schützen und ihnen Hilfe anbieten. Dabei ist es essentiell, dass Hebammen Wissen und Kenntnisse über weibliche Genitalverstümmelung besitzen. Nur so können sie die Betroffenen angemessen begleiten und unterstützen.", so Giffey.

    Unterstützung für Betroffene könnten etwa Hebammen leisten. Ein großer Erfolg sei deshalb die Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen, die zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist. Sie berücksichtigt erstmalig die besonderen Belange von Frauen, die von einer weiblichen Genitalverstümmelung betroffen sind.

    Zudem verwies Giffey auf das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, das rund um die Uhr auch mit mehrsprachigen AnsprechpartnerInnen erreichbar ist. Die Vorlage der Zahlen nutzte sie auch, um auf die Rechtslage in Deutschland hinzuweisen. In Deutschland ist Genitalverstümmelung strafbar. TäterInnen könnten auch belangt werden, wenn die Tat im Ausland stattgefunden habe.

    Die frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Nicole Bauer, sagte am Donnerstag, die Bundesregierung tue aktuell nicht genug, um betroffene Mädchen und Frauen zu schützen. „Es muss endlich mehr Aufklärung zu diesem Thema geben, auch als Teil der Integrationskurse, und wirksame Gesetze.“ Für Betroffene brauche es zudem ein Register von spezialisierten Ärzten, deren Expertise etwa bei Geburten zu Rate gezogen werden könne.

    Quelle: dpa, BMFSFJ, 25.6.2020 · DHZ

    Rubrik: Politik & Gesellschaft

    Erscheinungsdatum: 26.06.2020