Dammnaht als Hebammenkompetenz?
In Australien werden die meisten Geburten von Hebammen begleitet. Für das Jahr 2019 traten bei geschätzten 90 % aller erstgebärenden Frauen nach einer vaginalen Geburt Verletzungen des Dammgewebes auf. In diesem Fall ist die begleitende Hebamme prädestiniert, diese auch zu versorgen. Allerdings werden in Australien sehr unterschiedliche Praktiken angewendet, wie ein verletzter Damm nach einer Geburt versorgt wird. Und oftmals haben Hebammen dies gar nicht in ihrem Repertoire der Versorgung.
Was wissen australische Hebammen zur Dammnaht?
Das Ziel einer kürzlich durchgeführten Querschnittsstudie bestand darin, Daten zu den praktischen Fähigkeiten und dem theoretischen Wissen australischer Hebammen zur Versorgung von Dammverletzungen nach der Geburt zu erheben und zu evaluieren. Hierzu wurde eine Online-Befragung unter 375 australischen Hebammen zwischen April und Mai 2023 durchgeführt.
Unter den befragten Hebammen gaben mehr Hebammen an, Geburtsverletzungen selbstständig zu versorgen (n=197), als diese nicht zu versorgen (n=178). Unter den Hebammen der Nahtgruppe gab der Großteil (92 %, n=129) an, diese praktische Fähigkeit von Kolleg:innen erlernt zu haben. Lediglich elf Hebammen lernten von Ärzt:innen.
Die durchschnittliche Kursdauer zum Erlernen der Kompetenz der selbstständigen Versorgung von Geburtsverletzungen betrug 8 Stunden und umfasste die Versorgung von durchschnittlich 5,9 Dammverletzungen. Eine Hebamme teilte die Erfahrung, dass der Lernprozess in der Praxis Geduld mit sich selbst erfordere und sie im Verlauf der Zeit an Selbstbewusstsein gewonnen hätte: »Es ist schwer, damit zu beginnen, aber sobald ich angefangen hatte, erlebte ich, dass ich eine gute Arbeit leistete. Damit wuchs mein Selbstvertrauen und ich wurde schneller.«
Kontinuität der Versorgung
Die Hauptmotivation für Hebammen der Nahtgruppe war es, die Kontinuität der Versorgung zu gewährleisten. Die fortlaufende Naht in verschiedenen Schichten war die am häufigsten angewandte Technik der Versorgung. Diese wurde in den meisten Fällen mit einem chirurgischen Knoten in der Vagina abgeschlossen.
Bei Labienrissen variierten die verwendeten Nahttechniken und lediglich 12,9 % der befragten Hebammen gaben an, einen Labienriss routinemäßig zu versorgen. Die meisten nähenden Hebammen untersuchten zum Abschluss der Naht rektal und führten ein routinemäßiges Schmerzmanagement durch. Dieses umfasste häufig die rektale Gabe von Paracetamol oder nicht-steroidalen Analgetika.
Kompetenz wird nicht ausreichend weitergegeben
Hauptgründe für eine Entscheidung gegen die Versorgung von Geburtsverletzungen waren neben einer hohe Arbeitsbelastung zu wenige Hebammenkolleginnen, die bereit waren, ihr Wissen weiterzugeben. 80 % der Hebammen dieser Gruppe (n=105) gaben an, dass sie die Kompetenz der Versorgung von Geburtsverletzungen jedoch erlernen würden, gäbe es Unterstützung und die Möglichkeit dazu.
Eine befragte Hebamme beschreibt die Situation: »Aus meiner Sicht zählt die Versorgung von Geburtsverletzungen in Australien derzeit nicht zum Alltagsgeschäft einer Hebamme. Nachdem eine Hebamme qualifiziert ist, kommt es auf ihre innere Haltung an. Darauf, wie sie sich selbst entscheidet weiter zu lernen, nachdem sie während ihres Studiums mit verschiedenen Möglichkeiten im Umgang mit Geburtsverletzungen konfrontiert wurde.«
Resümee
Die Autor:innen resümieren aus ihren Ergebnissen, dass Hebammen in Australien die Versorgung von Geburtsverletzungen als praktische Fertigkeit betrachten, die zur Kontinuität der Versorgung Gebärender unter der Geburt beitragen kann. Jedoch existieren umfassende Hürden, um diese praktische Fähigkeit zu erlernen und in größerem Maß in der Praxis anzuwenden. Sie empfehlen, die Versorgung von Geburtsverletzungen als fundamentale Hebammenfertigkeit stärker zu priorisieren und das Erlernen und Umsetzen zu fördern.
Quelle: Lee, N., Hawley, G., Morris, J., & Kearney, L. (2023). Perineal repair performed by midwives in Australia: A cross-sectional survey study of education and practice. Women and birth : journal of the Australian College of Midwives, S1871-5192(23)00248-2. Advance online publication. https://doi.org/10.1016/j.wombi.2023.08.001 ∙ Beate Ramsayer/DHZ