Eine Präeklampsie mittels KI vorhersagen?
Mithilfe von Machine-Learning haben Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin ein Modell entwickelt, das das Komplikationsrisiko bei einer Präeklampsie deutlich besser vorhersagen kann als bisher übliche klinische Parameter. Das Messen des Blutdrucks und des Eiweißes im Urin reiche nicht aus, um genauere Vorhersagen zu treffen, ist Stefan Verlohren, Oberarzt an der Klinik für Geburtsmedizin am Charité Campus Mitte und Mitautor der Studie, überzeugt. »Und obwohl wir heute neue Biomarker eingeführt haben, wie sFlt-1 und PIGF, wollten wir der Hypothese nachgehen, ob wir mit Machine-Learning-Algorithmen nicht mehrere Testergebnisse gemeinsam auswerten und damit besser vorhersagen können, wer in Gefahr ist und wer nicht.«
Zunächst trug das Team um Verlohren reelle Behandlungsdaten von 1.647 Präeklampsie-Hochrisiko-Patientinnen der Klinik aus den Jahren 2010 bis 2019 in einer Datenbank zusammen. Anschließend wurden die Algorithmen mit den klinischen Datensätzen trainiert und die Vorhersagegenauigkeit der künstlichen Intelligenz (KI) mit der bisher üblichen Vorhersage aufgrund klinischer Parameter verglichen. In die Auswertung wurden 114 Werte einbezogen.
Die Sensitivität eines klinischen Tests bezieht sich auf die Fähigkeit des Tests, die Patient:innen mit einer Krankheit korrekt zu identifizieren (richtig-positiv). Die Spezifität eines klinischen Tests gibt dagegen die Fähigkeit des Tests an, die Patient:innen ohne die Krankheit korrekt zu identifizieren (richtig-negativ). Der prädiktive Vorhersagewert (PV) trifft im Gegensatz dazu eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit, dass ein Patient oder Patientin bei positivem Testergebnis auch wirklich krank ist und bei negativem Ergebnis gesund. Dafür wird die Prävalenz der Erkrankung hinzugezogen, die abhängig vom Alter oder anderen Faktoren schwanken kann. Diese zusätzliche Variable führt bei diagnostischen Tests zu stark abweichenden Risikowerten.
Zwei unterschiedliche maschinelle Lernmodelle konnten dabei vergleichbar gute Ergebnisse erzielen: Mit dem Gradient-Boosted Tree (GBTree) erzielten die Forchenden einen positiv prädiktiven Wert (PPV) von 88 % ± 6 % und einen negativen PV von 89 % ± 3 %. Die Sensitivität lag bei 66 % ± 5 %, die Spezifität bei 97 % ± 2 %. Der Random-Forest-Klassifikator (RF) lieferte einen gleichwertigen PPV (88 % ± 6 %) und eine gleichwertige Spezifität (97 % ± 1 %), während er bei den anderen Werten leicht unterlegen war.
»Unsere Algorithmen waren den bisherigen Vorhersagen auf der Grundlage von Blutdruck, Proteinurie und sFlt-1/PIGF-Quotient deutlich überlegen. Insbesondere war der positive Vorhersagewert – also dass eine Komplikation tatsächlich auftreten wird – doppelt so häufig zutreffend«, fasste Leon Schmidt, Doktorand in Verlohrens Arbeitsgruppe, die Ergebnisse zusammen.
Die KI könne den Arzt oder die Ärztin nicht ersetzen, ist der Mediziner Verlohren überzeugt. »Aber wenn sie darüber entscheiden müssen, wie sie eine Patientin mit Präeklampsie weiter behandeln sollen, hilft es sicher, dies auf einer besseren Grundlage zu tun. Damit könnten potenziell lebensbedrohliche Komplikationen für Mutter und Kind vermieden werden.«
Quelle: Verlohren S et al.: A machine-learning based algorithm improves prediction of preeclampsia-associated adverse outcomes. AJOG 2022. doi: https://doi.org/10.1016/j.ajog.2022.01.026 ∙ aerzteblatt.de, 22.2.2022 ∙ DHZ