Studie in Lancet

Elektiver Kaiserschnitt könnte Leukämie-Risiko erhöhen

  • Ein elektiver Kaiserschnitt vor Einsetzen der Wehen könnte ein höheres kindliches Risiko mit sich bringen, an einer akuten lymphatischen Leukämie zu erkranken.

  • Kinder, die ohne Not per Kaiserschnitt geboren werden, haben einer Studie in Lancet Haematology zufolge ein erhöhtes Risiko, später an einer akuten lymphatischen Leukämie (ALL) zu erkranken. Die Ursachen der häufigsten Blutkrebsform im Kindesalter, liegen weitgehend im Dunkeln. Es werden neben genetischen auch Umwelteinflüsse diskutiert.

    Zu diesen könnten auch Infektionen gehören, die nach früheren Studien das Infektionsrisiko mindern. Die ALL tritt in den ersten fünf Lebensjahren auf, in denen Kinder viele Infektionen durchmachen und die deshalb auch als Lehrjahre des Immunsystems gelten. Sie wird in reicheren Ländern deutlich häufiger diagnostiziert als in ärmeren und ihre Inzidenz hat parallel zur wirtschaftlichen Entwicklung seit den 1970er zugenommen.

    Die Vermutung besteht, dass der mit Infektionen verbundene Stress und die dadurch ausgelöste Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse Kinder vor einer ALL schützen könnte. So ist bekannt,  dass Glukokortikoide zu den wirksamsten Mitteln bei dieser Erkrankung zählen.

    Jetzt fügen Erin Marcotte von der Universität von Minnesota in Minneapolis und Mitarbeiter der Hypothese einen weiteren Aspekt hinzu. Die Forscher haben die Daten von 8.780 Kindern, die an einer ALL erkrankt sind, mit 23.459 Kontrolldaten verglichen. Grundlage waren die Daten des Childhood Leukemia International Consortium, die bereits zuvor in 13 Fall-Kontroll-Studien aus neun Ländern (darunter Deutschland) eingeflossen waren. Marcotte interessierte sich für eine Assoziation mit dem Kaiserschnitt, da diese einen nachweisbaren Einfluss auf die Zusammensetzung der Darmflora hat. Den Kindern fehlen die „Starter“-Bakterien, die bei der vaginalen Geburt nach oraler Aufnahme in den ersten Wochen den Darm besiedeln. 

    Tatsächlich erkrankten Kinder, die per Kaiserschnitt geboren wurden, zu sechs Prozent häufiger an einer ALL. Die Odds Ratio (OR) von 1,06 war bei einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,99 bis 1,13 jedoch statistisch nicht signifikant. Dies änderte sich, als Marcotte und sein Team die Analyse auf Kinder beschränkte, die vor Eintreten der Wehen per Kaiserschnitt entbunden wurden, also im Fall einer elektiven Sectio.

    Die elektiven Sectiones waren mit einem um 23 Prozent erhöhten Risiko auf eine spätere Leukämie des Kindes assoziiert. Die Odds Rate von 1,23 war mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 1,04-1,47 signifikant, was einen Zufall als Ursache ausschließt. Ein Kaiserschnitt, der nach Einsetzen der Wehen durchgeführt wurde, war dagegen nicht mit einer erhöhten Erkrankungsrate assoziiert.

    Selbst wenn die Assoziation kausal sein sollte, sollten sich Frauen, die ihr Kind per Kaiserschnitt zur Welt bringen, keine großen Sorgen machen. Die ALL ist insgesamt sehr selten und das absolute Risiko, dass das Kind später an einer ALL erkrankt, sehr gering - und für den Fall einer Erkrankung wären die Überlebenschancen bei dieser Leukämie-Form heute sehr gut.

     

    (Marcotte, EL et al.: Caesarean delivery and risk of childhood leukaemia: a pooled analysis from the Childhood Leukemia International Consortium (CLIC). The Lancet Haematology 2016. DOI: http://dx.doi.org/10.1016/S2352-3026(16)00002-8/aerzteblatt.de, 1.3.2016)

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 02.03.2016