Mutterschutz nach Totgeburt

Frauen scheitern (zunächst) mit Klage

  • Vier Frauen, die zwischen der 12. und 24. Schwangerschaftswoche Fehlgeburten erlitten, sind mit ihren Verfassungsbeschwerden auf Gewährung von Mutterschutz gescheitert, könnten aber auf einem anderen Rechtsweg Erfolg haben.

  • Vier Frauen sind mit ihren Verfassungsbeschwerden auf Gewährung von Mutterschutz gescheitert. Sie hatten zwischen der 12. und 24. Schwangerschaftswoche Fehlgeburten erlitten und wollten Mutterschutz und Mutterschaftsgeld erhalten. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Beschwerden nicht zur Entscheidung an.

    Wie das Gericht Ende September mitteilte, hätten die Frauen zuerst bei den Krankenkassen, bei den jeweils zuständigen Sozialgerichten oder Arbeitsgerichten Klage einreichen müssen, um ihren etwaigen Anspruch auf Mutterschutz zu prüfen. Auch seien entsprechende Fristen für eine Verfassungsbeschwerde abgelaufen.

     

    »Wink mit dem Zaunpfahl«

     

    Zugleich deuteten die Verfassungsrichter an, dass eine entsprechende Klage bei den Fachgerichten eventuell Erfolg haben könnte. Ein Anwalt der Klägerinnen wertete die Entscheidung des Verfassungsgerichts als »Wink mit dem Zaunpfahl«, neue gesetzliche Regelungen für einen gestaffelten Mutterschutz auch nach Fehlgeburten zu schaffen. »Seit Jahrzehnten gehen Arbeitgeber in Deutschland davon aus, dass sie keinen Mutterschutz gewähren müssen, wenn Frauen eine Fehlgeburt vor der 24. Schwangerschaftswoche erleiden. Das Bundesverfassungsgericht hat heute klargestellt, dass es keine rechtliche Sicherheit für diese Annahme gibt«, sagte Remo Klinger.

    Mutterschutz bedeutet, dass Mütter in der Regel sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt nicht beschäftigt werden dürfen. Angestellte erhalten als finanziellen Ausgleich von den Krankenkassen Mutterschaftsgeld, Beamtinnen erhalten ihr Gehalt weiter. Die vier klagenden Frauen argumentierten nun, auch ihre Fehlgeburten vor der 24. Schwangerschaftswoche seien als Geburt im Sinne des Mutterschutzgesetzes zu werten.

    Das Bundesverfassungsgericht ging nicht im Detail auf diese Argumente ein, deutete aber an, dass der Begriff der »Entbindung« im Mutterschutzgesetz nicht klar geregelt sei und daher von den Fachgerichten im Blick auf Tot- oder Fehlgeburten eventuell neu interpretiert werden könnte.

    Es sei nicht ausgeschlossen, dass »die Gerichte bei Auslegung der mutterschutzrechtlichen Bestimmungen unter Berücksichtigung der Interessenlage eine ›Entbindung‹ auch im Falle einer Fehlgeburt annehmen«, heißt es in der Entscheidung der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts.

    Die Verfassungsrichter verwiesen auch auf das 2018 festgeschriebene mutterschutzrechtliche Kündigungsverbot bei Fehlgeburten. Im damaligen Gesetzgebungsverfahren sei kritisiert worden, dass die bisherige rechtliche Definition von Entbindung aus medizinischer Sicht und nach Intention des Mutterschutzgesetzes nicht mehr sachgerecht sei.

     

    Rechtssicherheit schaffen

     

    Eine der Klägerinnen forderte, nach der Karlsruher Entscheidung müsse der Gesetzgeber nun schnell Rechtssicherheit schaffen. »Wir brauchen keine Klageflut, sondern einen gestaffelten Mutterschutz, der zu mehr Gerechtigkeit führt und dessen schnelle Umsetzung nun noch wichtiger und dringender ist«, sagte Natascha Sagorski in Berlin.

    Laut den Klägerinnen berät die Bundesregierung derzeit über entsprechende Neuregelungen für Mutterschutz. Eine entsprechende Initiative habe sich aber immer wieder verzögert.

    In bisherigen Gerichtsentscheidungen war als Grenze für eine Entbindung im rechtlichen Sinne eine Geburt nach der 24. Schwangerschaftswoche oder ein Gewicht des lebend- oder totgeborenen Kindes von mindestens 500 Gramm angenommen worden.

    Quelle: aerzteblatt.de, Mittwoch, 25.9.2024 ∙ DHZ

    Rubrik: Recht

    Erscheinungsdatum: 26.09.2024