Italienische Studie zu Interventionen bei Frühgeborenen

Sprechen der Mutter reduziert Schmerzen

  • Sprechen Mütter während einer Intervention mit ihrem frühgeborenen Kind, zeigen diese signifikant weniger Schmerzen – das Singen der Mutter hat dagegen keinen Einfluss.

  • Weltweit werden jährlich ungefähr 15 Mio. Frühgeborene geboren. Sie erleben oft eine frühe Trennung von den Eltern und werden häufigen klinischen Eingriffen ausgesetzt, die kurz- und langfristige Auswirkungen auf die neurologische Entwicklung des Kindes haben können. Immer wieder beschäftigt dabei die Frage, welche Aspekte eine Rolle spielen, damit Frühgeborene so wenig Schmerzen wie möglich erleben. Eine wichtige Rolle scheint dabei der Anwesenheit der Mutter und der endogenen kindlichen Ausschüttung des Hormons Oxytocin zuzukommen.

    Hierzu wurde eine Studie unter 20 Frühgeborenen auf einer Neugeborenen-Intensivstation in Italien (Aosta) durchgeführt, in der untersucht wurde, welchen Einfluss die mütterliche Stimme auf das Schmerzempfinden des Neugeborenen hat. Zwischen Januar 2018 und April 2019 wurden 20 Frühgeborene in die Studie eingeschlossen, die folgende Einschlusskriterien erfüllten: Alter >29 Wochen, Gewicht >1.000 g sowie ein stabiler Gesundheitszustand. Bei der Entlassungsuntersuchung war der Hörtest unauffällig.  

    Jedes Kind wurde in den ersten Lebenstagen drei Situationen ausgesetzt, deren Reihenfolge bei jedem Kind unterschiedlich nach einer Randomisierung festgelegt wurde.  Die Situationen waren drei schmerzhafte klinische Eingriffe, wie beispielsweise eine Blutentnahme an der kindlichen Ferse, die entweder mit begleitendem Sprechen der Mutter, Singen der Mutter oder still durchgeführt wurden. Erfolgte eine Intervention der Mutter wurde sie gebeten, mit Ihrem Kind zu sprechen oder ihm vorzusingen, nah an es heranzugehen, es jedoch nicht zu berühren. Während der Kontrollsituation (ohne die anwesende Mutter) lag das Kind in Rückenlage im Inkubator in einem Nest und wurde dort behandelt.

    Die Intervention begann fünf Minuten vor dem schmerzhaften Eingriff und wurde anschließend noch fünf Minuten weiter fortgesetzt. Erhoben wurden während der Situationen die kindliche Herzfrequenz, die Atemfrequenz und die Sauerstoffsättigung. Eine Videodokumentation erfolgte. Ausgewertet wurden anschließend der kindliche Oxytocin-Level sowie der Grad der kindlichen Schmerzempfindung (Premature Infant Pain Profile/PIPP).

    Die Auswertung der Daten zeigte, dass die Schmerzempfindung signifikant geringer war, wenn das Frühgeborene die mütterliche Stimme während einer schmerzhaften Prozedur hörte. Das Singen der Mutter hingegen hatte keinen signifikanten Einfluss auf das Empfinden von Schmerz. Der Level an kindlichem Oxytocin stieg signifikant in Zusammenhang zum Hören der mütterlichen Stimme, und ein wenig in Zusammenhang mit dem Singen der Mutter an.

    Die Autor:innen geben zu bedenken, dass größte Achtsamkeit im Umgang mit Frühgeborenen und  gegenüber deren Schmerzempfindungen bei der Durchführung schmerzhafter Prozeduren erfolgen sollte. Sie sehen im bewussten Einsatz der mütterlichen Stimme einen vielversprechenden Ansatz der Schmerzlinderung, der weiter erforscht werden sollte. Zudem schlussfolgern sie aus ihren Ergebnissen, dass dem Oxytocin-Level bei Frühgeborenen eine wichtige Rolle zukommt, der Auskunft darüber gibt, wie die Schmerzverarbeitung erfolgt. Auch dies sollte Gegenstand weiterer Forschung sein.
    Quelle: Filippa et al.: Maternal speech decreases pain scores and increases oxytocin levels in preterm infants during painful procedures. Sci Rep 2021. 11, 17301. Doi: 10.1038/s41598-021-96840-4 ∙ DHZ

    Rubrik: 1. Lebensjahr

    Erscheinungsdatum: 01.09.2021