Retrospektive Kohortenstudie aus Brasilien

Gewichtszunahme bei IVF klinisch nicht relevant

  • Frauen nehmen nach einer Reproduktionsbehandlung 600 g mehr zu, wenn mehr als 20 Eizellen gebildet wurden. Diese Zunahme wird im Verhältnis zum Nutzen als klinisch irrelevant eingestuft.

  • Der Erfolg einer assistierten Reproduktionsbehandlung, beispielsweise einer In-Vitro-Fertilisation (IVF), steht in Zusammenhang mit der Anzahl gebildeter primärer Eizellen, die anschließend befruchtet werden können. Das Ziel besteht darin, die Bildung möglichst vieler primärer Eizellen zu stimulieren. Um dies zu erreichen, sind häufig hohe Gonadotropin-Gaben erforderlich. Dies wiederum führt bei der Mehrzahl der Frauen zu Sorgen und einhergehenden Nebenwirkungen. Eine häufige Frage umfasst dabei den Aspekt der mütterlichen Gewichtszunahme als Konsequenz aus der erhöhten Zufuhr von Gonadotropinen.

    Das Ziel einer retrospektiven Kohortenstudie lag darin, die mütterliche Gewichtszunahme im Zusammenhang zur Anzahl gebildeter primärer Eizellen sowie dem mütterlichen Angstempfinden oder Essstörungen zu evaluieren. Eingeschlossen wurden 734 Frauen, die zwischen Januar 2017 und Mai 2018 eine IVF an einer privaten Kinderwunschklinik in Brasilien begannen. Die Dosierung der Hormone wurde individuell für jede Frau bestimmt und betrug zwischen 75 und 300 iU pro Tag. Das mütterliche Gewicht wurde als Basalgewicht am Tag des Beginns der hormonellen Stimulation, am hCG-Triggertag (hCG-Gewicht) sowie am Tag des Embryotransfers (ET-Gewicht) gemessen. Die Gewichtszunahme wurde berechnet, indem das hCG-Gewicht vom Basal-Gewicht abgezogen wurde. Bei 362 Frauen lag das ET-Gewicht nicht vor, da keine Embryonen für den Transfer vorhanden waren.

    358 Frauen nahmen zusätzlich an einer freiwilligen fragebogenbasierten Umfrage teil um das Ängstlichkeitslevel (Sate-trait anxiety inventory) sowie Essstörungen (Binge Eating Evaluation nach Gormally) zu evaluieren. Die errechnete Gewichtszunahme (hCG-Gewicht minus Basalgewicht) wurde in Zusammenhang mit den stimulierten primären Eizellen sowie den Ergebnissen der fragebogenbasierten Umfragen gesetzt.

    Die Ergebnisse zeigen, dass eine positive Korrelation zwischen der Gesichtszunahme der Frau sowie der Anzahl gebildeter primärer Eizellen besteht. Dieser ist unabhängig vom mütterlichen Alter, vom Body-Mass-Index der Frau sowie der Dosierung der medikamentösen Behandlung. Hierbei zeigten die Ergebnisse, dass die durchschnittliche mütterliche Gewichtszunahme ungefähr 600 g mehr betrug, wenn mehr als 20 primäre Eizellen gebildet wurden. Die Gewichtszunahme stand weder in statistischem Zusammenhang zu Ergebnissen des mütterlichen Ängstlichkeitslevels noch zu mütterlichen Essstörungen.

    Die Autor:innen schlussfolgern, dass eine höhere Gewichtszunahme mit einer höheren Anzahl gebildeter primärer Eizellen in Zusammenhang steht. Hierbei beschreibt die höhere Gewichtszunahme eine positive und gewünschte ovarielle Reaktion des Körpers auf die medikamentöse Stimulation. Diese Reaktion vergleichen sie mit dem ovariellen Hyperstimulationssyndroms, dessen bekannte Nebenwirkung eine Gewichtszunahme hauptsächlich aufgrund der Bildung von Ödemen ist. Die Autor:innen erachteten die durchschnittliche höhere Gewichtszunahme von ungefähr 600 g bei Frauen mit mehr als 20 gebildeten primären Eizellen als klinisch irrelevant, weil der Gewichtsunterschied aus ihrer Sicht als gering eingestuft werden könne, sich das Ergebnis jedoch verbessere und sich die Ödeme nach der Entnahme der primären Eizellen zurückbildeten.

    Tso LO et al.: Does the controlled ovarian stimulation increase the weight of women undergoing IVF treatment? Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2021. 263, 205–209. https://doi.org/10.1016/j.ejogrb.2021.06.029 ∙ DHZ

     

    Rubrik: Medizin & Wissenschaft

    Erscheinungsdatum: 13.07.2021