Deskriptive populationsbasierte Studie

Müttersterblichkeit: Große Unterschiede in Europa

  • Schaut man sich die Raten der Müttersterblichkeit in europäischen Ländern näher an, zeigen sich auffallende Unterschiede.

  • Eine Analyse der Müttersterblichkeit in Europa zeigt, dass jüngere und ältere Frauen sowie Angehörige ethnischer Minderheiten ein besonders hohes Risiko haben, nach einer Geburt zu versterben. Zudem gibt es weiterhin auffallende Unterschiede zwischen den Ländern: In der Slowakei und im Vereinigten Königreich liegt die Müttersterblichkeit bis zu viermal höher als in Norwegen und Dänemark.

    Die analysierten Daten stammen aus acht europäischen Ländern mit einer durchgehenden Überwachung der Müttersterblichkeit. Sie umfassen 297.835 Lebendgeburten in Dänemark (2013 bis 2017), 301.169 in Finnland (2008 bis 2012), 2.435.583 in Frankreich (2013 bis 2015), 1.281.986 in Italien (2013 bis 2015), 856.572 in den Niederlanden (2014 bis 2018), 292.315 in Norwegen (2014 bis 2018), 283.930 in der Slowakei (2014 bis 2018) und 2.261.090 im Vereinigten Königreich (2016 bis 2018).

    Erstautorin Caroline Diguisto von der National Perinatal Epidemiology Unit an der University of Oxford, UK, und ihre Kolleg:innen berichten, dass sich die Müttersterblichkeit in den reichen Nationen auf einem historischen Tief befinde. Aber dennoch gebe es herausstechende Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern: Die Raten der Müttersterblichkeit reichten von 2,7 und 3,4 pro 100.000 Lebendgeburten in Norwegen und Dänemark bis hin zu 9,6 und 10,9 im Vereinigten Königreich und der Slowakei. Am höchsten waren die altersspezifischen Sterblichkeitsraten bei den jüngsten und den ältesten Müttern. Das gepoolte relative Risiko betrug bei Müttern unter 20 Jahren 2,17 und bei Müttern von 35 bis 39 2,10, bei den Über-40-Jährigen lag es bei 3,95 – jeweils im Vergleich zu Müttern im Alter von 20 bis 29 Jahren.

    Mit Ausnahme von Norwegen waren die Raten der Müttersterblichkeit bei im Ausland geborenen Frauen sowie ethnischen Minderheiten um mindestens 50 % höher. Die Studie zeigte auch, dass die Bevölkerungsstatistiken die tatsächlichen Raten der Müttersterblichkeit in allen Ländern bis auf Dänemark um mindestens ein Drittel unterschätzten. Das deute darauf hin, dass sie keine geeignete Quelle für die Überwachung der Müttersterblichkeit in Ländern mit hohem Einkommen seien.

    In allen Ländern waren die häufigsten Todesursachen bei Müttern in den 48 Tagen nach der Geburt kardiovaskuläre Erkrankungen und Suizide. Einige andere Erkrankungen trugen in einzelnen Ländern ebenfalls stark zur Müttersterblichkeit bei: venöse Thrombembolien in UK und den Niederlanden, Hochdruckerkrankungen in den Niederlanden, Fruchtwasserembolien in Frankreich, Blutungen in Italien und Schlaganfall in der Slowakei. Nur in zwei Ländern – Frankreich und dem Vereinigten Königreich – existieren der Studie zufolge Strukturen zur Erfassung mütterlicher Todesfälle im gesamten ersten Jahr nach der Geburt.

    Die Ergebnisse zeigen auf, »wie wichtig die psychische und kardiovaskuläre Gesundheit von Frauen ist«, so die Autor:innen. »Es müssen Strategien für die Zeit vor, während und nach einer Schwangerschaft entwickelt werden, die die Morbidität und Mortalität, die diese Probleme verursachen können, reduzieren«.

    Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, lassen sich keine eindeutigen Schlüsse zu Ursache und Effekt ziehen. Dennoch haben Diguisto und ihre Kolleg:innen Vertrauen in ihre Daten: Die Unterschiede der Müttersterblichkeitsprofile zwischen den Ländern stehen »überhaupt nicht oder nur geringfügig mit den Variationen bei den Messungen [der Müttersterblichkeit] in Zusammenhang«, schreiben sie.

    Quelle: Diguisto C et al. (2022). Maternal mortality in eight European countries with enhanced surveillance systems: descriptive population based study. BMJ. doi: 10.1136/bmj-2022-070621 ∙ aerzteblatt.de, 18.11.2022 ∙ DHZ

    Rubrik: Medizin & Wissenschaft

    Erscheinungsdatum: 22.11.2022