Skandinavische Kohortenstudie

Hoher mütterlicher BMI und Essstörungen beeinflussen psychische Verfassung des Kindes

  • Maternale Essstörungen – sowohl aktuelle als auch anamnestische – sind mit der DNA-Methylierung im Nabelschnurblut der Feten in Verbindung gebracht worden.

  • Einer skandinavischen Studie zufolge erhöhen verschiedene mütterliche Essstörungen und ein extremer präkonzeptioneller Body Mass Index (BMI) das Risiko für psychiatrische Störungen bei ihren Nachkommen um das Zwei- bis Fünffache. Dazu zählen Störungen der neurologischen Entwicklung, Schlafstörungen oder das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS).

    Die Forschenden aus Finnland und Schweden zogen das nationale finnische Register aller Lebendgeburten zwischen 2004 und 2021 für die Kohortenstudie heran. Sie analysierten die Daten von 392.098 Müttern und 649.956 Kindern. Das Durchschnittsalter der teilnehmenden Mütter betrug 30,15 Jahre.

    Unter den Frauen hatten 6.273 (1,60 %) eine Vorgeschichte mit einer Essstörung wie Anorexia nervosa oder Bulimia nervosa. Fast 6 % der Mütter (n = 23.114 ) wiesen vor der Schwangerschaft ein Untergewicht (BMI < 18,5 kg/m²) und etwas mehr als die Hälfte (n = 208.335) ein Übergewicht (BMI 25–29,9 kg/m²) oder eine Adipositas (BMI > 30 kg/m²) auf. Von den Nachkommen waren in etwa die Hälfte (n = 332.359) männlich.

     

    Psychische Störungen bei Kindern

     

    Eine neurologische Entwicklungsstörung oder eine psychiatrische Diagnose hatten 16,43 % Kinder erhalten. Dazu gehörten unter anderem Stimmungsstörungen (3,02 %), Angststörungen (5,18 %), Schlafstörungen (0,58 %), geistige Behinderungen (0,87 %) und ADHS (4,96 %).

    Mütterliche Essstörungen waren am deutlichsten mit Schlafstörungen mit einer Hazard Ratio (HR) von 3,34 (95-%-Konfidenzintervall [KI] 2,39-4,67) und mit Störungen des sozialen Verhaltens sowie Tics mit einer HR von 2,79 (95-%-KI 2,21-3,52) bei den Kindern assoziiert. Eine schwere Adipositas der Mutter (ab einem BMI von 35 kg/m²) vor der Schwangerschaft ging am ausgeprägtesten mit intellektuellen Einschränkungen der Nachkommen mit einer HR von 2,04 (95-%-KI 1,83-2,28) einher.

    Komplikationen bei der Geburt erhöhten das Risiko, dass die Nachkommen Essstörungen in der Kindheit und im Säuglingsalter aufwiesen mit einer HR von 4,53 (95-%-KI 2,97-6,89). Lag eine mütterliche Anorexia nervosa vor, stieg das Risiko für eine ADHS sowie andere Verhaltensstörungen mit einer HR von 2,27 (95-%-KI 1,74-2,96) bei den Kindern an.

     

    Mechanismen: Ernährung und DNA

     

    Als bemerkenswert betrachteten es die Forschenden, dass die Ergebnisse für maternales Untergewicht und Anorexia nervosa nicht vergleichbar waren. Während mütterliches Anorexia nervosa mit Schlafstörungen der Nachkommen zusammenhing, traf dies für mütterliches Untergewicht nicht zu. Vielmehr war mütterliches Untergewicht mit geistigen Behinderungen der Kinder (HR 1,33; 95-%-KI 1,16-1,51) assoziiert, was für Anorexia nervosa nicht galt.

    Maternale Essstörungen – sowohl aktuelle als auch anamnestische – sind mit der DNA-Methylierung im Nabelschnurblut der Feten in Verbindung gebracht worden. Diese Assoziation könnte nach Einschätzung der Autorinnen Teil des Mechanismus sein, der hinter den beschriebenen Manifestationen steht. Andere mögliche Mechanismen könnten mit Mängeln der Ernährung infolge eingeschränkter Nahrungsaufnahme und spezifischer Diätpläne in Zusammenhang stehen, wie sie bei Menschen mit Essstörungen oft zu finden sind.

    Quelle: Nilsson, I. A. K., Ozsvar, J., Gissler, M., & Lavebratt, C. (2024). Maternal Eating Disorders, Body Mass Index, and Offspring Psychiatric Diagnoses. JAMA network open, 7(10), e2440517. https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2024.40517 · aerzteblatt.de, 6.11.24 · DHZ

     

    Rubrik: Medizin & Wissenschaft

    Erscheinungsdatum: 08.11.2024