Prospektive Kohortenstudie aus Italien

Immunisiert Stillen bei einer Infektion mit Sars-CoV-2 das Kind?

  • Stillen während einer Covid-Infektion könnte mit einer aktiven Immunisierung des Neugeborenen verglichen werden, die das Kind vor einer Infektion schützt.

  • Laut WHO kann eine Infektion des Neugeborenen mit Sars-CoV-2 über die Mutter vertikal oder horizontal stattfinden. Bei einer vertikalen Corona-Infektion infiziert sich das Kind während der Schwangerschaft oder der Geburt. Bei einer horizontalen Infektion erfolgt die Infektion während der frühen Postpartalzeit über eine Tröpfcheninfektion. Obwohl verschiedene Studien vorliegen, die die kurzzeitigen Auswirkungen einer mütterlichen Infektion mit dem Coronavirus auf Neugeborene untersuchen, fehlen Studien zu kindlichen Outcome-Parametern über einen längeren Untersuchungszeitraum. Um die Übertragung und Wirkung mütterlicher Antikörper über die Muttermilch während der ersten beiden Lebensmonate des Kindes besser zu verstehen, wurde eine prospektive Kohortenstudie in Italien durchgeführt.

    Eingeschlossen wurden initial 28 Mütter, die während der Spätschwangerschaft positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurden und ihr Kind zwischen November 2020 und Mai 2021 zur Welt brachten. Keine Mutter war geimpft, da die Impfung schwangerer Frauen während des Studienzeitraums in Italien nicht empfohlen war. Bei allen Neugeborenen wurde direkt nach der Geburt ein PCR-Test durchgeführt. Untersucht wurden Speichelproben des Neugeborenen nach 48 h und 2 Monaten. Zudem wurden aus abgepumpter Muttermilch während der ersten drei Lebenstage Milchproben entnommen und weiter untersucht. Die Neugeborenen wurden aufgrund von Personalknappheit und aus Infektionsgründen direkt nach der Geburt von ihren Müttern getrennt und erst bei der Entlassung aus der Klinik wieder in Kontakt mit ihnen gebracht. Das Stillen begann zu Hause mit den Empfehlungen, eine Maske zu tragen und regelmäßig die Hände zu waschen.

    Vollständige Datensätze von Mutter und Kind lagen von 21 Müttern und deren Neugeborenen (n=22) vor. Direkt nach der Geburt wurden 21 Neugeborene negativ und ein Neugeborenes positiv auf Corona getestet. Die Forscher:innen vermuten, dass bei diesem infizierten Neugeborenen eine vertikale intrauterine Infektion stattgefunden hat. Ein weiteres Neugeborenes infizierte sich horizontal während der ersten zwei Lebensmonate.

    Spezifische Immunkomplexe aus mütterlichen IgA-Antikörpern und freien Spike-Proteinen wurden im mütterlichen Kolostrum in den ersten 48 Stunden nach der Geburt entdeckt. Die Forscher:innen vermuten, dass diesen Immunkomplexen eine besondere Schutzwirkung zukommt. Im Speichel von Kindern, die mit Muttermilch ernährt wurden, konnten IgA-Antikörper gegen SARS-CoV-2 nachgewiesen werden. Der Anteil spezifischer IgA-Antikörper im kindlichen Speichel stieg über den Verlauf von zwei Monaten an.

    Die Autor:innen schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass Coronaviren nicht über die Muttermilch übertragen werden. Jedoch werden virusspezifische IgA-Antikörper der Mutter darüber weitergegeben, die das kindliche Immunsystem dazu anregen, selbst einen Immunschutz aufzubauen. Die Ergebnisse legen nahe, dass Stillen mit einer aktiven Immunisierung des Neugeborenen verglichen werden kann, die das Kind vor einer Corona-Infektion schützt. Daher sprechen sich die Autor:innen für das Stillen von Kindern aus, deren Mütter positiv auf Corona getestet wurden.

    Quelle: Conti MC et al. Immune Response of Neonates Born to Mothers Infected With SARS-CoV-2. JAMA Network Open 2021. 4(11):e2132563. https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2021.32563 ∙ DHZ

    Rubrik: 1. Lebensjahr

    Erscheinungsdatum: 01.12.2021