WHO Immediate KMC Study Group

Känguru-Methode senkt Sterblichkeit von Frühgeborenen

  • Durch »Kangaroo Mother Care« könnte weltweit 1 von 27 Frühgeborenen das Leben gerettet werden, so ein Ergebnis der WHO-Studie.

  • Die Känguru-Methode hat in einer internationalen Studie der Weltgesundheitsorganisation die Sterberate von Frühgeborenen um ein Viertel gesenkt. Die Methode könnte nach den im New England Journal of Medicine publizierten Ergebnissen einen wichtigen Beitrag zur Senkung der Neugeborenensterblichkeit in ärmeren Ländern leisten. Sie kommt in der Regel allerdings erst zum Einsatz, nachdem sich der Zustand des Neugeborenen stabilisiert hat, was in der Praxis eine mehrtägige Verzögerung bedeutet.

    Die WHO hat in den letzten Jahren untersuchen lassen, ob die Känguru-Methode bei Frühgeborenen auch ohne vorherige Stabilisierung vorteilhaft ist. Die Studie wurde in fünf Schwerpunktkliniken in Ghana, Indien, Malawi, Nigeria und Tansania durchgeführt, die über Inkubatoren für Frühgeborene verfügen – was in diesen Ländern an den meisten Kliniken nicht der Standard ist.

    Insgesamt 3.211 Säuglinge mit einem Geburtsgewicht zwischen 1 kg und 1,8 kg wurden auf zwei Gruppen randomisiert. In einer wurden die Neugeborenen innerhalb von median 1,3 Stunden den Müttern zur »Kangaroo Mother Care« (KMC) übergeben, in der anderen Gruppe geschah dies nach einer Stabilisierung des Neugeborenen erst nach median 53,6 Stunden. Während der 6,4 Tage auf der Intensivstation dauerte der tägliche Hautkontakt zwischen Mutter und Kind im Durchschnitt nur 1,5 Stunden gegenüber 16,9 Stunden in der KMC-Gruppe.

    Während der ersten 28 Tage starben in der sofortigen KMC-Gruppe 191 von 1.609 Kindern (12,0 %), während in der Kontrollgruppe 249 von 1.602 Kindern (15,7 %) nicht überlebten. Die KMC-Studiengruppe der WHO um Rajiv Bahl, Genf, ermittelt ein relatives Sterberisiko von 0,75 das mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,64 bis 0,89 signifikant war.

    Die sofortige KMC hatte demnach das Sterberisiko um 25 % gesenkt. Die Zahl der Todesfälle in den ersten 72 Lebensstunden ging von 5,8 % auf 4,6 % (92 versus 72 Todesfälle) zurück, was ein relatives Sterberisiko von 0,77 (0,58 bis 1,04) ergibt. Der Unterschied machte sich demnach bereits in der Klinik bemerkbar.

    Die Reduktion der 28-Tage-Sterblichkeit bedeutet, dass 1 von 27 Frühgeborenen durch die KMC das Leben gerettet werden kann. Dies ist ein günstiger Wert und Bahl schätzt, dass die sofortige KMC das Potenzial hat, jedes Jahr 150.000 Frühgeborenen das Leben zu retten.

    Die Behandlung könnte nach einer Schulung des Personals auch in abgelegeneren Regionen der ärmeren Länder eingeführt werden. An vielen Kliniken müssten dazu allerdings neue Intensivstationen geschaffen werden, die es den Müttern ermöglichen, die ersten Tage mit ihrem Kind zu verbringen.

    Die Senkung der Mortalität war zum einen auf einen Rückgang der vermuteten Sepsisfälle von (27,8 % auf 22,9 %) zurückzuführen. Der Hautkontakt mit der Mutter könnte die Entwicklung des Mikrobioms fördern, vermutet Bahl. Der Verzicht auf intensivmedizinische Behandlungen könnte das Infektionsrisiko ebenfalls senken.

    Ein weiterer Faktor könnte die Vermeidung einer Hypothermie sein, die in der KMC-Gruppe nur bei 5,6 % der Neugeborenen diagnostiziert wurde gegenüber 8,3 % in der Kontrollgruppe. Auch der frühzeitige Schutz durch die Muttermilch könnte eine Rolle gespielt haben.

    In der KMC-Gruppe wurden 58,5 % der Neugeborenen in den ersten 24 Stunden gestillt. In der Kontrollgruppe waren es nur 45,5 % der Neugeborenen. Ein vollständiges Stillen in den ersten sieben Tagen wurde bei 78,4 % gegenüber 69,0 % der Säuglinge erreicht.

    Quelle: WHO Immediate KMC Study Group: Immediate “Kangaroo Mother Care” and Survival of Infants with Low Birth Weight. N Engl J Med 2021; 384:2028-2038.DOI: 10.1056/NEJMoa2026486 ∙ aerzteblatt.de, 28.5.2021 ∙ DHZ

     

     

    Rubrik: 1. Lebensjahr

    Erscheinungsdatum: 31.05.2021