Systematisches Review

Asymptomatische bakterielle Vaginose frühzeitig erkennen

  • Eine Antibiotika-Therapie nach einem vorzeitigen Blasensprung zerstört auch die physiologische Scheidenflora, vor allem das Wachstum von Lactobacillus spp.

  • Frühgeburtlichkeit gilt als Hauptursache kindlicher Morbidität und Mortalität. Weltweit kommen jährlich ungefähr 12,9 Millionen Kinder zu früh zur Welt. Als Auslöser werden unter anderem mikrobielle Veränderungen des mütterlichen Scheidenmilieus diskutiert. Obwohl diese mikrobiellen Veränderungen Auswirkungen auf das gesamte mütterliche Immunsystem zu haben scheinen, fanden WissenschaftlerInnen bislang keine befriedigende Antwort darauf, wie diese mit der Fehlregulation des gesamten mütterlichen Immunsystems in Verbindung standen. Im vergangenen Jahrzehnt wurden hierzu wichtige Erkenntnisse zur Rolle von Mikrobiota der Scheidenflora und Genom, dem sogenannten Mikrobiom, gewonnen.

    Im vorliegenden Review der Gynäkologin Dr. Orestis Tsonis und KollegInnen wurde eine Übersichtsarbeit durch ein britisches und griechisches ForscherInnenteam zum derzeitigen Wissensstand in diesem Themenkomplex durchgeführt. Die Datenbanken MEDLINE, PubMed und EMBASE wurden systematisch nach relevanten Publikationen durchsucht.

    In ihrer Übersichtsarbeit zeigten die AutorInnen auf, dass mikrobielle Veränderungen des mütterlichen Scheidenmilieus sich aufgrund der Zugehörigkeit zu verschiedenen ethnischen Gruppen unterscheiden und im Verlauf einer Schwangerschaft auch normal sind, weil sich beispielsweise der mütterliche Östradiol-Spiegel ändert. Zudem scheinen sie auch durch die mütterliche Ernährung, Lebensstil und Krankheiten beeinflusst zu werden.

    Die Einschätzung der vorliegenden Literatur umfasst, dass eine Antibiotika-Therapie nach einem vorzeitigen Blasensprung aufgrund einer gestörten Scheidenflora nicht zu einer Verlängerung der Schwangerschaftsdauer beiträgt. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang, dass durch eine antibiotische Therapie auch die physiologische Scheidenflora, vor allem das Wachstum von Lactobacillus spp., gestört wird. Die AutorInnen beschreiben Lactobacillus spp. als vorherrschenden Vaginalkeim bei einer physiologischen Schwangerschaft, wobei sie gleichzeitig darauf Bezug nehmen, dass ein Vorliegen dieses Keims nicht mit einem gesunden Outcome gleichgesetzt werden kann. Zudem wird das Vorkommen von Lactobacillus crispatus bei den meisten unkomplizierten Schwangerschaften beschrieben. Hingegen steht das Auftreten von Lactobacillus iners im zweiten Trimester mit einer 67-prozentigen Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt einher.

    Das Vorliegen einer symptomatischen oder asymptomatischen bakteriellen Vaginose vor der 22. Schwangerschaftswoche und einer antibiotischen Behandlung durch Makrolide oder Clindamycin wurde mit einem geringeren Auftreten von Frühgeburten in Zusammenhang gebracht als ein abwartendes Vorgehen.

    Die AutorInnen schlussfolgern aus Ihrem Review, dass während der Schwangerschaft eine sorgfältige Beobachtung der Scheidenflora angezeigt ist, um eine asymptomatische bakterielle Vaginose frühzeitig zu erkennen und diese gegebenenfalls antibiotisch zu behandeln.

    Mikrobiota der Scheidenflora scheinen einen entscheidenden Einfluss auf das Frühgeburtsrisiko von Kindern zu haben, wobei nach wie vor 95 Prozent aller Frühgeburten keiner eindeutigen Ursache zugeordnet werden können.

    Quelle: Tsonis O et al.: Female genital tract microbiota affecting the risk of preterm birth: What do we know so far? A review. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2020. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0301211519305718. 245, 168–173 DHZ

     

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 11.02.2020