Kooperation: Die Formel für den Kinderschutz

Erfahrungen und Erkenntnisse einer Familienhebamme, die im Landkreis Waldshut arbeitet. Kooperation zwischen den Berufsgruppen ist für sie der Schlüssel zu einer erfolgreichen Familienbetreuung. Heike Edmaier
  • Eine Familienhebamme begleitet Mutter und Kind zum Kinderarzt.

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    Meine Arbeit als Familienhebamme entspricht größtenteils der ganz normalen Hebammenarbeit. Ich berate, begleite, bestätige und unterstütze Familien mit Blick auf Ressourcen und Potenziale zur Stärkung von Gesundheit, Wohlbefinden, einer guten Bindung und gelungenen Familienbildung. Vor allem bei den Müttern erlebe ich in diesem Lebensabschnitt offene Türen für Veränderung, Bereitschaft für gesundheitsrelevante Entscheidungen zugunsten ihres Kindes. Andererseits kann diese Phase auch als Krise erlebt werden, in der Strategien und Verhaltensmuster gelernt und neue Lebenskompetenzen erworben werden müssen.

     

    Gemeinsam für ein großes Ziel

     

    Meine Arbeit als Familienhebamme unterscheidet sich von der als »originärer Hebamme« in dem Punkt, dass in den betreuten Familien signifikant häufig auch andere AkteurInnen tätig sind. Gründe dafür können sein: Überforderung der Eltern, eine psychische Erkrankung der Mutter, finanzielle Nöte, eine Suchtproblematik, Wochenbettdepressionen, Fluchterfahrung, chronische Erkrankungen des Säuglings, Minderjährigkeit der Mutter und vieles andere.

    Für mich bedeutet das, dass ich in der Arbeit mit diesen Familien viel häufiger in Kooperationen arbeiten muss und darf. Mögliche KooperationspartnerInnen sind in diesen Familien, außer KinderärztInnen und GynäkologInnen, Fachkräfte aus den Schwangerenberatungsstellen, SozialarbeiterInnen vom Jugendamt oder der Geflüchtetenunterkunft, TherapeutInnen aus der Frühförderung, sozialpädagogische Familienhilfen, DorfhelferInnen, ehrenamtliche HelferInnen beispielsweise aus dem Familienpatenprogramm oder dem Geflüchteten-HelferInnenkreis und andere. Oftmals sind diese Fachkräfte bereits in der Familie tätig, manchmal vermittle ich sie.

    So konnte beispielsweise die 18-jährige Katharina (Namen wurden geändert), die ungeplant schwanger und vom Partner getrennt war, in einer Schwangerenberatungsstelle Hilfe bei bürokratischen Angelegenheiten und finanzielle Unterstützung erhalten. Eine Familienpatin konnte fehlende familiäre Unterstützung teilweise ersetzen. Ein anderes Beispiel ist Shirin, die als Jesidin von ihrem muslimischen Freund schwanger war und deshalb von ihrer eigenen Familie bedroht und verfolgt wurde. Ihr konnte ich Hilfe in einer psychotherapeutischen Einrichtung für traumatisierte Geflüchtete vermitteln. Sie brauchte auch die Unterstützung der SozialarbeiterInnen der Geflüchtetenunterkunft, um mit dem Kind einen sicheren Ort zu finden.

    Eine gelungene interprofessionelle Zusammenarbeit in den Frühen Hilfen wird von politisch Verantwortlichen oft als programmatische Formel für den Kinderschutz propagiert. Kooperation kommt erfahrungsgemäß den Familien zugute. Handelnde Fachleute in den Frühen Hilfen beschreiben Kooperation oft als aufwendig und mit Reibungsverlusten verbunden (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2011).

     

    Geteilte Überzeugungen

     

    Was sind Voraussetzungen für eine gute Kooperation von Familienhebammen? Zunächst ein kleiner Ausflug in die anthropologische Grundlagenforschung: Der US-amerikanische Verhaltenspsychologe Michael Tomasello belegte durch Studien an Kindern und Schimpansen, dass die Fähigkeit zu kooperieren, den Menschen von anderen Lebewesen unterscheidet. Er konnte zeigen, dass Kinder schon ab etwa dem ersten Geburtstag hilfsbereit und kooperativ sind. Sie entwickeln auch ein Bewusstsein dafür, dass sie bei kooperativen Handlungen von anderen abhängig sind. Im Laufe des Heranwachsens lernen sie, selektiv zu kooperieren, das heißt Gruppenzugehörigkeiten einzubeziehen. Sie sind somit schon früh sensibel für eine Art Gruppenidentität und beziehen soziale Normen mit ein. Man kann beim Menschen also offenbar von einer biologisch bedingten Kooperationsfähigkeit ausgehen.

    Das Besondere an der menschlichen Kooperation im Vergleich zu den Primaten ist die Herausbildung sozialkognitiver Fähigkeiten, die eine Ausrichtung auf gemeinsame Ziele, Absichten und geteilte Überzeugungen ermöglichen. Als Voraussetzung für dieses komplexe Kooperieren nennt Tomasello unter anderem Aspekte wie Kommunikation und Koordination, Normen, Toleranz und Vertrauen. Man braucht Verständnis für heterogene Sichtweisen und Koordination durch geteilte Aufmerksamkeit auf ein Ziel. Tomasello beschreibt, dass unseren menschlichen Kulturen maßgeblich kooperative Prozesse zugrunde liegen (Tomasello 2010). Vielleicht kann es eine Ermutigung zur Kooperation in den Frühen Hilfen sein, was Tomasello als Ergebnis der spezifischen menschlichen Fähigkeit zur Zusammenarbeit hervorhebt: »Und in der Tat sind die beeindruckendsten kognitiven Leistungen der Menschen – von komplexen Technologien über linguistische und mathematische Symbole bis hin zu komplizierten sozialen Institutionen – nicht Produkte allein handelnder, sondern gemeinsam agierende Individuen« (Tomasello 2010).

    Wir besitzen also grundsätzlich die Fähigkeit zur Kooperation. Aber wie können Familienhebammen das ganz praktisch gestalten? Wo liegen Stolpersteine? Was begünstigt gelingende Kooperation?

     

    Vertrauen als Grundlage

     

    Als ich vor zehn Jahren mit meiner Familienhebammentätigkeit in unserem Landkreis begonnen habe, war ich im interprofessionellen Arbeiten sehr ungeübt. Ich kannte die Sprache der anderen Professionen wenig und auch mit ihren Perspektiven und Arbeitsweisen war ich nicht vertraut. Damals startete der Landkreis die Familienhebammenarbeit mit einem (Familien- und Begleithebammen-)Projekt, das zunächst auf unbestimmte Zeit geplant war. Mittlerweile ist die Familienhebammentätigkeit als Unterstützungsangebot in den Frühen Hilfen des Landkreises fest implementiert. Wir hatten zu Beginn noch wenig klare Absprachen, keine Erfahrungswerte und teilweise unklare Aufträge.

    Die Koordination des Projektes war von Anfang an im Jugendamt angesiedelt. Die Verortung der Familienhebammen im Jugendamt – als Gesundheitsberuf im Jugendhilfesystem – birgt mögliche Konflikte. Dadurch besteht die Gefahr, dass gerade risikobelastete Familien aus Angst vor Kontrolle und Eingriffen des Jugendamtes keine Unterstützung annehmen. Deshalb muss unbedingt vermieden werden, dass unsere Berufsgruppe als »verlängerter Arm« des Jugendamtes verstanden wird, der Familien im Auftrag kontrolliert. Hier braucht es viel Sensibilität in der Kommunikation gegenüber der Familie und ein klares Berufsverständnis der Familienhebammen. Dieses unterscheidet sich deutlich beispielsweise von dem der SozialpädagogInnen und SozialarbeiterInnen. Familienhebammen haben einen Gesundheitsberuf. Ihr Schwerpunkt liegt in der Prävention, Gesundheitsförderung, salutogenetischen Beratung und psychosozialen Betreuung. Die Arbeit ist folglich oft körperorientiert. Wohlbefinden der Mutter, kindliche Entwicklung, Befinden und auch das Bindungsverhalten können anhand körperlicher Symptome erkannt werden. Der Betreuungsauftrag der Familienhebamme ist vorrangig an die Schwangere beziehungsweise die Mutter gebunden.

    SozialpädagogInnen und SozialarbeiterInnen werden in den Frühen Hilfen als »Hilfe zur Erziehung« eingesetzt. Ihr Schwerpunkt liegt in der Förderung elterlicher Beziehungs- und Erziehungskompetenzen, positiver Entwicklungschancen und Unterstützung in der Bewältigung von Alltagsproblemen.

    Ein großer Pluspunkt unseres Familienhebammen-Konzeptes im Landkreis Waldshut ist die Besetzung der Koordinationsstelle der Familienhebammentätigkeit des Landkreises durch eine Familienhebamme, die mit Hebammenblick sehr sorgsam mit Bedenken, Ressourcen, Erfahrungen, Kritik und Überforderungssituationen umgeht. Auch die Wertschätzung unserer Arbeit von den Entscheidungsträgern des Jugendamtes ist sehr förderlich. Entscheidend ist, dass die betreuten Familien anonym beim Jugendamt angemeldet werden. Wenn ich also in meiner originären Hebammenbetreuung einen Mehrbedarf aufgrund von bestimmten Risikofaktoren in einer Familie feststelle, kann ich diese Familie anonym beim Jugendamt als »Fall« anmelden. Die Anmeldung erfolgt anhand der Nennung von Kennzahlen, die den Grund für einen Mehrbedarf verschlüsseln. Hinzu kommt eine kurze Situationsbeschreibung. Das Jugendamt erhält nach Abschluss der Betreuung einen Bericht und einen Evaluationsbogen. Auch diese sind anonymisiert. Das Jugendamt erfährt nur dann Namen und Adresse, wenn in der Familie umfangreicher Unterstützungsbedarf notwendig wird, der durch den allgemeinen sozialen Dienst beantragt werden muss. Das unterstreicht die zentrale Bedeutung der Vertrauensbildung zu den Frauen für uns Hebammen und ist sicherlich auch einer der Erfolgsfaktoren des Projektes.

     

    Im Auftrag der Frau

     

    Mit der Zeit wurden Abläufe klarer, Absprachen verbindlicher, Begrifflichkeiten klarer und Zuständigkeiten deutlicher. Die Beteiligten haben zusammen Fälle reflektiert und dadurch gelernt. Wir hatten viele Treffen, bei denen verschiedene Berufsgruppen aus den Frühen Hilfen ihre Arbeit vorstellten oder MitarbeiterInnen der Jugendhilfe zu gemeinsamen Fallbesprechungen anwesend waren. Unser Projekt wurde wissenschaftlich von der Katholischen Hochschule in Freiburg evaluiert und es werden immer noch Abläufe oder Regelungen angepasst.

    Für gelingende Kooperationen ist zunächst die Klärung des eigenen professionellen Handelns wichtig. Ich arbeite als Familienhebamme nur mit Auftrag der Frau. Deshalb möchte ich auch gerne von der Frau selbst kontaktiert werden und ihre Wünsche und Bedürfnisse entgegennehmen. Einen Auftrag des Jugendamtes nehme ich nicht an, bevor ich den Betreuungsauftrag von der Frau selbst erhalten habe. Meine Begleitung soll für die Frau immer auf Freiwilligkeit beruhen. Wie im Positionspapier des Internationalen Hebammenverbands (ICM) »Partnership between Women and Midwives« deklariert, basiert die Hebammenarbeit auf einer Partnerschaft mit der Frau, die deren Recht auf eine partizipative Entscheidungsfindung berücksichtigt (International Confederation of Midwives 2014). Dieser Partnerschaft sehe ich mich auch als Familienhebamme verpflichtet. Manchmal muss mein Auftrag in der Familie auch während der Betreuung wiederholt definiert werden. Die Begleitung von Familien ist viel effektiver, wenn Bedürfnisse und Anliegen geklärt sind.

    Zum Professionsverständnis als Familienhebamme gehört auch die Kenntnis und ein sensibler Umgang mit der Schweigepflicht. Transparenz gegenüber der Frau beziehungsweise der Familie ist wesentlich, um dem Vertrauen der Familien gerecht zu werden. Fallbezogene Absprachen mit KooperationspartnerInnen versuche ich möglichst in Anwesenheit der betreuten Familie zu treffen, gegebenenfalls per Telefon von deren Wohnung aus. In Familien, in denen noch andere AkteurInnen der Frühen Hilfen aufsuchend arbeiten, hat sich das Führen einer Art Tagebuch bewährt. Das kann ein Notizblock sein, auf dem sichtbar für die Familie beispielsweise mit der Dorfhelferin oder sozialpädagogischen Familienhilfe kommuniziert wird. Falls Absprachen in Anwesenheit der Familie nicht möglich sind und ich eine Schweigepflichtentbindung brauche, informiere ich die Familie vor und nach dem Gespräch über die Gesprächsinhalte. Grundsätzlich entscheidet die Frau selbst, ob ich mit anderen KooperationspartnerInnen über ihre Anliegen spreche oder ob sie das gar nicht möchte. Nur bei akuter Kindeswohlgefährdung und Verweigerung der Eltern würde ich das allenfalls nach den Handlungsschritten von § 4 des KKG (Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz) auch gegen deren Willen tun.

     

    Die Rollen klären

     

    Manchmal, wenn mehrere HelferInnen in der Familie sind, müssen die entsprechenden Rollen geklärt werden. Mein Arbeitsschwerpunkt ist Gesundheitsförderung. Als Hebamme erkenne ich manchmal direkt am Kind oder am kindbezogenen Elternverhalten Zeichen, die einen weiteren Unterstützungsbedarf signalisieren. Dann kann meine Aufgabe darin bestehen, andere Hilfen zu vermitteln, beispielsweise eine Entwicklungsberatung. Bei finanziellen Problemen oder rechtlichen Fragen vermittle ich Schwangerenberatungsstellen, deren MitarbeiterInnen Unterstützungsmöglichkeiten kennen und gut geschult sind.

    In der Einzelfallkooperation braucht es klare Absprachen. Dazu gehört auch, dass ich weiß, wie ich die KooperationspartnerInnen zeitnah und verlässlich erreichen kann. Für Krisensituationen braucht es klare Entscheidungswege und Abläufe sowie ein verlässliches Konfliktmanagement. Rasche Abläufe sind im Arbeitsbereich von Hebammen wichtig, da bei Säuglingen in Krisen- oder Gefährdungssituationen sehr schnell lebensbedrohliche Zustände entstehen können. In den verschiedenen Professionen sind Zeitbegriffe sehr unterschiedlich definiert: Während für mich als Hebamme »unverzüglich« für »sofort« steht, kann es für SozialarbeiterInnen auch »baldmöglichst« bedeuten. Das heißt, dass ich klar kommunizieren muss.

    Verschiedene Perspektiven erschweren naturgemäß die Kommunikation, deshalb müssen alle Seiten die Sprache der anderen Professionen kennen, eine möglichst gemeinsame Sprache sprechen oder aber aktiv zuhören und nachfragen, Unverstandenes zusammenfassen und klären. Das bedarf Motivation und kostet Zeit.

    Grundlegende Arbeitsbasis ist eine anerkennende, vertrauensvolle und kultursensible Haltung aller AkteurInnen den Familien gegenüber.

    Für den Erfolg von Kooperation als Arbeitsmethode ist die innere Haltung von Wertschätzung, Respekt, Transparenz und Kooperationsbereitschaft zwischen den AkteurInnen maßgebend. Leider gibt es auch Erfahrungen, die diesen Wachstumsprozess stören: Wenn beispielsweise die sozialpädagogische Familienhilfe, die in der Familie arbeitet, den Eltern Empfehlungen zur Ernährung des Säuglings gibt, die im Widerspruch zu meinen Empfehlungen stehen, verunsichert das die Eltern und ist für mich frustrierend und ärgerlich. Weitere Stolpersteine sind Konkurrenzgedanken, fehlende Zielformulierungen, unterschiedliche Haltungen und Sichtweisen gegenüber den betreuten Frauen und Familien. Hier braucht es immer wieder Offenheit, lösungsorientierte Gespräche und eine Bereitschaft zur Selbstreflexion.

     

    Supervision und regionale Vernetzung

     

    Neben der Einzelfallkooperation haben sich in meiner Arbeit fallübergreifende Fachberatungen bewährt. Dazu besuche ich als Familienhebamme jährlich zwei sogenannte Praxisberatungstreffen. Das sind gemeinsame Treffen der Familienhebammen des Landkreises. Hier können Schwierigkeiten in Kooperationssituationen mit einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin der Jugendhilfe besprochen und geklärt werden. Einen Fall in Ruhe und mit einer gewissen Distanz zu betrachten, kann die Qualität der Kooperation verbessern. Oft wurden als Konsequenz solcher Fallbesprechungen Abläufe oder Zuständigkeiten erneut geklärt, manchmal auch verschriftlicht. Das hilft, später in akuten Situationen Klarheit zu haben. Bei diesen Treffen werden teilweise auch verschiedene, für uns Familienhebammen relevante, Arbeitsbereiche des Jugendamtes vorgestellt, wie beispielsweise Amtsvormundschaft, Adoptionsvermittlung. Auch Kontaktpersonen aus den Schwangerenberatungsstellen, der Suchtberatung, der DorfhelferInnenstation haben bei diesen Praxisberatungstreffen schon ihre Arbeit vorgestellt.

    Zum anderen ist die Supervision ein wichtiger Baustein guter Kooperation. In ihrem Rahmen finden anonymisierte Fallbesprechungen statt. Hier reflektiere ich mein eigenes Handeln und lerne, meine Motivation, meine Emotionen und Beziehungsdynamiken deutlicher zu erkennen.

    Die regionale Vernetzung erlebe ich als förderlich für eine gelingende, zielorientierte Zusammenarbeit. Ich wohne in einem ländlichen Gebiet, in dem die Wege zu medizinischen, therapeutischen Einrichtungen und Angeboten der Elternbildung meist sehr weit sind. So bin ich glücklich darüber, dass es in unserem Ort gelungen ist, ein Netzwerktreffen mit vielen Berufsgruppen aus den Frühen Hilfen zu veranstalten. Dort treffen sich etwa 15 Personen zum Austausch, zu anonymisierten Fallbesprechungen und zur gemeinsamen Weiterbildung. Das persönliche Kennenlernen und die Wertschätzung der anderen Disziplinen, deren Fachsprachen, Arbeitsbedingungen und Vorgehensweisen, der Austausch und gemeinsame Ziele setzen konstruktive Prozesse in Gang. Familien in unserem Ort profitieren von diesem Netzwerk. Für mich als Familienhebamme werden Kooperationswege wesentlich erleichtert und verkürzt. Allerdings besteht eine Schwierigkeit darin, dass die Fluktuation der NetzwerkpartnerInnen zeitweise sehr hoch ist und so immer wieder neue Kontakte geknüpft werden müssen.

     

    Begleitende Forschung – auch qualitativ!

     

    Netzwerkarbeit braucht viel Zeit – eine Ressource, die oft knapp ist. Sicherlich ist es förderlich, wenn auch fallübergreifende Kooperations- und Netzwerkarbeit den Familienhebammen entlohnt werden. Die Vergütung von Familienhebammen ist regional unterschiedlich geregelt und oftmals der Qualifizierung und den Handlungsanforderungen nicht angemessen. Hier besteht dringender Bedarf für eine bundeseinheitliche Regelung einer angemessenen Honorierung, die das gesamte Tätigkeitsspektrum der Familienhebammen und auch die Kooperationsarbeit berücksichtigt. Die Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi) hat hierzu bereits 2013 eine Stellungnahme mit konkreten Empfehlungen formuliert (Ayerle et al. 2013).

    Bei allen Bemühungen für eine gute Kooperation mit NetzwerkpartnerInnen sollte die betreute Familie mit ihren Bedürfnissen im Zentrum bleiben. Dazu gehört auch eine Überprüfung der Wirksamkeit aller Interventionen in den Frühen Hilfen. Die Arbeit von Familienhebammen als Intervention sollte daher auf mögliche Nebenwirkungen untersucht werden. Neben einer quantitativen Wirkungsforschung wäre auch die qualitative Forschung zur subjektiven Sicht der betreuten Familien erforderlich. Hier besteht noch ein großes Aufgabengebiet für die Hebammenwissenschaft.

    Gelingende Kooperationen können sehr gewinnbringend sein. Deshalb möchte ich mit einem ermutigenden Zitat der gehörlos-blinden Schriftstellerin Helen Keller schließen, die für viele Menschen ein Vorbild und Inspiration war: »Alone we can do so little; together we can do so much.« (Lash 1997).

    Rubrik: Ausgabe 09/2019

    Erscheinungsdatum: 22.08.2019

    Literatur

    Ayerle G, Lange U, Mattern E, Haldenwang von U: Zeitschrift-DGHWi_Ausgabe1_gesamt. In: Zeitschrift für Hebammenwissenschaft 2013. (01) 21–26
    Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Werkbuch Vernetzung – Guter Start ins Kinderleben 2011
    International Confederation of Midwives/ICM: Core document. Position Statement: Partnership between Women and midwives. Den Haag. Niederlande 2014
    Lash JP: Helen and teacher. The story of Helen Keller and Anne Sullivan Macy. New York. Addison-Wesley Pub 1997
    Tomasello M: Warum wir kooperieren. Originalausgabe. Erste Auflage. Berlin. Suhrkamp 2010

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