Prospektive Beobachtungsstudie

Luftverschmutzung und Lärm schaden der psychischen Gesundheit

  • Kinder, die vor der Geburt und in den ersten zwölf Lebensjahren vermehrt Luftschadstoffen und Verkehrslärm ausgesetzt waren, litten einer prospektiven Beobachtungsstudie zufolge im Jugendalter häufiger unter Psychosen, Depressionen oder Angststörungen.

  • Die »Avon Longitudinal Study of Parents and Children« (ALSPAC) begleitete eine Gruppe von mehr als 14.000 Kindern seit der Schwangerschaft ihrer Mütter Anfang der 1990er Jahre. Im Alter von 13, 18 und 24 Jahren wurden die Teenager und Twens ausführlich zu möglichen psychischen Erkrankungen befragt – die keineswegs selten waren. Bei 11,4 % der Teilnehmer:innen wurden Hinweise auf Depressionen und bei 9,7 % mögliche Angststörungen gefunden. Von psychotischen Erlebnissen hatten sogar 19,5 % der Teilnehmenden berichtet.

    Die psychischen Störungen dürften verschiedenste Ursachen gehabt haben, von denen Luftverschmutzung und Lärmbelästigung nur ein Aspekt waren. Doch das Team um Joanne Newbury von der Bristol Medical School konnte für alle drei Erkrankungen einen möglichen Einfluss nachweisen. Sie stellte beispielsweise fest, dass jeder Anstieg der Feinstaubkonzentration (PM 2,5) um 0,72 µg/m3 während der Schwangerschaft mit einem um 11 % erhöhten Risiko auf psychotische Erfahrungen verbunden war. Die adjustierte Odds Ratio (AOR) von 1,11 war mit einem 95 %-Konfidenzintervall von 1,04 bis 1,19 signifikant. In der Kindheit erhöhte dieselbe Feinstaubexposition das Risiko auf psychotische Erlebnisse um 9 % (AOR 1,09; 1,00-1,10). Feinstaub in der Schwangerschaft war auch mit Depressionen assoziiert (AOR 1,10; 1,02-1,18).

    Eine höhere Lärmbelastung war vor allem mit einer erhöhten Rate von Angststörungen verbunden mit einer AOR von 1,19 (1,03-1,38) bei einer vermehren Exposition im Kindesalter und einer AOR von 1,22 (1,02-1,45) bei einer erhöhten Belastung im Jugendalter.

    Die epidemiologische Studie kann zwar keine Kausalität herstellen. Die ALSPAC sammelte jedoch eine Vielzahl von Daten zur Lebensführung und möglichen anderen Risikofaktoren, die Newbury bei ihren Berechnungen ausschließen konnte. Laut Newbury könnten Luftschadstoffe, die über die Lungen ins Blut gelangen, bereits vor der Geburt die Blut-Hirn-Schranke schädigen, entzündliche Veränderungen im Gehirn fördern oder durch oxidativen Stress die Nervenzellen schädigen. Bei der Lärmbelastung sei auch ein Einfluss durch Stresshormone denkbar.

    Luftverschmutzung und Lärm sind vermeidbare Risiken. Bei Feinstaub und Stickstoffdioxid hat es in den vergangenen Jahren einen Rückgang gegeben, auch wenn die Werte in Bristol (und vermutlich in den meisten anderen Städten in Europa) noch über den Grenzwerten der WHO liegen. Bei der Lärmbelastung war dagegen im Studienzeitraum keine Verbesserung erkennbar.

    Quelle: Newbury, J. B., Heron, J., Kirkbride, J. B., Fisher, H. L., Bakolis, I., Boyd, A., Thomas, R., & Zammit, S. (2024). Air and Noise Pollution Exposure in Early Life and Mental Health From Adolescence to Young Adulthood. JAMA network open, 7(5), e2412169. https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2024.12169 · aerzteblatt.de, 30.5.24 · DHZ

    Rubrik: 1. Lebensjahr

    Erscheinungsdatum: 31.05.2024