Manuelle Kompression der Aorta?
Die manuelle Kompression der Aorta kann bei einer postpartalen Blutung eine lebensrettende Maßnahme darstellen. Da postpartale Blutungen, vor allem in Ländern mit geringem durchschnittlichem Einkommen, zu den häufigsten Ursachen mütterlicher Sterblichkeit zählen, wurde kürzlich die praktische Durchführung der manuellen Kompression der Aorta im American Journal of Obstetrics and Gynecology thematisiert.
Ein interdisziplinäres Forscher:innen-Team um den kolumbianischen Gynäkologen Albaro Nieto-Calvache publizierte Hintergründe sowie Lehrmaterial in Bildform und Video zur Behandlung postpartaler Blutungen mit einem Schwerpunkt auf der manuellen Kompression der Aorta.
Simple und effektive Methode
Vorteile liegen aus Sicht der Autor:innen darin, dass es sich um eine simple und effektive Maßnahme handelt, die sehr leicht erlernt und umgesetzt werden kann. Die manuelle Kompression der abdominalen Aorta stellt eine effektive und universelle Strategie dar, um den Blutverlust vorübergehend zu stoppen. Bei einer postpartalen Blutung wirkt in den meisten Fällen die kombinierte Durchführung der manuellen Kompression der Aorta und die Gabe von Uterotonika.
Falls in manchen Fällen die Blutung persistiert, sollten weitere definitive Maßnahmen zur Blutungskontrolle durchgeführt werden wie das Einlegen einer Tamponade mit einem hydrostatischen Ballon oder die Naht einer Geburtsverletzung. Nachteile sind Schmerzen für die Gebärende, die jedoch gerade bei fehlenden anderweitigen Möglichkeiten den Vorteilen untergeordnet werden. Verwiesen wird auf manche Regionen Afrikas, in denen 17 % der Gebärenden mehr als zwei Stunden Anreise zur nächstgelegenen Gesundheitseinrichtung haben.
Pragmatischer Ansatz
Die Autor:innen vertreten einen sehr pragmatischen Denkansatz in ihrer Publikation: Zunächst einmal egal, woher und warum es nach der Geburt blutet: Stoppe die Blutung so schnell wie möglich. Verwende hierzu die manuelle Kompression der abdominalen Aorta.
Nieto-Calvache et al. (2024) widersprechen damit verschiedenen Leitlinien, die ein schrittweises Vorgehen vorschlagen, bei denen zunächst die Ursache der Blutung evaluiert und anschließend gehandelt wird. Obwohl die manuelle Kompression der abdominalen Aorta auf den ersten Blick als simple Methode erscheint, hängt ihre Effektivität maßgeblich von der korrekten Durchführung ab. Diese scheint häufig nicht zu erfolgen, da davon ausgegangen wird, dass bei ungefähr der Hälfte aller manuellen Kompressionen, bei denen die Aorta lediglich mit einem Arm komprimiert wird, der Femoralispuls tastbar bleibt.
Korrekte Durchführung
Bei der korrekten Durchführung wird das Gewicht und nicht die Muskelkraft des Armes eingesetzt. Die durchführende Person positioniert sich seitlich der Frau und verwendet einen Stuhl oder eine Erhöhung, um mit dem Arm einen rechten Winkel zum horizontalen Körper der Frau zu erreichen. Der Druck wird mit der Handfläche oder der Faust direkt oberhalb des Nabels ausgeübt. Die Position wird mit der Brustkompression während einer Reanimation verglichen. Die Kompression kann manuell mit der Hand oder dem Knie, auch durch nichtmedizinisches Personal, durchgeführt werden.
Zum Transport innerhalb des Krankenhauses kann die durchführende Person sich auf eine fahrbare Liege knien und während der Fahrt die Kompression aufrechterhalten.
Die Kompression mit dem Knie empfehlen die Autor:innen, um Ermüdungserscheinungen des Armes zu vermeiden. Zudem wird diese Form der Aortenkompression empfohlen, wenn die Frau längere Strecken zwischen verschiedenen Krankenhäusern oder bis zum Krankenhaus zurücklegen muss.
Erfolgskontrolle
Die Autor:innen empfehlen zur Kontrolle der erfolgreichen Aortenkompression nicht das Tasten des Radialispulses sondern das Beobachten der Blutung. Diese sollte stagnieren und der Blutdruck sollte ansteigen. Bei einer Aortenkompression bis zur Dauer von 60 Minuten wurden keine metabolischen Veränderungen beobachtet. Aufgrund der Schmerzhaftigkeit wird die Gabe von Schmerzmitteln empfohlen. Eine Kontraindikation für die Durchführung der Aortenkompression stellt ein lebendes Kind im Uterus der Frau dar.
Die Autor:innen empfehlen die Verwendung ihrer Materialien in Form der Grafiken und Videos für Lehrzwecke sowie die telemedizinische Betreuung Gebärender, die außerklinisch mit einer postpartalen Blutung konfrontiert sind.
Hinweis: Im Dezember 2024 lautet das Schwerpunktthema der DHZ »Blutungen«. Darin finden sich auch zwei Beiträge, die sich speziell mit der Aortenkompression auseinandersetzen. Wann sollte diese zum Einsatz kommen und wie wird sie unter bestimmten geburtshilflichen Voraussetzungen angewendet?
Quelle: Nieto-Calvache, A. J., J. M. Palacios-Jaraquemada, R. A. Aryananda, N. Basanta, N. Cininta, L. F. Rivera, E. Bautista and A. M. Hussein (2024). External aortic compression: buying time to save lives in obstetric hemorrhage. Am J Obstet Gynecol. DOI: https://doi.org/10.1016/j.ajog.2024.09.017 ∙ Beate Ramsayer/DHZ