Retrospektive Kohortenstudie

Mehr Antibiotikaklassen – höheres Allergierisiko?

  • Bei Säuglingen, die in den ersten sechs Lebensmonaten mit mehreren Antibiotikaklassen behandelt werden, ist das Allergierisiko vermutlich besonders hoch.

  • Alle im Kleinkindalter häufig verschriebenen Antibiotika gehen mit einem erhöhten Risiko für eine spätere Allergie einher. Doch bei Säuglingen, die in den ersten sechs Lebensmonaten mit mehreren Antibiotikaklassen behandelt werden, ist dieses Risiko – speziell für Asthma und allergische Rhinitis – offenbar am höchsten. Dies zeigt eine retrospektive Kohortenstudie in JAMA Pediatrics. Die AutorInnen um Sidney E. Zven von der F. Edward Hébert School of Medicine der Uniformed Services University of the Health Sciences in Bethesda/Maryland (USA) gehen davon aus, dass die Antibiotikagabe über eine Störung der Darmflora die Entwicklung von Allergien begünstigen könnte.

    Unter 798.426 Kindern, für die Soldatenfamilien in den USA im ersten Lebensjahr Leistungen über die Tricare-Versicherung in Anspruch nahmen, gab es in den ersten sechs Lebensmonaten 162.605 Antibiotika-Verordnungen. Am häufigsten waren Verordnungen von Penicillin (59,5 %), gefolgt von Makroliden (13,1 %), Cephalosporinen (13,1 %), Penicillin mit einem β-Laktamaseinhibitor (9,7 %) und Sulfonamiden (3,8 %).

    664.710 der untersuchten Kinder erhielten keine Antibiotika. 109.341 Kindern (13,7 %) wurde in den ersten 6 Lebensmonaten eine Antibiotikaklasse verschrieben. Bei 20.358 Kindern (2,5 %) waren es 2 Antibiotikaklassen. Verordnungen von 3 Antibiotikaklassen erhielten 3.543 Kinder (0,44 %). Und Rezepte für 4 oder mehr Antibiotikaklassen wurden für 474 Kindern (0,06 %) ausgestellt.

    Die Nachbeobachtung lief im Schnitt über 4,6 Jahre. Wie – basierend auf den früheren Ergebnissen – zu erwarten, waren alle Antibiotikaklassen mit signifikant erhöhten adjustierten Hazard Ratios (aHR) für allergische Erkrankungen assoziiert.

    Am wenigsten stark ausgeprägt war der Zusammenhang zwischen Sulfonamiden und allergischen Erkrankungen (aHR 1,06 [95%-KI 1,03-1,10]). Bei den restlichen Antibiotikaklassen reichte die aHR von 1,19 [95%-KI 1,17-1,21] für Cephalosporine bis 1,30 [95%-KI 1,28-1,31] für Penicillin.

    Die AutorInnen räumen ein, dass die Studie keinen Beweis dafür liefern könne, dass Antibiotika Allergien verursachen. Im Extremfall könnte eine reverse Kausalität vorliegen, bei der Säuglinge, die per se ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Allergien haben, auch anfälliger für bakterielle Infektionen sind, und deshalb mit zusätzlichen Antibiotikaklassen behandelt werden.

    Allerdings schätzen Zven und seine Koautoren diesen Bias als unwahrscheinlich ein, da die Daten um Kaiserschnittgeburt, Frühgeburt, Geschlecht, Exposition gegenüber Antazida (Protonenpumpeninhibitoren oder H2-Rezeptorantagonisten) und die Dauer der Behandlung mit Antibiotika adjustiert waren.

    Offenbar, so schreiben sie, bringe die Exposition gegenüber mehreren Antibiotikaklassen das Mikrobiom noch stärker durcheinander als die Behandlung mit nur einer Antibiotikaklasse. Dies spreche dafür, dass Störungen des Mikrobioms ein Risikofaktor für die Entwicklung allergischer Erkrankungen seien.

    Quelle: Zven SE et al.: Association Between Use of Multiple Classes of Antibiotic in Infancy and Allergic Disease in Childhood. JAMA Pediatr 2019. doi: https://doi.org/10.1001/jamapediatrics.2019.4794 aerzteblatt.de, 23.12.2019 DHZ

     

    Rubrik: 1. Lebensjahr

    Erscheinungsdatum: 08.01.2020