Anatomie der Mamillenregion

Milchgang verstopft?

Das Wissen um den Feinbau der Milchgänge ist wichtig, um entzündliche Veränderungen und Erkrankungen der Brust zu verstehen – mit all ihren Folgen für die Laktation der stillenden Mütter. Prof. Dr. Peter Sinn
  • Abbildung 1: Histologisches Schnittpräparat einer Mamille (außerhalb der Laktationsphase) mit Anschnitten intramamillärer Ducti, welche kollabierten Sinus lactiferi entsprechen

  • Abbildung 2: Querschnitt einer normalen Mamille mit leicht erweiterten Sinus lactiferi (außerhalb der Laktationsphase)

  • Störungen der Laktation, die ihre Ursache in anatomischen Besonderheiten oder pathologischen Veränderungen wie chronischen Entzündungen haben, können bei stillenden Müttern zu Milchstau bis hin zum Brustabszess führen. Akute und chronisch-entzündliche Veränderungen stehen in Zusammenhang mit dem Feinbau der ausführenden Milchgänge, die in die Sinus lactiferi münden.

     

    Aufbau der ausführenden Milchgänge

     

    Es gibt in einer Brust etwa 15–20 Segmente, die funktionelle Untereinheiten darstellen, jedoch anatomisch nicht scharf voneinander abgrenzbar sind. Die stark verzweigten Gangstrukturen dieser segmentalen Untereinheiten leiten die Milch von den Endstücken (den milchproduzierenden Drüsen) ab und laufen in der Mamille in einer radialen Anordnung zusammen. Die Endstücke befinden sich nicht immer an der Peripherie der duktalen Netzwerke und können auch unmittelbar von den Hauptgängen abzweigen. Diese Ausführungsgänge, die jeweils einem Segment zugeordnet sind und typischerweise einen Durchmesser von etwa 1–2 mm haben, vereinigen sich in der subareolären Region zu mehreren Sinus lactiferi. Diese weiten sich in der Laktationsphase auf und stellen auch außerhalb der Laktationsperiode bei der Selbstuntersuchung einen tastbaren Befund dar.

    Somit mündet in die Mamille nicht nur ein einzelner Sinus lactiferus, sondern es sind mehrere. Eine Brustwarze weist in der Regel mindestens fünf bis neun Buchten mit duktalen Öffnungen auf (Love & Barsky, 2004). Die glatten Muskelzellen, die strahlenförmig, aber auch ringförmig um die Sinus lactiferi angeordnet sind, gehören zu den Hautmuskeln des Mamillen-Areola-Komplexes und werden als M. areolaris mamillaris bezeichnet. Diese glatten Muskelfasern können sich durch mechanische Reizung zusammenziehen, zum Beispiel durch den Mund des Säuglings, und eine Aufrichtung der Mamille bewirken. Sie sind jedoch aufgrund der Beziehung zu den Sinus lactiferi auch beim Transport der Milch beteiligt.

     

    Plattenepithelmetaplasie der Milchgänge (SMOLD)

     

    Unter Umständen, die nicht vollständig geklärt sind und mit einer Schwächung der Gänge im mittleren und höheren Lebensalter zusammenhängen, können keratinproduzierende Zellen die Zylinderepithelien der Gangstrukturen der Mamille ersetzen und zu einer plattenepithelialen Auskleidung (Plattenepithelmetaplasie) einzelner ausführender Milchgänge führen. Diese Veränderungen, die in der Literatur meist mit dem Kürzel SMOLD (squamous metaplasia of lactiferous ducts) bezeichnet werden, können zu einem Hornpfropf und damit zu einem verminderten Milchfluss aus der Brustwarze und Erweiterung der nachgeschalteten Ausführungsgänge führen (Ductusektasie).

    Klinisch kann die Veränderung asymptomatisch sein, oder es kann zu einer sekundären Entzündung (Superinfektion) kommen, mit einem periareolären Tastbefund, Rötung und blutig-eitrigen Ausfluss aus der Brustwarze (Lo et al., 2012). Beschrieben ist auch eine Assoziation der SMOLD mit dem Rauchen oder seltener mit einer Einziehung der Mamille (Hohlwarze). Eine Hohlwarze stellt jedoch eher eine Prädisposition für eine SMOLD dar und wird als mögliche Ursache, nicht als Folge der entzündlichen Veränderungen angesehen.

    Therapeutisch führen eine Inzision, Drainage und Antibiose häufig nicht zu einer dauerhaften Sanierung der Veränderungen und eine chronisch-rezidivierende Entzündung ist die Folge, welche die Patientin aufgrund der Schmerzen sehr belasten kann. Kurativ kann bei der Diagnose einer SMOLD, die häufig erst nach mehrfacher Rezidivierung gestellt wird, eine lokale Exzision des betroffenen Milchgangs sein (Duktektomie). Raucherinnen wird zur Vermeidung von Rezidiven eine Entwöhnung empfohlen (Dillon & Lester, 2009).

     

    Subareolärer Abszess

     

    Bei hochgradigen Veränderungen einer SMOLD, und verursacht durch das Eindringen von Eitererregern, kann es zur Gang­ruptur und zum Austreten von Keratinmaterial mit Entzündungszellen im periduktalen Stroma kommen. Klinisch resultiert das Bild eines subareolären Abszesses (Lester, 1999). Typischerweise tritt der subareoläre Abszess außerhalb der Stillzeit auf und weist aufgrund der Persistenz der zugrundeliegenden Veränderungen einer SMOLD nach Abheilung der Symptomatik ein hohes Rückfallrisiko auf. Man spricht dann von einem rezidivierenden subareolären Abszess. Die klassischen Symptome einer Entzündung wie Rötung und Überwärmung können im Einzelfall fehlen und meist auch Allgemeinsymptome wie Fieber oder Krankheitsgefühl. Zu den lokalen Symptomen gehören auch brennende oder stechende Schmerzen in der Brust.

    Mikrobiologisch können im typischen Fall Staphylococcus epidermis oder Streptococcus salivarius beziehungsweise eine Mischinfektion aerober und anaerober Eitererreger nachgewiesen werden, während der klassische Brustabszess in der Stillzeit durch Staph. aureus verursacht wird. Eine seltene Komplikation beim subareolären Abszess stellt eine Fistelbildung dar (Meguid et al., 1995).

    Davon abzugrenzen ist die chronische periduktale Mastitis, die im typischen Fall bei Raucherinnen beobachtet wird. Es werden infektiöse und nichtinfektiöse Ursachen diskutiert, wobei insbesondere bei Auftreten von Granulomen eine Genese durch Corynebakterien eine Rolle spielen kann (Schelfout et al., 2001). Histologisch handelt es sich um eine chronische oder auch chronisch-granulomatöse periduktale Entzündung (Bässler 1997), die im retroareolären Drüsengewebe lokalisiert ist und kleinere sowie mittelgroße Ausführungsgänge betrifft, jedoch weniger die intramamillären Milchgänge oder Sinus lactiferi. Die periduktale Mastitis kann mit einer ähnlichen Symptomatik assoziiert sein wie ein chronischer subareolärer Abszess und bei schweren Verläufen auch zur Abszedierung führen.

     

    Weitere Formen entzündlicher Veränderungen

     

    Eine Reihe unterschiedlicher Dermatosen der Mamillenregion können auch in der Stillperiode auftreten. Dazu zählen, zusätzlich zu den beschriebenen Infektionen, das Mamillenekzem, die Psoriasis der Mamille, ein Herpes simplex und andere seltenere Dermatosen (Barrett & Heller, 2013).

    Das Mamillenekzem tritt als Manifestation einer atopischen Dermatitis auf. Die Mamille ist im akuten Stadium schmerzhaft, gerötet, entzündet und geschwollen und bei Chronizität verdickt, rissig oder schuppig verändert. Beim Aufkratzen kommt es zum Nässen und zur Krustenbildung. Ein Mamillenekzem kann in allen Altersgruppen auftreten, auch bei Kindern oder stillenden Müttern. Bei stillenden Patientinnen handelt es sich um eine sehr schmerzhafte Erkrankung, die entsprechende schmerzstillende Maßnahmen und eine lokale Applikation von Corticosteroiden erfordert (Barankin & Gross, 2004). Häufig liegt eine bekannte atopische Dermatitis vor, mit chronischen und rezidivierten Verläufen, familiärer Anamnese und Begleiterkrankungen wie Asthma oder Heuschnupfen.

    Candida albicans wird heutzutage nicht primär als Ursache einer chronischen subareolären Entzündung angesehen, spielt aber bei oberflächlichen Entzündungen eine Rolle und wird dann als mammäre Candidiasis bezeichnet. Dagegen gilt der Begriff »Soormastitis«, der vereinzelt in Schriften auftaucht (Kollow et al., 2011), als überholt, da die Entzündung des Drüsengewebes bei Mastitis nur in den seltensten Fällen mit Pilzerregern assoziiert sein kann, und es sich dann auch nicht um Candida handelt. Die Candidiasis der Brusthaut betrifft die Mamille und die Areola und ist beim Stillen mit brennenden oder stechenden Schmerzen assoziiert (Heller et al., 2012).

    Bei der Laktation kann es zu einem Aufblühen einer Psoriasis der Mamille und zum Auftreten neuer Plaques kommen (Heller et al., 2012). Diese Befunde manifestieren sich als scharf begrenzte, erythematöse und schuppende Plaques. Sie betreffen die Haut der Areola und können auf die Brusthaut übergreifen. Die Symptome werden von den Patientinnen als juckend und schmerzhaft beschrieben.

    Eine seltene Form stellt die Entzündung der Montgomery-Drüsen des Warzenhofs dar (Blech et al., 2004). Hier kommt es zum Auftreten multipler weißlicher oder erythematöser Papeln mit einem Durchmesser von 2–4 mm und geringer Schmerzhaftigkeit, aber ohne eine damit verbundene Mamillensekretion. Diese Veränderung ist histologisch nur mit einem geringen Entzündungsinfiltrat assoziiert und hat keinen Bezug zu einer Entzündung der Milchgänge. Eine antibiotische Therapie ist hier nicht erforderlich, da die Entzündung von selbst wieder abklingt. Ihre Ursache ist unbekannt.

    Rubrik: Ausgabe 10/2022

    Erscheinungsdatum: 23.09.2022

    Literatur

    Barankin, B., Gross, M.S. (2004). Nipple and areolar eczema in the breastfeeding woman. J Cutan Med Surg, Mar-Apr;8(2):126–30.

    Barrett, M.E., Heller, M.M., Fullerton Stone, H., Murase, J.E. (2013). Dermatoses of the breast in lactation. Dermatol Ther, Jul-Aug;26(4):331–6.

    Bässler, R. (1997). Die Mastitis. Klassifikation, Histopathologie und Klinik. Pathologe, Jan;18(1):27–36.

    Blech, H., Friebe, K., Krause, W. (2004). Inflammation of Montgomery glands. Acta Derm Venereol, 84(1):93–4.

    Dillon, D.A., Lester, S.C. (2009). Lesions of the Nipple. Surg Pathol Clin, Jun;2(2):391–412.

    Heller, M.M., Fullerton-Stone, H., Murase, J.E. (2012). Caring for new mothers: diagnosis, management and treatment of nipple dermatitis in breastfeeding mothers. Int J Dermatol, Oct;51(10):1149–61.

    Kollow, P., Dakkak, R,. Ramsauer, B., Vetter, K. (2011). Ein häufig verkanntes (unterschätztes) Problem der Stillperiode: Soormastitis. Z Geburtshilfe Neonatol, 17.11.2011;215(S...

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