Auszüge aus der S3-Leitlinie der AWMF

Phytotherapie bei unkompliziertem Harnwegsinfekt?

  • Kräuterextrakte, zum Beispiel aus Löwenzahnwurzel, können bei unkomplizierten Harnwegsinfekten helfen.

  • Sind Pflanzen(-extrakte) als keimtötende Mittel bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen wirkungsvoll und sicher? Eine diesbezügliche S3-Leitlinie der AWMF hat auch Phytotherapeutika auf den Prüfstand gestellt. Daraus einige Auszüge.

    Getränke und Speisen

    Bei unklarem Einfluss der Trinkmenge auf die Entstehung von rezidivierenden Harnwegsinfektionen ist nach ExpertInnenmeinung auf eine ausreichende, aber auch nicht zu hohe Trink- und Urinmenge – circa 1,5 l/Tag – zu achten, um im Urin befindliche, das bakterielle Wachstum hemmende Substanzen (…) nicht zu verdünnen. Der regelmäßige Verzehr von Fruchtsäften, insbesondere aus Beeren, sowie mit probiotischen Bakterien fermentierten Milchprodukten geht mit einer niedrigeren Rate an rezidivierenden Harnwegsinfektionen einher.

    Der Einfluss des Konsums von Nahrungsergänzungsmitteln, Früchten, Gemüse, Fett oder Fleisch auf die Rate an Harnwegsinfektionen wurde bisher nicht systematisch untersucht. (…)

    In der nordamerikanischen Volksmedizin wurde Cranberrysaft schon lange zur Prävention rezidivierender Harnwegsinfektionen eingesetzt. Avorn und KollegInnen konnten schließlich 1994 die Rate an Bakteriurien unter Cranberrysaft gegenüber einem Placebo-Saft halbieren konnten. Die Ergebnisse der nachfolgenden Studien und Übersichten zur Langzeitprävention rezidivierender Harnwegsinfektionen mit Cranberry- und Moosbeerenprodukten (Vaccinium macrocarpon, Vaccinium oxycoccus) aus Saft, Kapseln, Tabletten oder getrockneten Beeren gegenüber Placebo, Nichtbehandlung und anderen Präventionsregimen waren widersprüchlich, so dass aktuell keine Empfehlung ausgesprochen werden kann.

    Pflanzliche Harnwegsdesinfizientien

    Einige pflanzliche Harnwegsdesinfizientien wie Brunnenkresse, Meerrettichwurzel und weißes Sandelholz sind zur unterstützenden Behandlung von Harnwegsinfektionen zugelassen. Aufgrund grundsätzlicher indikationsspezifischer Erwägungen eignen sich Bärentraubenblätter und Sandelholz allerdings nicht für eine Langzeittherapie über einen Monat hinaus. Für Sandelholz wurden Nierenschäden beschrieben.

    In einer placebokontrollierten, doppelblinden, randomisierten Studie mit einem Mischprodukt aus Bärentraubenblättern und Löwenzahnwurzel (UVA-E, Medic Herb AB – Göteborg, Schweden, 3 x 3 Tabletten pro Tag über einen Zeitraum von einem Monat) blieben 30 von 30 Patientinnen über ein Jahr hinweg rezidivfrei (unter Placebo nur 5 von 27). In beiden Gruppen traten keine unerwünschten Arzneimittelwirkungen auf. In den deutschsprachigen Ländern ist dieses Präparat nicht erhältlich.

    In einer prospektiven, randomisierten, verblindeten Studie mit PatientInnen mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen wurden jeweils 2 Tabletten Verum (jeweils 80 mg Meerrettichwurzelextrakt und 200 mg Kapuzinerkresse am Morgen und Abend, Angocin Anti Infekt N®) (n=51) oder Placebo-Tabletten (n=52) über drei Monate hinweg verabreicht. Während der Studie sank die Harnwegsinfektionsrate unter Verum auf 0,43 und unter Placebo auf 0,77. Die Anzahl der unerwünschten Arzneimittelwirkungen unterschied sich zwischen Verum und Placebo nicht statistisch signifikant.

    Zu den pflanzlichen Aquaretika wie Birkenblätter, Brennnesselkraut, chinesische Kräuter, Gartenbohnenhülsen, Goldrutenkraut, Hauhechelwurzel, Orthosiphon-Blätter, Liebstöckelwurzel mit Rosmarin und Tausendgüldenkraut, Petersilienkraut und -wurzel, Queckenwurzelstock, Schachtelhalmkraut und Wacholderbeeren (wegen möglicher Nierenschädigung keine Langzeitprävention) liegen bisher keine Studien zur Langzeitprävention mit validen Daten vor.

    Quelle: AWMF: S3-Leitlinie Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. Registernummer 043 – 044. Stand: 30.4.2017, gültig bis 31.12.2021. https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/043-044.html DHZ

    Rubrik: Medizin & Wissenschaft

    Erscheinungsdatum: 17.10.2019