Pränataler Cannabiskonsum prägt kindliches Verhalten
Die Kinder von Frauen, die während der Schwangerschaft Cannabis konsumiert hatten, zeigten in einer prospektiven Studie im Alter von fünf Jahren häufiger Defizite in exekutiven Funktionen und in der Impulskontrolle.
Der Cannabiskonsum in der Schwangerschaft ist seit der Legalisierung in vielen US-Staaten gestiegen bei einem gleichzeitig erhöhten Gehalt der Droge Tetrahydrocannabinol (THC). US-Pädiater:innen und auch der Gynäkolog:innenverband warnen vor möglichen negativen Auswirkungen auf die vorgeburtliche Entwicklung.
Denn THC gelangt über die Plazenta in den Kreislauf des Kindes, wo es an den Rezeptoren der Endocannabinoide bindet. Im Gehirn finden sich die Rezeptoren in größerer Menge im Frontallappen des fetalen Gehirns, der Region, die den exekutiven Funktionen zugrunde liegt.
Als exekutive Funktionen werden eine Reihe von kognitiven Fähigkeiten zusammengefasst, die ein zielgerichtetes Problemlösungsverhalten ermöglichen. Dazu gehören Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, Planung und auch eine Inhibitionskontrolle. Letztere verhindert, dass Menschen in ein aggressives Verhalten wechseln, wenn sie ein Problem nicht gleich lösen können.
Kognitive Fähigkeiten im Test
Die Verhaltensforscherin Sarah Keim vom Abigail Wexner Research Institute in Columbus/Ohio hat zu dieser Frage die Ergebnisse der »Lifestyle and Early Achievement in Families«-Kohorte ausgewertet. Diese begleitet eine Gruppe von Kindern seit der Schwangerschaft ihrer Mütter. Dabei werden regelmäßig kognitive Fähigkeiten bei Mutter und Kind getestet.
Bei den Kindern werden die globalen kognitiven Fähigkeiten mit der »NIH Toolbox Early Childhood Cognition Battery« gemessen mit einzelnen Tests zu Aufmerksamkeit und Inhibitionskontrolle, kognitiver Flexibilität, Sprache und episodischem Gedächtnis. Die Planungsfähigkeit wird mit dem »Tower of Hanoi« gemessen. Dort müssen die Kinder Bausteine verschiedener Größe umschichten.
Keim stellt die Ergebnisse der dritten Untersuchungswelle vor, die im Alter der Kinder von fünf Jahren durchgeführt wurde. Die Ergebnisse wurden mit den Angaben der Schwangeren zum Cannabiskonsum und zu den Ergebnissen der Urinuntersuchungen verglichen, die in jedem Trimenon einmal durchgeführt wurden.
Das Problem derartiger Untersuchungen ist, dass die Cannabisexposition, die bei jeder dritten Schwangeren vorlag, häufig mit einer sozialen und wirtschaftlichen Deprivation verbunden ist sowie mit einem erhöhten Stresslevel der Schwangeren. Beides könnte sich unabhängig vom Cannabiskonsum ungünstig auf die Entwicklung der Kinder auswirken.
Keim versucht, diese Faktoren so gut wie möglich in einer »Propensity-Score«-Gewichtung auszugleichen, die nur Mütter mit gleichen Eigenschaften gegenüberstellt. Die Möglichkeiten sind jedoch beschränkt, da die Angaben der Mütter zu ihrer persönlichen Situation begrenzt sind und auch nicht immer zutreffen müssen.
Defizite bei der Aufmerksamkeit
Die Ergebnisse bestätigen jedoch die Befürchtungen der Hirnforscher:innen und Pädiater:innen. Die während der Schwangerschaft mit THC exponierten Kinder zeigten kognitive Defizite in mehreren Bereichen, die allerdings nur bei der Aufmerksamkeit signifikant waren. Die Kinder scheiterten häufiger im »Tower-of-Hanoi«-Test, und sie zeigten häufiger ein aggressives Verhalten, wenn sie provoziert wurden.
Am größten waren die Defizite im Aufmerksamkeitstest. Keim gibt sie mit 0,4 Standardabweichungen an, was eine größere Effektstärke andeutet. Keim befürchtet, dass der Cannabiskonsum später die Chancen der Kinder in Schule und Ausbildung beeinträchtigt.
Quelle: Keim, S. A., Fried, P., Yeates, K. O., Boone, K. M., Vrantsidis, D. M., Dean, A., Murnan, A. W., Rausch, J., & Klebanoff, M. A. (2024). Prenatal Cannabis Exposure and Executive Function and Aggressive Behavior at Age 5 Years. JAMA pediatrics, 10.1001/jamapediatrics.2024.4352. https://doi.org/10.1001/jamapediatrics.2024.4352 · aerzteblatt.de. 5.11.24 · DHZ