Lancet Global Health

Professionelle Hebammenarbeit senkt perinatale Mortalität sowie Fehlgeburten

  • Bereits eine moderate Verbesserung der professionellen Hebammenversorgung (10 % alle 5 Jahre) könnte jährlich zu einer Senkung von 22 % der mütterlichen Todesfälle, 23 % der kindlichen Todesfälle und 14 % der Fehlgeburten führen.

  • Die mütterliche und kindliche Gesundheit zählt seit Jahrzehnten zu den wichtigsten Gesundheitszielen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Um dieses Ziel zu erreichen, priorisieren verschiedene Gesundheitsorganisationen weltweit die Stärkung qualitativ hochwertiger Hebammenversorgung. Bereits im Jahr 2014 zeigte eine Lancet Series anhand verschiedener Publikationen, dass die kindliche und mütterliche Mortalität durch Hebammenarbeit in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen gesenkt werden kann. Eine aktuelle Lancet Studie wurde nun veröffentlicht, die hierzu noch differenziertere Ergebnisse bietet.

    In der sogenannten »Lives saved tool modelling study« wurden anhand fiktiver Berechnungen die Auswirkungen verschiedener Interventionen im Rahmen professioneller Hebammenversorgung auf die Vermeidung und Senkung mütterlicher und kindlicher Sterbefälle sowie Fehlgeburten untersucht.

    Darüber wurde die Anzahl an Todesfällen geschätzt, die jährlich bis 2035 abgewendet werden könnten, wenn Interventionen im Rahmen professioneller Hebammenversorgung in 88 Ländern die überwiegende Mehrheit ausmachen würde. – In den Berechnungen aus dem Jahr 2014 wurden nur 78 Länder berücksichtigt.

    In der neuerlichen Untersuchung wurden vier Szenarien durchgerechnet. Szenario 1 umfasste eine moderate Erhöhung professioneller Hebammenversorgung um 10 % alle 5 Jahre, Szenario 2 eine erhebliche Erhöhung um 25 % alle 5 Jahre, Szenario 3 eine universelle Abdeckung aller erforderlicher Interventionen durch Hebammen und Szenario 4 eine Senkung um 2 % alle 5 Jahre. Die Länder wurden nach dem Human Development Index (HDI) in drei gleich große Gruppen aufgeteilt. Gruppe A umfasst dabei die 30 Länder mit dem geringsten HDI, Gruppe B 29 Länder mit niedrigem bis geringem HDI und Gruppe C 29 Länder mit mittlerem bis hohem HDI.

    Die Ergebnisse der Schätzung zeigen, dass bereits eine moderate Erhöhung professioneller Hebammenversorgung (10 % alle 5 Jahre) jährlich zu einer Senkung von 22 % der mütterlichen Todesfälle, 23 % der kindlichen Todesfälle und 14 % der Fehlgeburten führen würde. Dies entspricht in der Summe einer Senkung von 1,3 Millionen Todesfällen pro Jahr. Eine erhebliche Zunahme von Interventionen im Rahmen professioneller Hebammenarbeit (25 % alle 5 Jahre) hat im Vergleich zur derzeit existierenden Situation das Potential 41 % der mütterlichen Todesfälle, 39 % der kindlichen Todesfälle und 26 % der Fehlgeburten zu vermeiden. Dies entspricht im Jahr 2035 in der Summe 2,2 Millionen Todesfällen pro Jahr. Eine universelle Abdeckung aller Interventionen im Rahmen professioneller Hebammenarbeit hat das Potenzial zu Senkung von 67 % der mütterlichen Todesfälle, 64 % der kindlichen Todesfälle und 65 % der Fehlgeburten, somit einer Senkung von 4,3 Millionen Sterbefällen pro Jahr. Diese Senkung würde hauptsächlich in den Gruppen A und B sichtbar sein, da diese im Vergleich zur Gruppe C eine hohe mütterliche und kindliche Sterblichkeit aufzeigen.

    Die AutorInnen schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass Interventionen im Rahmen professioneller Hebammenversorgung maßgeblich dazu beitragen können, die kindliche und mütterliche Sterblichkeit in Ländern mit niedrigem und mittlerem durchschnittlichem Einkommen zu senken. Sie weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass verschiedene Probleme existieren, die Hebammen daran hindern, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Sie empfehlen, diese Probleme zu lösen und praktische Kompetenzen von Hebammen an Empfehlungen der International Confederation of Midwives (ICM) auszurichten. Die Investitionen im Bereich der Stärkung der Hebammenversorgung sollten nicht nur darin bestehen, die Zahl praktizierender Hebammen zu erhöhen, sondern deren Aus- und Weiterbildung sowie ihre Arbeitsumgebung zu verbessern.

    Quelle: Nove A et al.: Potential impact of midwives in preventing and reducing maternal and neonatal mortality and stillbirths: a Lives Saved Tool modelling study. Lancet Global Health 2020. https://doi.org/10.1016/S2214-109X(20)30397-1 DHZ

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 21.12.2020