Regelwidrige Schädellagen in der Lehre

Wie lassen sich Zeichen und Merkmale für mögliche oder manifeste Notfallsituationen am Beispiel regelwidriger Schädellagen in Theorie und Praxis anschaulich vermitteln? Eine erfahrene Hebamme und Medizinpädagogin erläutert, was geburtshilflich tätige Hebammen den Auszubildenden und Student:innen dazu an die Hand geben sollten. Hella R. Köster
  • Der vaginale Untersuchungsbefund kann in der Praxisanleitung am Beckenmodell nachgestellt werden.

  • Regelwidrige Schädellagen (RSL) weichen vom Verlauf der Geburt in dorsoanteriorer Hinterhauptshaltung ab, die als regelrecht bezeichnet wird. Sie sind jeweils für sich genommen charakteristisch. Inwieweit eine Geburt in RSL kompliziert verläuft oder sogar in einen akuten Notfall mündet, hängt von der jeweiligen Abweichung und den individuellen Anpassungsmöglichkeiten ab. Hierbei kommt den spezifischen Zeichen und Untersuchungsmerkmalen eine zentrale Bedeutung zu.

     

    Regelwidrige Schädellagen

     

    Die Zuordnung der regelwidrigen Schädellagen erfolgt nach der jeweils geburtsbestimmenden Problematik.

    Regelwidrige Einstellungen:

    • hoher Geradstand
    • Scheitelbeineinstellung
    • tiefer Querstand.

    Regelwidrige Stellung:

    • hintere Hinterhauptshaltung (-lage).

    Regelwidrige Haltungen:

    • Roederer-Kopfhaltung
    • Vorderhauptshaltung (-lage)
    • Stirnhaltung (-lage)
    • Gesichtshaltung (-lage).

     

     

    Ziele der Ausbildung

     

    Meistens versucht der kindliche Kopf, sich mithilfe der regelwidrigen Einstellung, Haltung oder Stellung an abweichende oder ungünstige Bedingungen anzupassen, so dass ein komplexes Problem vorliegt. Oder aber es gibt keinen Anpassungszwang, beispielsweise bei einem kleinen Kind oder nachgiebigem Weichteilgeburtsweg.

    Notfallsituationen bei RSL entwickeln sich in der Regel erst im Geburtsverlauf, dann aber mit erheblichen Risiken für Mutter und Kind (siehe auch Kasten: Risikokatalog). Umso wichtiger ist es, eine RSL frühzeitig zu diagnostizieren und eine individuelle Risikoeinschätzung vorzunehmen. Schließlich geht es darum, einen erschwerten oder geburtsunmöglichen Verlauf zu erkennen und somit mütterliche und kindliche Notfälle abzuwenden. Es handelt sich dann um klassische Notfälle, wie eine akute kindliche Hypoxie oder eine drohende Uterusruptur, die jeweils ihr eigenes Handlungsschema haben.

     

    Risikokatalog

     

    Nachfolgende Risiken können bei Mutter und/oder Kind durch regelwidrige Schädellagen entstehen:

    Schwerwiegende mütterliche Geburts­verletzungen:

    • hoher Scheidenriss und Zervixriss, DR IV. Grades, Drucknekrosen/Fisteln, Uterusruptur, Symphysenschäden

    Komplizierte Geburt:

    • Nabelschnurvorfall
    • Amnioninfektionssyndrom
    • erschwerte bis erfolglose vaginal-operative Geburtsbeendigung
    • Notsectio bei erschwerter Reponierbarkeit des kindlichen Kopfes.

    Schwerwiegende kindliche Verletzungen:

    • Hirnblutungen, hypoxischer Schaden, Frakturen, Hämatome, Paresen

     

     

    Die theoretische Ausbildung

     

    In der Theorie wird neben den Eckdaten zu den regelwidrigen Schädellagen, wie dem geburtsmechanisch wirksamen Kopfumfang mit Maßen und dem Stemmpunkt, ein allgemeines Grundverständnis vermittelt. Basis dafür sind Materialien wie Skript oder Powerpoint-Präsentation der Lehrkraft sowie ergänzende Fachliteratur, Abbildungen, Lehrvideos und Modelle. Anteilig findet der Wissenserwerb in Einzel- oder Gruppenarbeit, im Selbststudium oder im Unterrichtsgespräch statt.

    Zum Einstieg gibt die Lehrkraft einen Überblick über die Regelwidrigkeiten, deren Bedeutung und abweichende Geburtsmechanismen. Im Weiteren werden relevante Fragestellungen und Vorgehensweisen für die Praxis vorgestellt und besprochen. Die Auszubildenden oder Studierenden berichten ihren Erfahrungen und Beobachtungen. Sie werden in Bezug zu den theoretischen Inhalten diskutiert.

     

    Verdachtsmomente und spezifische Diagnostik

     

    In der Praxis lassen sich regelwidrige Schädellagen häufig nicht allein anhand der Routineuntersuchungen zweifelsfrei diagnostizieren. Das trifft besonders in einem frühen Stadium der Geburt zu, bevor sie sich endgültig manifestiert haben. Im Sinne einer Notfallprävention ist es jedoch wichtig, einen abweichenden Verlauf rechtzeitig zu erkennen. Somit ist es erforderlich, Verdachtsmomente wahrzunehmen und weitere Untersuchungskriterien hinzuzuziehen. Vermittelt und vertieft beziehungsweise spezifiziert werden in der Theorie deshalb beispielsweise die folgenden Kompetenzen.

    Eine spezifische Risikoanamnese erstellen

    • Komplikationen bei eigenen vorausgegangenen Geburten bzw. Geburten in der Familie
    • relevante Schwangerschaftskomplikationen (zum Beispiel Diabetes, Polyhydramnion, Frühgeburt)
    • bekannte anatomische Besonderheiten (Becken, Uterus)
    • auffällige Ultraschall- oder CTG-Befunde
    • eingeschränkte körperliche und seelische Ressourcen der Mutter, Ängste und Erwartungen.

    Einschätzung der kindlichen Vorbedingungen

    • geschätztes Gewicht des Kindes (Palpation, US)
    • Gestationsalter überprüfen und gegebenenfalls aktualisieren
    • Vorbelastungen aus dem Schwangerschaftsverlauf (Hypothrophie, Mangelversorgung).

    Äußere Befunde zur Feststellung einer Regelwidrigkeit erheben

    • Palpation (Leopoldhandgriffe) zielgerichtet durchführen: charakteristische Merkmale einer abweichenden Stellung des Rückens und sonstiger tastbarer Kindsteile, tastbare Strukturen des Kopfes.
    • Inspektion der Bauchdecke: Auffälligkeiten der Bauchform, ungewöhnliche Wahrnehmungen der Frau zur Position des Kindes.
    • Auskultation der fetalen Herzfrequenz (FHF): den typischen Punktum maximum einer Regelwidrigkeit gezielt aufsuchen.

    Hinweiszeichen während der Geburt erkennen

    • vorzeitiger Blasensprung
    • besondere Schmerzsensationen (z.B. Symphyse und Promontorium, früher Pressdrang)
    • Wehenschwäche oder Wehensturm
    • unverhältnismäßiger Anstieg der Bandl-Furche (drohende Uterusruptur)
    • protrahierter Geburtsverlauf und Geburtsstillstand.

    Besonderheiten bei der vaginalen Untersuchung feststellen

    • ausgeprägte Konfiguration, Geburtsgeschwulst (Unterscheidungsmerkmale)
    • »spitze« Einstellung des Kopfes
    • unzureichender Füllungszustand der Kreuzbeinhöhle durch den kindlichen Kopf
    • abweichende Einstellung abhängig von den Beckenräumen
    • Merkmale des Vorderhaupts, der Stirn und des Gesichts
    • abweichende Höhenstandsbestimmung bei Deflexionshaltungen.

    Erweiterte äußere und innere Beckendiagnostik durchführen:

    • z.B. Promotorin erreichbar, spitzer Schambogenwinkel, Abweichungen der Michaelisraute, vorbestehende Beschwerden beispielsweise durch Beckenlockerung/Blockade im Iliosakralgelenk
    • funktionelle Beckendiagnostik: äußere Handgriffe zur Bestimmung des Höhenstandes, der Beziehung des Kopfes zum Becken (einschließlich 4. Leopold-Handgriff, Zangemeister-Handgriff).

    Risikobewertung und -kriterien:

    Aus der Gesamtheit der Befunde erfolgen eine Risikobewertung und die vorausschauende Planung zur Notfallprävention sowie zu akuten Notfallmaßnahmen. Dabei kann ein Schema mit sechs Schritten eine Hilfestellung bieten (siehe Kasten: »Schema«).

    Schema

     

    Abweichungen und ihre Folgen

     

    1. Ursachen und Zusammenhänge erkennen, Gesamtheit der Befunde bewerten.
    2. Unterscheidung zwischen einer erschwerten Anpassung und einer unkomplizierten Ausgangssituation (bei fehlendem Anpassungszwang).
    3. Anpassungsoptionen verifizieren: Kann sich der kindliche Kopf anpassen oder ist eine Vaginalgeburt unmöglich (z.B. dorsoanteriore Stirnhaltung oder bestehenbleibender hoher Geradstand)?
    4. Mögliche Komplikationen für den Geburtsverlauf nachvollziehen.
    5. Risiken von Interventionen im Geburtsverlauf abwägen (zum Beispiel Amniotomie, Wehentropf, frühzeitiges aktives »Pressen«).
    6. Optimalen Zeitpunkt/Situation für eine aktive Geburtsbeendigung (vaginal-operativ, Sectio) festlegen.

     

     

    Ein Beispiel

     

    Beim Eintritt des kindlichen Kopfes ins Becken präsentiert sich die Stirn. Es ist davon auszugehen, dass ein Kind selbst in dorsoposteriorer Stirnhaltung nur unter optimalen Bedingungen spontan und ohne erhebliche Risiken für Mutter und Kind geboren werden kann, also wenn es sich um ein kleines Kind handelt, dessen Mutter ein großzügig gebautes Becken hat. Eine dorsoposteriore Stirnhaltung sollte sich deshalb in der Regel in die günstigere dorsoposteriore Gesichtshaltung umgewandelt haben, bevor der Kopf sich fest im Beckeneingang befindet. Eine vaginal-operative Geburtsbeendigung wäre wegen der großen Raumforderung mit einem hohen Risiko behaftet, die Reponierbarkeit für eine Sectio deutlich erschwert und riskant. Somit wäre hier gegebenenfalls die rechtzeitige Sectio angezeigt.

    Die Gesamtbewertung kann anderseits ergeben, dass bei einer Vaginalgeburt beispielsweise in Vorderhauptshaltung mit einem protrahierten Verlauf zu rechnen ist. Ein behutsamer Umgang mit den Ressourcen von Mutter und Kind würde hier präventiv wirken. Frühe Interventionen, zum Beispiel um die Geburt zu beschleunigen, führen gerade bei RSL zu kritischen Situationen. Nicht zuletzt gehört dazu auch das zu frühe und forcierte Pressen bei einem falsch eingeschätzten Höhenstand des kindlichen Kopfes. Der abweichende Höhenstand bei einer Deflexionshaltung lässt den Kopf tiefer erscheinen, als er tatsächlich ist.

     

    Übungen am Modell

     

    Arbeit mit dem knöchernen Beckenmodell und einer Modellpuppe

    Die Auszubildenden kennen das knöcherne Becken mit seinen geburtshilflich relevanten Knochenpunkten und den Beckenräumen aus vorausgegangenen Unterrichtseinheiten. Die Lehrkraft hat die Regelwidrigkeiten bereits am Modell verdeutlicht und kritische Punkte aufgezeigt. Nun können die Auszubildenden in Kleingruppen die verschiedenen RSL am Modell einstellen. Dabei unterstützen und kontrollieren sie sich gegenseitig. Die Lehrkraft ist als Ansprechpartner/-in präsent. Bei der eigenen aktiven Umsetzung werden die Merkmale und Befunde der RSL nochmals klarer. In der dreidimensionalen Ansicht können die werdenden Hebammen äußere und innere Befunde zusammenbringen. In der Praxis lassen sich so Regelwidrigkeiten aus der Summe einzelner Befunde sicherer diagnostizieren. Im nächsten Schritt vollziehen die Auszubildenden am selben Modell die speziellen Geburtsmechanismen nach, um sich mögliche Schwierigkeiten und Hindernisse zu verdeutlichen, beispielsweise bei der geburtsunmöglichen dorsoanterioren Gesichtshaltung.

    Übungen am geburtshilflichen Phantom

    Parallel oder im Nachgang zu den Übungen am Modell können sich die Auszubildenden oder Studierenden die RSL gegenseitig am geburtshilflichen Phantom einstellen. Gleichzeitig machen sie sich dabei wieder mit dem Phantom vertraut, nachdem sie es schon aus der Beschäftigung mit der dorsoanterioren Hinterhauptshaltung kennen. Im nachfolgenden fachpraktischen Unterricht in Kleingruppen stellt die Lehrkraft RSL am Phantom ein. Die werdenden Hebammen führen die vaginale Untersuchung durch, nennen ihre Befunde und stellen abschließend eine Diagnose. Bei der Übung werden auch Besonderheiten bei der Befunderhebung in der Praxis besprochen.

     

    Arbeit mit Fällen

     

    Die Arbeit mit Fällen stellt einen weiteren Ansatz für die Vorbereitung auf die Praxis dar. Sie ermöglicht insbesondere, Fachwissen in komplexen Zusammenhängen und auf einen individuellen Fall bezogen anzuwenden. Dafür werden klassische Situationen aus der Praxis dargestellt, in denen sich die jeweils spezielle Problematik wiederfindet. Sie kann dort auf den Punkt gebracht werden. Davon abzugrenzen ist die didaktische Methode der Fallarbeit. Beispielhaft werden hier zwei kleine Übungsfälle vorgestellt.

    Fall 1 – vorausschauende Analyse und Bewertung

    Andrea wendet sich besorgt an eine Hebamme: »Ich bin in der 38. Woche und mein Kleines liegt im Ultraschall mit dem Rücken schräg nach hinten. Meine Gynäkologin hat gesagt, dass das für die Geburt eventuell ungünstig sein könnte. Was bedeutet das genau und wie groß ist die Chance, dass es sich noch vor oder während der Geburt dreht? Verlängert sich die Geburt durch diese Lage?«

    Fragestellungen:

    • Welche geburtshilfliche Regelwidrigkeit tritt bei vorbestehender b-Stellung des kindlichen Rückens gehäuft auf?
    • Welche Informationen können Sie Andrea bezüglich des zu erwartenden Geburtsverlaufs geben?
    • Erklären Sie detailliert mögliche Komplikationen im Geburtsverlauf.

    Fall 2 – Analyse im Geburtsverlauf

    • Dokumentation: 35 J., 2 Gravida/0 Para, 39 + 1 SSW, Blasensprung 20 Uhr, grün tingiertes Fruchtwasser
    • 21.00 Uhr: Klinikaufnahme. Aufnahmebefund: MM 3–4 cm, VT Kopf dem Becken aufgesetzt, kräftige Wehen alle 5 min. Die Frau ist hoch motiviert. CTG: FHF nach FIGO normal.
    • Nächster Morgen, 7.00 Uhr: MM bis auf rigiden Saum vollständig, VU: Pfeilnaht gerade, kleine Fontanelle hinten, fast zentriert, Kreuzbeinhöhle leer, Leitstelle in der Tiefe sichtbar
    • CTG: zunehmend treten frühe Dezelerationen mit einem Abfall der fetalen Herzfrequenz auf 80–90 Spm auf
    • Die Frau hat im Laufe der Nacht alle Positionen eingenommen und sagt: »Das Kind soll jetzt kommen!« Bis jetzt hat sie bewusst auf Schmerzmittel verzichtet.

    Fragestellung:

    Wie lautet die Diagnose und wie sieht das weitere Vorgehen aus?

     

    Anregungen für die praktische Ausbildung

     

    Die Betreuung regelwidriger Schädellagen setzt umfangreiches geburtshilfliches Basiswissen sowie praktische Fähigkeiten und Fertigkeiten in der Begleitung von Geburten voraus. So wird der theoretische Teil erst mit fortgeschrittener Ausbildung gelehrt und kann dann auch erst in der Praxis gezielt umgesetzt werden. RSL treten im dynamischen Prozess der Geburt auf, was eine gezielte Praxisanleitung schwer planbar macht. Im Folgenden werden Möglichkeiten aufgezeigt, Anleitungssituationen zu gestalten:

    Anamnestische Risikofaktoren

    Es wird vorausgesetzt, dass Auszubildende oder Studierende bereits gelernt haben, eine sorgfältige, umfassende Anamnese vorzunehmen. Dazu zählen auch Befunde, die bei der Aufnahme zur Geburt erhoben wurden. Ein Risikoprofil für RSL kann in der Anamnese nun gezielt erstellt werden. Dabei ist die Lernende in der Lage, auch Komplikationen bei vorausgegangenen Geburten unter dem Gesichtspunkt der RSL zu analysieren. Ebenso kann sie in einem kritischen Geburtsverlauf erneut auf die Anamnese und Aufnahmebefunde zurückgreifen, um das Gesamtbild der aktuellen Situation zu vervollständigen. Nicht immer wird es möglich sein, alle Zusammenhänge im akuten Geschehen zu erfassen. Dann können die Daten auch noch retrospektiv bewertet werden, im Sinne einer Nachbesprechung.

    Besondere Merkmale bei der vaginalen Befunderhebung

    Die vaginale Untersuchung im Geburtsverlauf stellt eine Belastung für die Gebärende dar und wird idealerweise auf das notwendige Minimum beschränkt. So werden auch unmittelbare Vor- und Nachuntersuchungen durch die Auszubildenden weitgehend vermieden. Bei regelrechten Geburtsverläufen erfolgt die Untersuchung deshalb meistens in einem zeitlich angemessenen Abstand im Wechsel mit der Hebamme. Bei pathologischen Verläufen benötigen qualifizierte Fachpersonen wie Hebammen und Geburtshelfer:innen in der Regel einen eigenen soliden Befund.

    Wie lässt sich dennoch ein Lernprozess gestalten? Die Hebamme kann zum einen ihre eigenen, vom normalen Geburtsverlauf abweichenden Befunde sehr genau benennen und beschreiben, so beispielsweise einen fehlenden Kontakt des kindlichen Kopfes zum Muttermund oder eine leere Kreuzbeinhöhle bei tiefstehender Leitstelle.

    Im Gegenzug können vor einer vaginalen Untersuchung relevante Parameter vorab besprochen werden. Somit kann die Auszubildende eine zielgerichtete Untersuchung durchführen und auffällige Befunde verifizieren. Die genaue und umfassende Dokumentation der Befunde unterstützt den Lernprozess. In Kenntnis der Merkmale von RSL kann es sogar die Auszubildende selbst sein, welche die Diagnose stellt. Die anleitende Hebamme kann dies ausnahmsweise durch eine unmittelbare Nachuntersuchung bestätigen. Die abschließende Diagnose kann sich bereits aus dem vaginalen Untersuchungsbefund ergeben oder aber sie muss verifiziert werden.

    Hilfsmittel

    In der Praxisanleitung kann der vaginale Untersuchungsbefund am knöchernen Beckenmodell mit einer Modellpuppe nachgestellt werden. Damit wird verdeutlicht, wo der kindliche Rücken steht, beziehungsweise um welche Einstellung oder Haltung es sich handelt oder handeln könnte. Idealerweise ist ein Modell immer zur Hand, so dass die Analyse der Einstellung auch im aktuellen Geburtsgeschehen erfolgen kann.

    Fachbücher und Lehrbücher mit aussagekräftigen Abbildungen können eine zusätzliche Hilfe bieten.

    Ergänzende Untersuchungen

    Idealerweise wird zum Geburtsbeginn sobald wie möglich die Ausgangssituation der Stellung und der Beziehung des kindlichen Kopfes zum Beckeneingang routinemäßig erfasst und dokumentiert. Dasselbe gilt für eine auffällige Bauchform, untypische Kindsbewegungen und einen abweichenden Punktum maximum der Auskultation der FHF. Ein Dopton oder ein HT-Rohr können zum Beispiel vor dem Anlegen eines CTGs routinemäßig zu Einsatz kommen. Ein Blick auf das Becken (Stellung, Bewegungseinschränkungen, Michaelisraute) sollte zu diesem Zeitpunkt in der Ausbildung bereits selbstverständlich sein. Auch eine innere Beckenaustastung wurde bereits eingeübt.

    Für die äußere funktionelle Beckendiagnostik mit dem 4. Leopold-Handgriff oder dem Zangemeister-Handgriff im akuten Geburtsgeschehen gilt die gleiche Herangehensweise wie bei der vaginalen Untersuchung.

     

    Reflexion und Planung

     

    Die begleitende Reflexion des Geburtsverlaufs ermöglicht den werdenden Hebammen, ergänzende Beobachtungskriterien und Hinweiszeichen zu überprüfen, gegebenenfalls im Nachgang zur Geburt. Eine gezielte Risikoeinschätzung sowie das weitere Vorgehen, einschließlich der Notfallprävention, kann auch hier systematisch nach den genannten Kriterien erfolgen.

    Rubrik: Ausgabe 02/2022

    Erscheinungsdatum: 28.01.2022