Multizentrische prospektive Kohortenstudie

Richtwerte für mütterliche Vitalzeichen im Wochenbett anpassen

  • Auch der mütterliche Blutdruck unterliegt im Wochenbett leichten Schwankungen und sollte sich eher an einem Richtwert von 150/100 mmHG orientieren.

  • Kenntnis und Überwachung der mütterlichen Vitalzeichen gehören im Wochenbett zu den grundlegenden Aufgaben einer Hebamme. Was aber sind evidenzbasierte Richtwerte? Hierzu wurde in Großbritannien eine multizentrische prospektive Kohortenstudie durchgeführt, um grundlegende Referenzwerte zu mütterlichen Parametern im Wochenbett zu erhalten.

    Zwischen August 2012 und September 2016 wurden 4.279 schwangere Frauen mit einer physiologischen Einlingsschwangerschaft vor der 20. Schwangerschaftswoche kontaktiert, von denen 1.054 die Zulassungskriterien erfüllten und sich für eine Teilnahme an der Studie entschieden. Nach der Geburt zeichneten die Frauen selbstständig täglich während der ersten beiden Lebenswochen ihres Kindes ihren Blutdruck, ihre Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung und Temperatur auf. Die von den Wöchnerinnen selbst gemessenen Vitalparameter wurden von einer Hebamme am 1., 7. und 14. Tag post partum überprüft. Die vollständigen Vitalparameter lagen in 86,2 % (n=909 Frauen) für die ersten beiden Wochen der Postpartalphase vor.

    Die Ergebnisse zeigten, dass während der ersten beiden Postpartalwochen leichte Schwankungen der durchschnittlichen Vitalparameter auftreten. Der mütterliche Blutdruck stieg bis zum fünften Lebenstag leicht an, um anschließend wieder abzusinken. Der Anstieg umfasste hierbei durchschnittlich 5 mmHg und stieg sowohl im systolischen Bereich von 116 mmHg auf 121 mmHg (88-147) wie auch im diastolischen Bereich von 74 mmHg auf 79 mmHg (59-93). Sowohl der mittlere systolische als auch der diastolische Blutdruck kehrten am 14. Tag nach der Geburt auf durchschnittlich 116 mmHg beziehungsweise 75 mmHg zurück. Die gemessenen Blutdruckspitzen lagen zwischen dem dritten bis achten Lebenstag des Kindes bei einzelnen Frauen über dem Referenzwert von 140/90 mmHg.

    Die mittlere mütterliche Herzfrequenz war am Tag der Geburt am höchsten und betrug 84 Schläge/min. Er sank innerhalb der ersten zwei Lebenswochen des Kindes auf durchschnittlich 75 Schläge/min (55-101). Die mittlere Sauerstoffsättigung betrug am Tag der Geburt 96 % (93-98%), die Atemfrequenz betrug 15 Atemzüge pro Minute (10-22) und die mittlere Körpertemperatur betrug 36,7 Grad Celsius. Die Sauerstoffsättigung, die mütterliche Atemfrequenz und die mütterliche Körpertemperatur änderten sich während der ersten zwei Lebenswochen des Kindes nicht.

    Die AutorInnen schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass mütterliche Vitalparameter im Verlauf des Wochenbetts leichten physiologischen Schwankungen unterliegen können. In diesem Zusammenhang weisen sie auf die Problematik der Diagnostik einer hypertensiven Erkrankung im Wochenbett hin, da die üblichen Referenzwerte von 140/90 mmHg mögliche physiologische Schwankungen nicht berücksichtigen. Sie schlagen im Wochenbett eine Orientierung an einen Referenzwert von 150/100 mmHg vor. Die AutorInnen empfehlen, Referenzwerte der mütterlichen Vitalzeichen im Rahmen eines evidenzbasierten Arbeitens in der Praxis zu nutzen.

    Quelle: Green LJ et al.: Postpartum-Specific Vital Sign Reference Ranges. Obstet Gynecol 2021. 137, 295-304. doi: 10.1097/AOG.0000000000004239 ∙ DHZ

     

     

     

    Rubrik: Wochenbett

    Erscheinungsdatum: 09.02.2021