Qualitative Studie aus Großbritannien zum Schwangerschaftsabbruch

Hebammen respektieren und unterstützen einander

  • Laut einer Studie respektieren und unterstützen Hebammen einander, wenn einzelne Hebammen eine Verweigerungshaltung zur aktiven Mitarbeit bei einem Schwangerschaftsabbruch einnehmen.

  • Hebammen gelten aus Sicht der Weltgesundheitsorganisation weltweit zu den Schlüsselpersonen bei der Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs. Die Betreuung einer Frau bei einem nicht lebensbedrohlichen Schwangerschaftsabbruch stellt Hebammen und Mitarbeiter:innen des Gesundheitswesens vor die Wahl: Je nach geltenden rechtlichen Grundlagen kann diese übernommen oder abgelehnt werden.

     

    Verweigerung in Großbritannien möglich

     

    Seit über 50 Jahren können Hebammen wie andere Mitarbeiter:innen des Gesundheitswesens in Großbritannien der Mitwirkung an einem Schwangerschaftsabbruch zustimmen oder diese ablehnen. Sowohl die Rechtsgrundlage als auch die praktische Umsetzung in Bezug auf eine Verweigerungshaltung bei einem Schwangerschaftsabbruch wird in verschiedenen europäischen Ländern unterschiedlich geregelt. Fachliteratur zum Themenkomplex der Verweigerungshaltung bei einem Schwangerschaftsabbruch zeigt auf, dass Hebammen in der Debatte bislang wenig berücksichtigt oder übergangen wurden.

    Aufgrund dieser Unklarheiten wurden die Grenzen und Limitierungen in Bezug auf das Einnehmen einer Verweigerungshaltung bei der Begleitung einer Frau bei einem Schwangerschaftsabbruch aus Sicht der Hebamme im Rahmen einer qualitativen Studie untersucht: Durchgeführt wurden semi-strukturierte Interviews unter 17 Hebammen aus England und Schottland zwischen November 2019 und März 2020, welche thematisch analysiert und mit Hilfe des »Human Right Framework for Midwifery care« reflektiert wurden (Thompson, 2004).

     

    Respekt und Unterstützung

     

    Die Ergebnisse zeigen, dass Hebammen einander in der Entscheidung, eine Verweigerungshaltung einzunehmen, respektieren und unterstützen. Dies wird über
    vier Themenfelder aufgezeigt:

    1. Respektieren und schützen
    2. Informierte Entscheidungen treffen
    3. Begleitung in Form einer nicht-diskriminierenden Betreuung
    4. Erfahrung und Kultur.

    »Respektieren und Schützen« spiegelt die Einstellung aller befragten Hebammen wider, dass Frauen das Recht haben, sich für einen Abbruch der Schwangerschaft zu entscheiden. Gleichzeitig spricht sich die Mehrheit der Hebammen dafür aus, dass auch Hebammen das Recht haben, gewissensbasiert die Mitwirkung an einem Schwangerschaftsabbruch verweigern zu dürfen.

     

    Informierte Entscheidung

     

    Eine Hebamme weist darauf hin, dass es in der Praxis kein großes Problem sein sollte, einzelnen Hebammen eine Verweigerungshaltung zuzugestehen: »Hebammenarbeit umfasst, die Frau über einen Zeitraum, der bereits vor der Konzeption beginnt, bis zur Postnatalzeit zu begleiten. Mit allem, was in diesem Zeitraum stattfindet, was die Frau individuell erlebt und entscheidet. Unabhängig auch davon, ob es sich um einen Verlust des Kindes oder eine Beendigung der Schwangerschaft handelt ... Ich denke nicht, dass dabei die Verweigerungshaltung einer Hebamme eine große Rolle spielt (Melanie).«

    Aus Sicht der Hebammen ist es sowohl für die Frau als auch für die Hebamme wichtig, eine »informierte Entscheidung« treffen zu können. Eine Hebamme (Mila) beschreibt, dass sie in der Praxis »Grauzonen« erlebt, wie Betreuungssituationen im Fall eines im Kreißsaal betreuten Schwangerschaftsabbruchs stattfinden. Relativ klare Übereinstimmung besteht unter den Hebammen, dass die Medikamentengabe zur Einleitung eines Abbruchs bedeutet, aktiv an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken: »Für mich ist es die Übergabe der Medikamente an die Frau die Mitwirkung an einem Schwangerschaftsabbruch, somit bedeutet eine Verweigerungshaltung, diese Übergabe der Medikamente abzulehnen (Mila).« Die Betreuung einer Frau nach einem Schwangerschaftsabbruch wurde durch die Mehrzahl der befragten Hebammen nicht als Teilnahme am Abbruch selbst eingestuft.

     

    Im Notfall

     

    Alle befragten Hebammen sind der Auffassung, dass sie in Notfallsituationen Frauen bei einem Schwangerschaftsabbruch helfen. Die Entscheidung einer Verweigerungshaltung sollte in Situationen außerhalb einer Notfallsituation nicht diskriminiert werden: »Ich denke, dass Betreuungspersonen selbst entscheiden sollten, wie sie eingebunden werden: Betreuungsinhalte die mir akzeptabel scheinen, mögen anderen Hebammen in diesem Umfang nicht möglich sein (…) (Megan).«

    Das Thema »Erfahrungen und Kultur« umfasst unter anderem die Art und Weise, wie eine Verweigerungshaltung in der Praxis kommuniziert und eingenommen wird. Eine Hebamme antwortet auf die Frage, ob sie jemals direkt nach ihrer Einstellung gefragt wird: »Nein, ich wurde nicht direkt gefragt - und denke auch nicht, dass ich direkt gefragt werde. Ich bin gefragt worden: Ist es okay für dich, diese Frau zu betreuen? (Meya).«

     

    Resümee

     

    Die Autorinnen schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass Hebammen einander respektieren und unterstützen, wenn einzelne Hebammen eine Verweigerungshaltung einnehmen. Es geht darum, in der Praxis eine Balance zu finden: Eine Balance zwischen den Bedürfnissen und autonomen Entscheidungen der Frau sowie den Rechten und Bedürfnissen hinsichtlich gewissensbasierten Entscheidungen der betreuenden Hebamme.

    Quelle: Maxwell, C., Ramsayer, B. & Fleming, V. (2022). It's about finding a balance … exploring conscientious objection to abortion with UK midwives. Midwifery, 112. doi: 10.1016/j.midw.2022.103416 ∙ Thompson, J. B. (2004). A human rights framework for midwifery care. J Midwifery Womens Health, 49, 175-81. doi:10.1016/j.jmwh.2003.12.011 ∙ DHZ

    Rubrik: Schwangerschaft

    Erscheinungsdatum: 30.08.2022