Qualitative Studie aus Australien

Kabelgebundene oder kabellose CTG-Überwachung?

  • In einer qualitativen Studie aus Australien wurde aus Sicht der befragten Hebammen bei allen Formen einer kontinuierlichen kindlichen Herztonüberwachung der Fokus von der Gebärenden auf das CTG-Gerät gelenkt.

  • Die kontinuierliche Überwachung der kindlichen Herztöne während der Geburt wird aus verschiedenen Perspektiven kontrovers diskutiert. Kabelgebundene und kabellose Überwachungsmethoden können angewendet werden. Seit der Einführung kabelgebundener CTG-Geräte Ende der 1960er Jahre können Gebärende durch den Einsatz eine Einschränkung der körperlichen Autonomie erleben. Aktuelle Schätzungen umfassen, dass bei ungefähr der Hälfte aller Gebärenden in Großbritannien, Australien und Neuseeland eine kabelgebundene CTG-Überwachung während der Geburt erfolgt. Körperliche Autonomie kann hingegen durch kabellose Überwachungsmethoden erreicht werden: Diese findet seit dem Jahr 2003 Anwendung und geht einher mit Bewegungsfreiheit, Wahlfreiheit, kürzeren Geburtsdauern, geringeren PDA-Raten und geringeren Sectioraten.

     

    Wie Hebammen das CTG erleben

     

    Im Rahmen einer qualitativen australischen Studie wurde untersucht, wie Hebammen die Auswirkungen einer kontinuierlichen CTG-Überwachung mit kabellosen Überwachungsmethoden während der Geburt erleben. Durchgeführt wurde die Studie zwischen Januar und Juli 2020 in einer australischen Geburtsklinik (Sydney). Interviews und Fokusgruppengespräche wurden mit den betreuenden Hebammen (n=22) von 110 Frauen durchgeführt, bei denen während der Geburt eine Indikation für eine kontinuierliche Überwachung der kindlichen Herztöne vorlag und eine kabellose Überwachung der kindlichen Herztöne erfolgte.

    Zusammengefasst bevorzugten Hebammen den Einsatz kabelloser CTG-Geräte, weil diese mehr Bewegungsfreiheit ermöglichten und mit einer Reihe weiterer Vorteile einhergingen. Hebammen erlebten bei Gebärenden mit einer kabellosen CTG-Überwachung ein höheres Maß körperlicher Autonomie als bei Gebärenden, bei denen kabelgebundene Überwachungsmethoden angewendet wurden. Eine Hebamme beschrieb, dass kabelgebundene CTG-Überwachung eine höhere Barriere für physiologische Prozesse darstellte als bei kabellosen Geräten: »Bei kabelgebundener Überwachung fragt die Gebärende darf ich auf die Toilette gehen, bei kabelungebundener Technik geht sie einfach. ...«

     

    Das Gerät nimmt den Fokus

     

    Aus Sicht der Hebammen wurde bei allen Formen einer kontinuierlichen kindlichen Herztonüberwachung der Fokus von der Gebärenden hin auf das CTG-Gerät übertragen: »Das Gerät steht im Mittelpunkt.« Die befragte Hebamme ergänzt: »Personen betreten den Kreißsaal und sprechen zur Frau, starren dabei jedoch auf das Gerät: Das ist sehr bedrückend.« Hebammen beschreiben zudem, dass ein CTG-Gerät die Gebärende selbst von der Geburt ablenken kann: »Ich betreute eine Gebärende, die das CTG-Gerät anschauen und hören wollte.« so eine andere Befragte.  Eine weitere Hebamme erlebte in diesem Zusammenhang eine Gebärende, die ihre eigenen Empfindungen anhand des gemessenen Wertes des Wehenschreibers beschrieb: »Die grüne Zahl stieg auf 40. Ich hatte also eine Kontraktion.«

    Kabelgebundene Überwachungsmethoden erfordern aus Sicht der betreuenden Hebamme häufiger ein Nachjustieren bei Fehlermeldungen, das als »Fummeln« beschrieben wurde. Dieses »Fummeln« kann von der direkten Aufmerksamkeit auf die Gebärende ablenken wohingegen kabellose Überwachungsmethoden besser ermöglichen, »bei der Frau« zu sein.

     

    Frauenzentriert ohne Kabel

     

    Die Autorinnen geben zu bedenken, dass kabelgebundene und kabellose Überwachungsmethoden verschiedene Auswirkungen auf die praktische Hebammenarbeit haben. Ein tieferes Verständnis unterschiedlicher Auswirkungen der Überwachungsmethoden kann helfen, die Bedürfnisse der Gebärenden zu priorisieren und sichere Geburtserfahrungen zu ermöglichen. Sie schlussfolgern aus ihren Daten, dass die Arbeitsweise von Hebammen durch die Art der kindlichen Herztonüberwachung beeinflusst werden kann. Frauenzentriertes Handeln kann durch kabelgebundene Überwachungsmethoden verhindert oder eingeschränkt werden. Kabellose Überwachungsmethoden können dazu beitragen, dass Hebammen frauenzentrierter betreuen können.

    Quelle: Fox D et al.: Wanting to be 'with woman', not with machine: Midwives' experiences of caring for women being continuously monitored in labour. Women Birth 2021. doi: 10.1016/j.wombi.2021.09.002 ∙ DHZ

    Rubrik: Medizin & Wissenschaft

    Erscheinungsdatum: 04.11.2021