Stillen nach feminisierender Hormonbehandlung

Transgender-Frau stillt Baby ihrer Lebenspartnerin

Eine Transgender-Frau, die als Mann geboren wurde, hat erfolgreich das Kind ihrer Lebenspartnerin gestillt. Nach dem Bericht ihrer behandelnden ÄrztInnen in der Zeitschrift  Transgender Health handelt es sich um eine Weltpremiere.

Die 30-jährige Frau wandte sich bereits während der Schwangerschaft ihrer Freundin an Tamar Reisman und Zil Goldstein vom Center for Transgender Medicine and Surgery der Icahn School of Medicine in New York. Ihre Lebenspartnerin hatte erklärt, dass sie kein Interesse hätte, ihr Kind nach der Geburt zu stillen. Die Transgender-Frau äußerte den Wunsch, den Part der stillenden Mutter zu übernehmen.

Sie hatte 2011 mit einer feminisierenden Hormonbehandlung begonnen. Dazu nahm sie täglich Estradiol und Progesteron ein, dazu noch Spironolacton in einer Dosis, die die Bildung von Testosteron blockiert. Sie hatte bisher keine operative Geschlechtsumwandlung („Gender affirming surgery“) durchgeführt, also auch keine Brustvergrößerung. Aufgrund der Hormonbehandlung hatten ihre Brüste das abschließende Stadium Tanner V erreicht.

Um die Brustdrüse auf eine Laktation vorzubereiten, erhöhte die Frau auf Anraten der betreuenden ÄrztInnen die Dosis von Estradiol und Progesteron auf Werte, wie sie bei einer Schwangerschaft auftreten. Um die Prolaktin-Werte zu erhöhen, wurde der Frau das Antiemetikum Domperidon verschrieben, ein Dopamin-Antagonist, zu dessen bekannten Nebenwirkungen eine vermehrte Prolaktinausschüttung gehört. Das Medikament musste sich die Frau in Kanada besorgen. In den USA wird es nicht mehr angeboten, seit die FDA vor möglichen kardialen Arrhythmien gewarnt hatte.

Die ÄrztInnen senkten die Dosis von Estradiol und Progesteron, um die Hormonumstellung bei der Geburt zu simulieren. Die Transgender-Frau wurde außerdem gebeten, mit einer Brustpumpe dreimal täglich über fünf Minuten die Milch abzupumpen.

Zunächst produzierten die Brustdrüsen nur wenige Tropfen Milch am Tag. Nach einer deutlichen Erhöhung der Domperidondosis auf 20 mg viermal täglich und unter einer Tagesdosis von 8 mg Estradiol und 200 mg mikronisiertes Progesteron, wurde die Milchmenge schließlich auf 226 gr gesteigert.

Die ÄrztInnen senkten die Estradioldosis auf 0,025 mg täglich und die Progesterondosis auf 100 mg täglich. Die Frau hatte dann genügend Milch, um das Kind ihrer Frau für sechs Wochen ausschließlich zu stillen. Das Kind ist mittlerweile sechs Monate alt und nach Auskunft der betreuenden PädiaterInnen hat es sich normal entwickelt.

Reisman und Goldstein weisen auf die günstigen Wirkungen hin, die das Stillen für die Entwicklung des Säuglings, aber auch für die Mutter-Kind-Beziehung hat. Sie erwähnen aber auch die potenziellen Risiken für das Kind. Sie ergeben sich daraus, dass Spironolacton in Ratten die Bildung von Tumoren gefördert hatte. Die American Academy of Pediatrics hält laut Reisman und Goldstein den Einsatz von Spironolacton in der Schwangerschaft für unbedenklich. In der Muttermilch tritt vor allem der aktive Metabolit Canrenon (0,2 % der Milch) auf.

Für die Mutter könnte die von der FDA vorgebrachte proarrhythmogene Wirkung von Domperidon von Bedeutung sein, die jedoch nur nach einer intravenösen Gabe des Medikaments aufgetreten war.

Quelle:

aerzteblatt.de, 22.2.2018

 

 

Rubrik: Medizin & Wissenschaft

Erscheinungsdatum: 23.02.2018