Langzeitstudie aus Dänemark

Veränderte Darmflora nach Sectio erhöht das kindliche Asthmarisiko

  • Eine nachhaltig veränderte Darmflora könnte ein wesentlicher Grund für die erhöhte Asthmaneigung von Sectio-Kindern sein.

  • Kinder erkranken nach einem Kaiserschnitt häufiger an Asthma, wenn sich ihre Darmflora bis zum Alter von einem Jahr nicht normalisiert hat. Das kam in einer prospektiven Kohortenstudie aus Dänemark heraus. Frühere Studien hatten gezeigt, dass nach einer Sectio caesarea das Asthmarisiko für das Kind erhöht ist. Die Ursache war bisher nicht klar. Eine Vermutung ging dahin, dass die langsamere Entwicklung der Darmflora den Säugling empfänglicher macht für allergische Reaktionen.

    Die »Copenhagen Prospective Studies on Asthma in Childhood2010« (COPSAC2010) bot die Möglichkeit, die Hypothese zu prüfen, da Stuhlproben der Säuglinge archiviert worden waren. Die Studie begleitet eine Kohorte von Kindern seit der Schwangerschaft ihrer Mütter.

    Die Kinder wurden in den ersten sechs Lebensjahren regelmäßig untersucht. Im Alter von einer Woche, einem Monat und einem Jahr wurden Stuhlproben gesammelt. Ein Team um Søren Sørensen von der Universität Kopenhagen hat die Zusammensetzung der Mikroorganismen analysieren lassen und mit späteren Asthmaerkrankungen in Verbindung gesetzt.

    Von den 700 Kindern waren 151 (22 %) per Kaiserschnitt geboren worden. In der ersten Stuhlprobe nach einer Woche waren kaum Unterschiede in der Darmflora erkennbar. Die Darmflora befand sich in diesem Alter noch in einer frühen Entwicklungsphase.

    Nach einem Monat hatte sich bei den vaginal geborenen Kindern bereits eine reichhaltige Darmflora ausgebildet. Bei den per Kaiserschnitt geborenen Kindern war die Artenvielfalt deutlich geringer. In der Regel holen diese den Rückstand auf. Tatsächlich war bei den meisten nach einem Jahr kein Unterschied mehr zu den vaginal geborenen Kindern erkennbar. Es gab aber auch Kinder, bei denen es zu einer verzögerten Entwicklung der Darmflora kam. Sørensen bezeichnet dies als Kaiserschnitt-Signatur, die er mit einem Score bewertet. Von den Kaiserschnitt-Kindern mit einem hohen Score im Alter von einem Jahr erkrankten bis zum Alter von sechs Jahren 20 % an Asthma.

    Bei den Kaiserschnittkindern mit einem niedrigen Score, sprich einer normalen frühen Entwicklung der Darmflora, betrug der Anteil nur 7 % und unterschied sich nicht wesentlich von den vaginal geborenen Kindern, von denen 6 % an Asthma erkrankten. Für die Kaiserschnittkinder mit einem hohen Score ermittelt Sørensen eine Odds Ratio von 3,56, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,09 bis 11,65 signifikant war.

    Damit könnte die Kaiserschnitt-Signatur ein wesentlicher Grund für die erhöhte Asthmaneigung von Kindern nach einem Kaiserschnitt sein. Die Signatur war gekennzeichnet durch eine verminderte Häufigkeit von Bacteroides, Faecalibacterium, Roseburia, Ruminococcus, Akkermansia, Alistipes und Dialister und einer stärkeren Verbreitung von Veillonella.

    Wie genau die Darmbakterien das Asthmarisiko erhöhen, ist nicht bekannt. Sørensen vermutet, dass eine geringere Produktion von mikrobiellen Metaboliten wie kurzkettigen Fettsäuren (SCFA) von Bedeutung ist. Die SCFA entstehen durch eine bakterielle Fermentation von Ballaststoffen. Die SCFA Butyrat und Propionat gelten als gesundheitsfördernd.

    SCFA sollen die Integrität der Darmbarriere verbessern und an der lokalen Immunabwehr gegen Krankheitserreger beitragen. Sie könnten auch wichtig für die Regulation systemischer Immunantworten sein, indem sie die Expansion regulatorischer T-Zellen fördern, die einen bremsenden Einfluss auf das Immunsystem haben.

    Quelle: Stokholm J et al.: Delivery mode and gut microbial changes correlate with an increased risk of childhood asthma. Science Translational Medicine  2020. 12: 569. DOI: 10.1126/scitranslmed.aax9929 aerzteblatt.de, 17.11.2020 DHZ

     

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 18.11.2020