Qualitative Studie aus Nigeria

Warum überwiegt das Vertrauen in traditionelle Hebammen?

  • Warum wählen Frauen beispielsweise in Nigeria bevorzugt eine traditionelle und nicht eine ausgebildete Hebamme?

  • Die Rate der Müttersterblichkeit in Nigeria zählt weltweit zu den höchsten: Sie beträgt 814 pro 100.000 Lebendgeburten. Eine wesentliche Ursache scheint der Mangel an Fachpersonal zu sein, die Frauen während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett begleiten. Die Weltgesundheitsorganisation unterscheidet hier zwischen einer Betreuung durch eine ausgebildete Hebamme, Krankenschwester-/Pfleger oder Arzt-/Ärztin (SBA = Skilled Birth Attendant) und der Begleitung durch Personen ohne eine medizinische Ausbildung (TBA = Traditional Birth Attendant).

    Nigeria besteht aus 36 Regionen und 774 Regierungsbezirken. Die Betreuung wird regional unterschiedlich im Umfang 0,5 % bis 71,8 % durch TBAs geleistet. Hierbei haben TBAs vor allem in ländlichen Regionen einen großen Einfluss. Laut WHO steigt die Müttersterblichkeit, je niedriger der Anteil an SBAs bei der Betreuung von Frauen während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett liegt. Für Nigeria wurde in diesem Kontext nun die Frage untersucht: Warum wählen Frauen für die Begleitung während der Geburt häufig lieber eine TBA als eine SBA?

    Durchgeführt wurde eine qualitative Studie in 20 ländlichen Regierungsbezirken Südnigerias. Fokusgruppen-Interviews (n=20) und Interviews mit Schlüsselinformanten (politische Entscheidungsträger, hochrangige Mitarbeiter:innen des Gesundheitswesens, n=10) wurden durchgeführt. Die Daten wurden induktiv thematisch analysiert.

    Armut wurde als wichtiger Grund für die Entscheidung zu einer Begleitung durch eine TBA genannt. In einem Fokusgruppen-Interview wurde geäußert: »Frauen mit Geld können in andere Regierungsbezirke mit der Möglichkeit einer Schwangerenvorsorge zu SBAs gehen. Arme Frauen gehen zu einer TBA.« (TN CC08). Zudem können anfallende Kosten bei TBAs in Raten abbezahlt werden.

    TBAs haben oft innerhalb der Gesellschaft einen hohen Bekanntheitsgrad und werden aus traditionellen Gründen durch schwangere und gebärende Frauen aufgesucht. Eine politische Entscheidungsträgerin zeigte hierzu detaillierter auf: »Diese Frauen haben kein Vertrauen in das Krankenhaus. Sie fühlen sich mit ihren Ahnen verbunden und verwenden Kräuter während der Schwangerschaft.« Zudem sind SBAs häufig gar nicht vor Ort verfügbar oder erreichbar, dann stellt die Betreuung durch eine TBA eine pragmatische Entscheidung dar. TBAs werden von schwangeren und gebärenden Frauen, sowie Männern, als freundlich und kompetent wahrgenommen. Ein Mann äußerte: »Wir haben hier vor Ort eine TBA, die hilft. Sie ist eine Spezialistin um Frauen bei der Geburt zu helfen. Sie berührt den Körper einer Gebärenden, überwacht die Geburt und hilft, das Baby zur Welt zu bringen.«

    Die Autor:innen geben zu bedenken, dass eine Vielzahl an Gründen vorliegt, die für die Betreuung durch eine TBA sprechen. Frauen schätzen die Betreuung durch eine TBA. Aus ihrer Sicht handelt es sich vor allem um ein höheres Vertrauen in traditionelle Heilpraktiken als die Schulmedizin, schwierige Erreichbarkeit der Gesundheitsstationen und SBAs, höhere Kosten und weniger Empathie der SBA im Vergleich zur TBA. Sie sprechen sich für die Berücksichtigung dieser Aspekte und eine Förderung der Betreuung durch SBAs aus. Sie sehen darin eine Möglichkeit, zur Senkung der hohen Müttersterblichkeit in Nigeria beizutragen.

    Ntoimo LFC et al.: Why women utilize traditional rather than skilled birth attendants for maternity care in rural Nigeria: Implications for policies and programs. Midwifery 2021. 104, 103158. https://doi.org/10.1016/j.midw.2021.103158 ∙ DHZ

    Rubrik: Politik & Gesellschaft

    Erscheinungsdatum: 17.11.2021