Qualititative Studie aus Norwegen

Was motiviert Frauen zu einer Alleingeburt?

  • Frauen, die sich für eine Alleingeburt entscheiden, tun dies oftmals mangels alternativer Möglichkeiten zu gebären oder weil sie negative Erfahrungen mit der ersten Geburt gemacht haben.

  • Die Hebammen Maria Nordström und Ingeborg Nordheim haben für ihre Masterarbeit an der Oslo Metropolhochschule Frauen interviewt, die ihre Kinder ohne professionelle Hilfe gebären wollten.
    Von 55.914 Geburten im Jahr 2018 fanden 103 geplant zu Hause statt. Hausgeburten werden nur zum Teil vom staatlichen Gesundheitssystem getragen und jede Frau muss sich selbst eine Hebamme dafür suchen. 99 % aller Geburten in Norwegen finden in einer Klinik statt, nur eine kleine Gruppe norwegischer Frauen wählt eine Geburt ohne Hebamme.

    Mit zwölf dieser Frauen haben die Hebammen gesprochen, um herauszufinden, warum sie diese Wahl trafen und wie sie sich auf die Geburt vorbereiteten.

    Einige gaben an, dass sie gerne eine Hebamme zur Geburtsbegleitung gehabt hätten. Es ließ sich jedoch nicht einrichten, da die Wege zum nächsten Krankenhaus zu weit waren oder es gab keine Hausgeburtshebammen in ihrem Distrikt. Manche planten die Alleingeburt auch ein für den Fall, dass es die Hebamme nicht rechtzeitig zur Geburt schaffen würde. Außerdem beeinflussten frühere unkomplizierte Geburten und frühere traumatische Geburten die Wahl der freien Geburt.
    Einige Frauen fühlten sich von den Erwartungen während der Geburt überfahren. In der Interviewgruppe waren Erst- und Mehrgebärende vertreten. Manche hatten vorher in Kliniken geboren. Sie nahmen die Klinik nicht als Ort wahr, an dem sie individuell umsorgt wurden. Sie bekamen keine Informationen und die Hebammen antworteten ausschließlich, wenn sie selbst fragten, oder sprachen über ihren Kopf hinweg. Das führte dazu, dass sie kein Vertrauen mehr in die klinische Geburtsbetreuung hatten.

    Gerade das Gespräch mit diesen Frauen empfanden die beiden Hebammen als lehrreich, weil es doch das Verhalten der Hebammen widerspiegelt, das ihnen selbst nicht unbedingt auffällt.

    Die Frauen, die bewusst eine Alleingeburt wählten, sind stolz darauf, einen natürlichen Prozess zu erleben und die Geburt auf eigene Weise steuern zu können. Sie hatten viel darüber gelesen, wie der Körper funktioniert und wie ihre Situation sein würde. Sie vertrauten ihrem Körper und selbst, wenn sie sich wünschten, eine Hebamme an ihrer Seite zu haben, fanden sie, dass es nicht wirklich notwendig war. Alle hatten ihren Partner oder andere Begleitpersonen mit zur Geburt. Die Selbstbestimmung war ihr größter Gewinn. In der Klinik hätten sich zu viele eingemischt.

    Einige Frauen hatten in der Klinik auch kränkende Erfahrungen gemacht. In den Geburtsverlauf wurde eingegriffen, sie wurden ohne Einwilligung vaginal untersucht und es gab Situationen, in denen sie sich übergriffig und respektlos behandelt fühlten.

    Die Ergebnisse zeigen, dass es einerseits ein unzureichendes Versorgungsangebot für die Frauen gibt, die eine Hausgeburt wünschen. Andererseits zeigt es, wie wichtig der individuelle Kontakt zwischen der Gebärenden und der Hebamme während der Geburt ist. Eine Geburt sollte zu einer positiven Erfahrung einer Frau führen, dazu bedarf es einer Zusammenarbeit zwischen dem Gesundheitspersonal und den werdenden Eltern. Viele Entscheidungen können gemeinsam mit dem Paar getroffen werden. Und im Fall, dass eine Hebammen-Paar-Situation nicht funktioniert, kann eine andere Kollegin die Familie betreuen. Alle befragten Frauen hatten ein tiefes Vertrauen in die eigene Gebärfähigkeit.

    Hinweis: Lesen Sie auch die Beiträge im Titelthema zur "Alleingeburt" in DHZ 9/2017, Seite 8ff.

    Quelle: Balci S: Hvorfor velger noen kvinner å føde hjemme uten jordmor? OsloMet – storbyuniversitetet 2020. https://forskning.no/helsetjenester-oslomet-partner/hvorfor-velger-noen-kvinner-a-fode-hjemme-uten-jordmor/1670681?fbclid=IwAR2nkLECbgwYxAlInpAQbEndLdjrrcINtC6o1QYIY_YM3UHx1t_DH55wQPQ · Henriksen L, Nordström M, Nordheim I et al.: Norwegian women’s motivations and preparations for freebirth—a qualitative study. Sexual & Reproductive Healthcare 2020. Vol 25 · DHZ

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 20.04.2020