Zelluläre und muskuläre Veränderungen nach Geburtsverletzungen
Mütterliche Geburtsverletzungen sind eine wichtige Ursache für die Entwicklung einer Schwäche des Beckenbodens mit Langzeitfolgen. Epidemiologische Studien zeigen auf, dass mehrgebärende Frauen häufiger als Erstgebärende von einer Schwäche des Beckenbodens betroffen sind. Bislang fehlen jedoch Studienergebnisse zu den zugrundeliegenden zellulären und muskulären Auswirkungen aufgrund mehrfacher Geburtsverletzungen auf das mütterliche Gewebe und den Beckenboden.
Dieser Themenkomplex steht im Fokus der Forschungsgruppe um Pamela Duran. Das Forschungsteam zeigte bereits in früheren Studien auf, dass Geburtsverletzungen sowohl eine Atrophie als auch eine Fibrose der Beckenbodenmuskulatur bewirken können: Veränderungen des Gewebes durch eine Zunahme an Kollagenfasern sowie ein Rückgang an aktivem Muskelgewebe. Dadurch leiteten sie die Hypothese ab, dass mehrfache Geburten die Regenerationsfähigkeit der Beckenbodenmuskulatur weiter verringern sowie pathologische Langzeitveränderungen des Muskelgewebes begünstigen. Diese Annahme überprüften sie nun.
Sie simulierten bei Sprague-Dawley-Ratten zunächst eine Geburtsverletzung und ließen diese für acht Wochen heilen. Anschließend simulierten sie bei diesen Ratten eine erneute Geburtsverletzung. Sie untersuchten den Heilungsverlauf auf zellulärer Ebene und in Bezug auf die aktive Muskelkraft. Die Kontrollgruppe bestand aus unverletzten Ratten.
Direkt nach der ersten Geburtsverletzung war die aktive Muskelkraft der verletzten im Vergleich zu den unverletzten Ratten geringer, regenerierte sich jedoch nach ungefähr vier Wochen auf ein vergleichbares Niveau. Nach der erneuten Geburtsverletzung sank die aktive Muskelkraft bei den Ratten der Studiengruppe erneut stark ab, jedoch wurde ein vergleichbares Niveau der aktiven Muskelkraft nun erst nach zwölf Wochen wieder erreicht.
Im Vergleich zu unverletzten Ratten waren die Muskelfasern zwölf Wochen nach der zweiten Verletzung kürzer. Es zeigte sich zudem, dass die Zunahme der Kollagenfasern nach der ersten Verletzung ungefähr nach vier Wochen erfolgte, jedoch nach der erneuten Verletzung bis zu zwölf Wochen benötigte, um stetig zuzunehmen.
Die Autor:innen zeigen auf, dass sich Veränderungen der Beckenbodenstrukturen nach mehrfachen Geburtsverletzungen auf zellulärer Ebene anders als nach einer einzelnen Geburtsverletzung darstellen: Der Prozess der Kollagenfaserbildung dauert länger an und die Muskelfasern selbst bilden sich verkürzt nach. Zudem wird die aktive Muskelkraft nach aufeinander folgenden Geburtsverletzungen später als nach einer Einzelverletzung wieder vollständig erlangt. Die Forschung bietet damit Erklärungen auf zellulärer und muskulärer Ebene: Mehrfache Geburtsverletzungen können mit einer zunehmenden Beckenbodenschwäche einhergehen.
Quelle: Duran, P., Zelus, E., Burnett, L. A., Christman, K. L., & Alperin, M. (2024). Repeated birth injuries lead to long-term pelvic floor muscle dysfunction in the preclinical rat model. American journal of obstetrics and gynecology, S0002-9378(24)00877-9. Advance online publication. https://doi.org/10.1016/j.ajog.2024.08.036 ∙ Beate Ramsayer/DHZ