Schmerzbehandlung

Zu viele Schmerzen und Stress bei den Allerkleinsten

  • Für chronische oder anhaltende Schmerzen bei Frühgeborenen gibt es bislang keine guten Schmerzskalen.

  • Obwohl wir wissen, dass die Allerkleinsten genauso Schmerzen empfinden wie Erwachsene, erfahren sie keine angemessene Schmerzbehandlung. Gerade Frühgeborene können ihre Gefühle noch nicht so ausdrücken - sie schreien nicht.

    Vor 30 Jahren konnte der US-amerikanische Kinderarzt Dr. Kanwaljeet S. Anand nachweisen, dass eine ausreichende Schmerzbehandlung bei chirurgischen Eingriffen zu weniger Kreislauf- und Stoffwechselproblemen führt. Bis dahin glaubte man, dass unreife Kinder noch kein Schmerzempfinden haben. Heute ist bekannt, dass Frühgeborene eine andere Schmerzschwelle haben als Reifgeborene und dass sie sogar stärker auf Schmerzstimuli reagieren. Trotzdem erhalten sie immer noch keine ausreichende Schmerzbehandlung.

    Die Doktorandin der Neurobiologie Randi D. Andersen vom Karolinska Institut in Schweden hat dazu geforscht. Sie stellte fest, dass das Unvermögen, den Schmerz adäquat auszudrücken, zu einer schlechteren Behandlung führt – insbesondere bei Kindern mit schweren Behinderungen.

    Für eine Beurteilung der Schmerzen wurden Schmerzskalen für die nonverbale Kommunikation entwickelt, die allerdings nur selten genutzt werden und nicht ausreichend gut sind. Die meisten Schmerzskalen untersuchen das Verhalten und die Schmerzäußerungen bei akuten kurzzeitigen Schmerzen, wie dem Einstich einer Kanüle. Für chronische oder anhaltende Schmerzen gibt es keine angemessenen Schmerzskalen. Deswegen werden sie in der Pflege von Frühgeborenen kaum genutzt.

    Das bereitet Randi Andersen besonderes Kopfzerbrechen. Sie empfiehlt, eine Skala auszuwählen und diese systematisch anzuwenden, selbst wenn sie Lücken haben sollte. Gänzlich ohne zu arbeiten, sei keine gute Lösung. Es sei auch immer noch zu wenig bekannt, wie sich Schmerzmedikationen auf ein unreifes Gehirn auswirkten.

    Der mehrfach ausgezeichnete norwegische Kinderarzt und Professor Trond Markestad von der Universität Bergen, der zu diesem Thema schon lange arbeitet, ist froh, dass der Fokus der Kinderheilkunde jetzt endlich auf die Schmerztherapie gelenkt wird. Aber er ist sich sicher, dass die Schmerzen von Kindern nach wie vor unzureichend beachtet und behandelt werden. Frühgeborene und kranke Neugeborene würden immer noch, trotz besseren Wissens routinebedingt Schmerzen und Stresssituationen ausgesetzt.

    (Jakobsen SE: Small children don’t get the pain treatment they need. ScienceNordic.com; 15.8.2017. http://forskning.no/smertelindring-barn-og-ungdom/2017/07/sma-barn-far-ikke-tilstrekkelig-smertebehandling /DHZ)

     

    Rubrik: 1. Lebensjahr

    Erscheinungsdatum: 25.08.2017