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Vorträge, 27. Juni
Vorträge, 27. Juni
Dr. Michel Odent
Die Geburt und die Zukunft der Menschen
Zweifellos sind Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett diejenigen
Phasen menschlichen Lebens, die in den letzten Jahrzehnten am
radikalsten aus den verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet wurden.
Dies führt gerade jetzt zu neuen Fragen, da etliche wissenschaftliche
Disziplinen diese Zeit als außerordentlich wichtig in der individuellen
Entwicklung eines Menschen bewerten.
Im gegenwärtigen wissenschaftlichen Kontext gibt es gute Gründe
anzunehmen, dass die Art und Weise, wie wir geboren werden, die
Menschen verändern wird. Unter den neueren wissenschaftlichen
Disziplinen, die uns eine langfristige Perspektive bieten, sollten wir
uns vor allem auf vier konzentrieren: die Epidemiologie, die primäre
Gesundheitsforschung („Primal Health Research“), die Epigenetik
und auf das, was wir im Zeitalter der „mikrobiologischen Revolution“
lernen.
Das Denken in langen Zeiträumen führt uns dazu, die grundlegen-
den Bedürfnisse gebärender Frauen wiederzuentdecken und zu lernen,
die physiologischen Prozesse zu schützen. Der Blick auf die Physiolo-
gie ist der einzig erfolgreiche Weg, die negativen Folgen der kulturellen
Beeinflussung des Gebärens umzukehren.
Gabriele Fischer
Mutmachbeispiel 2:
Der Blick auf das Gesunde:
Physiologische Geburten im Perinatalzentrum
„Sanft und sicher“ ist das Motto, das sich das Team des Perinatal-
zentrums am Klinikum der Friedrich-Schiller Universität Jena auf die
Fahnen geschrieben hat. Als Kompetenzzentrum betreut das Team
Mütter mit Diabetes, Autoimmunerkrankungen und Thrombophilie –
insgesamt etwa 1.400 Kinder werden hier pro Jahr geboren. Dabei
liegt die Level-1-Klinik mit einer Kaiserschnittrate von 28 % deutlich
unter dem Bundesdurchschnitt.
Die Jenaer Geburtshilfe blickt auf eine lange Tradition zurück, das
Konzept hat seine eigene Geschichte. Traditionelles Hebammenwissen
und Perinatalmedizin ermöglichen im Zusammenspiel eine Geburtshil-
fe, die sich am Normalen, Gesunden orientiert – auch bei Patientinnen
mit schweren Vorerkrankungen oder Risikoschwangerschaft.
Prof. Dr. Ekkehard Schleußner
An allem ist die Mutter schuld?
Pränatale Ursachen von Erkrankungen
im späteren Leben
Die Einflüsse während der Prä- und Perinatalperiode haben neben
der genetischen Disposition eine prägende Bedeutung für Gesundheit
und Krankheit im späteren Leben. Die sogenannte „Fetale Program-
mierung“ bezeichnet einen Prozess, bei dem während besonderer
„kritischer“ Entwicklungsphasen durch die „intrauterine Umwelt“ die
Funktionsweise von Organen bzw. Organsystemen dauerhaft festgelegt
wird. Dabei führt die Adaptation an unphysiologische Umwelteinflüsse
wie intrauterine Mangelversorgung, prä- oder auch neonatale Überver-
sorgung oder fetale Stressaktivierung zu einer „Fehl-Programmierung“,
auf deren Basis sich im späteren Leben chronische Erkrankungen
wie Adipositas, Diabetes mellitus, kardiovaskuläre und mentale
Erkrankungen sowie Allergien entwickeln können. Die Kenntnis über
perinatale Programmierungsprozesse dürfte neue Möglichkeiten
eröffnen, eine primäre, nachhaltige Prävention dieser Erkrankungen zu
erreichen.
Prof. Dr. Rainhild Schäfers
Wie kann die Theorie in die Praxis einfließen?
Expertenstandard „Physiologische Geburt“
Wie kann die Qualität in der Geburtshilfe gesichert werden? Ein Bau-
stein ist die Entwicklung von Leitlinien – die in Deutschland auf sehr
unterschiedlichem Niveau und bisher ohne Beteiligung von Hebammen
entwickelt werden. Mit dem Expertinnenstandard zur Förderung der
physiologischen Geburt haben erstmals Hebammen selbst ihr profes-
sionelles Leistungsniveau auf einer breiten Basis wissenschaftlicher
Ergebnisse und Erfahrungswissen festgelegt, um so den steigenden
Interventionsraten entgegenzuwirken. Anders als bei Leitlinien werden
in dem Expertinnenstandard auch notwendige Voraussetzungen in
der Struktur eines Hauses und im Prozess der Geburtsbegleitung fo-
kussiert, um die beschriebenen Ergebnisse zu erreichen. Ein wichtiger
Meilenstein für unser Hebammenhandeln.
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