Kohortenstudie aus den USA

Frühes oder spätes Mitdrücken bei Erstgebärenden?

Von 2008 bis 2011 wurden in den USA in einer großen Untersuchung Daten von 115.502 Frauen und ihren Kindern für eine Kohortenstudie erhoben. In einer Sekundäranalyse wurde untersucht, wie sich frühes oder spätes aktives Mitdrücken auf das Geburtsoutcome auswirken. 21.034 Erstgebärende mit Einlingsschwangerschaften am Termin, in Schädellage, mit vollständiger Muttermundseröffnung wurden in die Studie eingeschlossen.

Frauen, die innerhalb von 30 Minuten nach vollständigem Muttermund begannen mitzudrücken, wurden der frühen Gruppe zugeordnet und diejenigen, die nach einer halben Stunde oder später damit anfingen, wurden der späten Gruppe zugeordnet.

Der Anteil der Frauen, die erst spät mitdrückten, lag bei nur 18,4 Prozent. Diese Frauen waren überwiegend älter, privatversichert, weiße Frauen europäischer Herkunft, hatten häufiger eine Einleitung oder einen Wehentropf, Diabetes und eine Epidural-Analgesie. Ein spätes Mitdrücken kam auch signifikant häufiger vor, wenn die Austreibungsphase am Tage begann oder in Kliniken mit 24-Stunden-Anästhesieservice für die Geburtshilfe.

Nachdem die Daten um die äußeren Einflussfaktoren bereinigt wurden, zeigte sich, dass die Frauen, die spät begannen mitzudrücken, eine längere Austreibungsphase (191 vs. 84 Minuten, p < 0,001) und eine längere Pressphase zeigten (86 vs. 76 Minuten, p < 0,001). Bei den Frauen, die später mitdrückten, kam es häufiger zu sekundären Sectiones (11,2 Prozent vs. 5,1 Prozent, OR 1,86), häufiger zu vaginal-operativen Geburtsbeendigungen (OR 1,26), zu stärkeren Blutungen (OR 1,43) und zu notwendigen Transfusionen (OR 1,51). Spätes Mitdrücken zeigte in seiner Wirkung keinen Zusammenhang mit dem Outcome des Kindes verglichen zum frühen Mitdrücken.

Das späte Mitdrücken führte aber verstärkt zur Erschöpfung der Mutter und zu schlechteren geburtshilflichen Ergebnissen. Die AutorInnen stellten insgesamt fest, dass in der Gruppe des frühen Mitdrückens häufiger die Geburt aufgrund von fetalem Stress instrumentell beendet werden musste. Sie äußerten sich erstaunt, dass das American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) sich nicht explizit zu einem Statement und der Empfehlung des frühen Mitdrückens hinreißen lasse, sondern ein bis zwei Stunden Abwarten empfehle, wenn die Frauen bis dahin noch kein Druckgefühl empfänden.

Die Schlussfolgerung der AutorInnen, dass frühes Mitdrücken zu einem besseren Geburtsoutcome mit weniger Sectiones und schweren Dammverletzungen führen würde, lässt außer Acht, dass es keine Aussage darüber gibt, warum die Frauen in der "späten Gruppe" erst spät damit begonnen hatten.

Anmerkung der DHZ: Das sofortige aktive Mitdrücken ab vollständigem Muttermund ist eine geburtshilfliche Praxis, die vorrangig in den USA Anwendung findet und es bisher nicht geschafft hat, sich in den europäischen Kreißsälen durchzusetzen. Wir halten es daher weiter mit Prof. Pschyrembel, der in seinem Lehrbuch G. Mauquest de la Motte (1655–1737) zitiert: „Die schlechteste und falscheste Indikation zur künstlichen Geburtsbeendigung ist die Unfähigkeit des Geburtshelfers, warten zu können. Die besten Helfer des Geburtshelfers sind die Geduld und die Zeit.”

(Yee L et al.: Maternal and Neonatal Outcomes With Early Compared With Delayed Pushing Among Nulliparous Women. Obstetrics & Gynecology: November 2016 - Volume 128 - Issue 5 - p 1039–1047. http://journals.lww.com/greenjournal/Abstract/2016/11000/Maternal_and_Neonatal_Outcomes_With_Early_Compared.15.aspx/DHZ)

Rubrik: Geburt

Erscheinungsdatum: 15.12.2016