Studie aus Norwegen

Negative Kindheitserfahrungen belasten werdende Väter

  • Krisen in der Kindheit können werdende Väter in der Umbruchzeit der Familiengründung wieder einholen.

  • Eine bedeutende Zahl von Menschen hat negative Kindheitserfahrungen, wie die in der „Adverse Childhood Experience Scale“ (ACE Scale) enthaltenen. Diese können beispielsweise verbale, physische oder sexualisierte Gewalt, häusliche Gewalt gegen die Mutter, Krebserkrankungen, Sucht oder psychische Erkrankungen in der Familie, Trennung oder Scheidung der Eltern sein. Diese erhöhen bekanntermaßen das Risiko diverser gesundheitlicher Probleme wie Herzerkrankungen, Krebs, Depressionen oder Angststörungen. Sie bestehen häufig auch noch viele Jahre und Jahrzehnte später – und treten besonders in Krisenzeiten, wie sie das Elternwerden darstellt, wieder auf. Aber nicht nur betroffene Frauen können unter den Folgen solcher Übergriffe und Erfahrungen leiden, wenn sie Mutter werden. Auch betroffene Männer erleben die Zeit der Schwangerschaft häufiger als großen Stress. Sie reagieren auf Depressionen der Partnerin sogar gehäuft mit eigenen Depressionen und Ängsten. Auch eine unglückliche Partnerschaft wirkt sich negativ auf die psychische Verfassung der werdenden Väter aus. Unbehandelte Depressionen und Ängste der werdenden Väter wiederum können die gesamte Familie belasten und auch nach der Geburt anhalten.

    Eine Studie, die einen Teil der Daten einer größer angelegten Bevölkerungsstudie aus Norwegen (The Little in Norway Study (LIN-study) auswertete, untersuchte nun den Zusammenhang von belastenden Kindheitserfahrungen von Männern und das Auftreten und den Verlauf von Ängsten und Depressionen in der Zeit des Vaterwerdens. An fünf Zeitpunkten während der Schwangerschaft zwischen der 8. und 36. Woche waren die Teilnehmer der Studie befragt worden. Zu Beginn wurde mittels der ACE Scale erfasst, ob negative Kindheitserlebnisse vorlagen. In den folgenden Befragungen ermittelten die ForscherInnen mithilfe der „Edinburgh Postnatal Depression“ Scale (EPDS) Hinweise auf Depressionen. Mit einer für werdende Väter angepasste Version des „Pregnancy-Related Anxiety Questionnaire“ (PRAQ-R) wurden konkrete Ängste in Bezug auf Schwangerschaft und Geburt abgefragt. Es zeigte sich, dass schwangerschaftsbedingte Ängste eng mit der Anzahl der Faktoren negativer Kindheitserfahrungen korrelierten. Diese waren zu Beginn der Schwangerschaft höher als kurz vor der Geburt. Gleiches zeigte sich für das Auftreten von Depressionen. Die ForscherInnen ziehen den Schluss, dass die Betreuenden auch die mentale Gesundheit des werdenden Vaters im Blick haben sollten, um das gesamte Familiensystem in die optimale Gesundheitsversorgung einzubinden.

    Leider gibt die Studie keine Hinweise darauf, wie dies im deutschen Gesundheitssystem umgesetzt werden könnte, denn hier sind werdende Väter nicht Bestandteil der Krankenkassenleistungen im Prozess von Schwangerschaft, Geburt und Postpartalzeit. Nur Familienhebammen werden im Hinblick auf die seelische Gesundheit beider primärer Bezugspersonen des Kindes schon geschult und innerhalb der Honorarpauschalen meist auch dafür bezahlt.

    (Skjothug, T. et al.: Prospective fathers adverse childhood experiences, pregnancy-related anxiety, and depression during pregnancy. Infant mental health journal, 36(1), 104-113 (2015)/The Little in Norway Study (LIN-study). (2010). A longitudinal population study of infant vulnerability and plasticity from pregnancy to age 18 months (2010). The research Council of Norway. Project No. 196156./DHZ, 9.7.2015)

    Rubrik: Wochenbett

    Erscheinungsdatum: 09.07.2015