Routinebraunüle – Einladung zu unnötigen Interventionen?
Ist eine routinemäßig gelegte Venenverweilkanüle nur eine Vorsichtsmaßnahme oder lädt sie zu unnötigen Interventionen ein? Dieser Frage ging Nadine Härtl an der Fachhochschule Salzburg für ihre Bachelorarbeit nach.
Welche Indikation rechtfertigt das Legen einer Venenverweilkanüle als Routinemaßnahme: eine Infusionstherapie, eine mehrmalig notwendige Behandlung mit Antibiotika und eine Bluttransfusion beziehungsweise die Zufuhr von Blutprodukten? „In keiner der angegebenen Literaturquellen wurde eine Indikationsstellung angeführt, die das Legen einer Venenverweilkanüle bei der Aufnahme von risikolosen Schwangeren rechtfertigen würde“, schreibt Härtl in ihrer Arbeit.
Für die Studie hat sie 2.448 Datensätze aus zwei Kliniken nachuntersucht. In der einen gehört das Legen der Braunüle zur Routine, in der anderen nicht. 155 Fälle von Frauen mit risikolosem Schwangerschaftsverlauf wurden genauer analysiert. In der Klinik mit Routinezugang wurden 82,8 Prozent der Frauen intravenös Medikamente appliziert, in der anderen Klinik waren es nur 57,3 Prozent. Dabei unterschied sich nicht nur die Nutzung des Zugangs, sondern auch der Zeitpunkt der Erstgabe eines Medikaments um durchschnittlich 156 Minuten. In der Klinik mit venösem Zugang als Routinemaßnahme erhielten 63 Prozent der Frauen als erstes ein Schmerzmittel, während es in der Gruppe mit dem restriktiven Zugang nur 17,1 Prozent waren. Die Frauen der Routinegruppe erhielten durchschnittlich 1,79 intravenöse Präparate bis zur Geburt und die restriktive Gruppe nur 0,9 Präparate.
Hartl fasst zusammen: „Die Datenanalyse führt zu dem Ergebnis, dass die routinemäßige Venenverweilkanüle eine raschere und häufigere intrapartale Medikamentengabe nach sich zieht. Die standardisierte Venenverweilkanüle hat einen Einfluss auf den intravenösen Medikamentenverbrauch unter der Geburt.“
Im Notfall sollten alle Hebammen und ÄrztInnen eine Braunüle legen können. Als prophylaktische Maßnahme ist dieser invasive Eingriff aber nicht gerechtfertigt. In jedem Fall muss diese Intervention dokumentiert werden.
(Härtl N: Ist ja nur eine Vorsichtsmaßnahme!? Österreichische Hebammenzeitung. 3/2016. http://zeitung.hebammen.at/images/stories/zeitungen/03_2016/text0316.pdf/DHZ)